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Kommentar Mobilität in der GroßstadtDas Fahrrad ist die Zukunft

Kommentar von Svenja Bergt

Autos privatisieren den knappen öffentlichen Raum. Eines der wenigen zukunftsfähigen Verkehrsmittel ist ganz einfach: das Fahrrad.

Umsteigen, bitte! Foto: dpa

D er Platz in den Metropolen wird knapp. Auf den Straßen drängeln sich Autofahrer, Lieferwagen, Busse, Radler mit und ohne Elektroantrieb und immer mehr Scooter, bei Wohnungsbesichtigungen quetschen sich Menschenmassen durch enge Treppenhäuser, um drinnen einem Makler vorzuschwärmen, wie wunderbar die 1-Zimmer-Küche-fensterloses-Bad-Wohnung doch sei. Was beide Probleme miteinander gemein haben? Einen Teil der Lösung. Denn wo zu wenig Platz ist oder die Absicht fehlt, in den Himmel zu stapeln, muss etwas weg.

Was Städte angeht, gibt es dafür einen klaren Kandidaten. Private Pkws privatisieren öffentlichen Raum, und das in einem Maße, das heute einfach nicht mehr zeitgemäß ist. Für einen lächerlichen Jahresbeitrag oder sogar kostenlos dürfen Anwohner ihr Auto in der Nähe ihrer Wohnung abstellen, und wenn sie es doch bewegen, sitzen im Schnitt 1,5 Personen darin. Da ist es auch egal, ob Autos 23 Stunden am Tag herumstehen oder 19. Sie nehmen dabei viel zu viel Raum ein.

Raum, den die moderne Stadt, die immer mehr neue Bewohner anzieht, dringend braucht. Für effizientere und ökologischere Möglichkeiten zum Transport, für Wohnungen, Spielplätze, Parks, für Orte, an denen man sich treffen kann, ohne gleich einen halben Stundenlohn für einen Kaffee zahlen zu müssen. Für freie Räume.

Wie kann es sein, dass es in Städten, in denen die Kaltmieten auf über 10, 12 Euro pro Quadratmeter steigen, überirdische Parkhäuser oder -plätze gibt? Wie kann es sein, dass einem Abstellplatz für Fahrzeuge ein besserer Ort zugestanden wird als manchen Menschen zum Wohnen? Dass standardmäßig den meisten Platz bekommt, wer sich mit dem größtmöglichen Blechvolumen umgibt?

Für alle, die Lärm, Abgase und Feinstaub vermissen würden: Motorisierten Verkehr wird es ohne Privatautos noch genug geben – Krankenwagen und Polizei, Busse und Müllabfuhr, Lieferverkehr und vielleicht selbstfahrende modulare Fahrzeuge als Teil des öffentlichen Nahverkehrs. Die alle in überschaubarer Zukunft auf einen umweltverträglichen Antrieb umzustellen, inklusive der erforderlichen Infrastruktur, wird schon Arbeit genug werden.

Na, fällt etwas auf? Das Fahrrad ist eines der wenigen zukunftsfähigen Verkehrsmittel. Genau so, wie es ist.

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Redakteurin für Wirtschaft und Umwelt
schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.
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17 Kommentare

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  • Die Zahlen sprechen ein deutlich andere sprache. Während Ihre Statistik an den Haaren herbei gezogen uist, weil Ihnen die Fakten oofenbar nicht passen, hat sich in Berlin der Fahrradverkehr in den letzten Jahren vervielfacht!

    Mein persönliches Fazit nach vielen Jahren Berufsverkehr: Nur mit dem Rad bin ich schnell und effizient unterwegs, treibe dabei auch noch Sport und schone die Umwelt. Darum steht auch mein Auto oft wochenlang rum.

    Noch eins: Stellen sie sich nur einmal vor (oder wir machen einen Feldversuch) dass alle Radfahrer in Berlin für eine Woche lang stattdessen Auto fahren. Ich bin sicher, danach werden Sie Radfahrer lieben!

  • Naaaa... Das Fahrrad ist die Vergangenheit. Eine nicht mal besonders nahe Vergangenheit.

     

    Das Fahrrad, Mobilitätskonzept der armen Leute in armen Kommunen.

     

    Eher für Kurz- als für Mittelstrecken, nur für Einzelpersonen und familienungeeignet, nahezu ohne Transportmöglichkeiten, schweisstreibend und wetterexponiert, demographieuntauglich, unsicher und noch dazu technisch störanfällig.

     

    Kurz, ein Transportmittel der Vergangenheit, was seinem Wert als Freizeit- und Sportgerät und gelegentlich als Hebel zur Erzielung von Distinktionsgewinnen ja nicht im Weg stehen soll.

     

    Der Artikel behandelt ja auch gar nicht das Fahrrad, sondern fast nur die Nachteile des Autos. Er ist gegen etwas, nicht dafür. Bloss ist die Lösung eben nicht das Fahrrad - da darf man schon mal weiterdenken und kreativer sein.

    • @TurboPorter:

      wohl nie Rad gefahren ....

      • @Christophe THOMAS:

        Doch, doch, lieber Mitforist mit den bevorzugt kurz-knackig-meme-igen Aussagen.

         

        Aber ich mach dabei die Augen nicht zu, weder metaphorisch noch real.

    • @TurboPorter:

      Technisch störanfällig sind moderne Räder nicht mehr. Es gibt nicht mal mehr einen Platten. Moderne Autos verlangen recht oft nach der Werkstatt, von Reifenwechsel und TÜV mal abgesehen.

      • @Energiefuchs:

        Komisch, unsere Räder kommen ja nun gar nicht aus dem Baumarkt, und doch: Bremsen justieren und Bremsklötze wechseln, immer mal wieder Luftverlust, Kettenschaltung hakt, Ölchen hier und Ölchen da.

         

        Unser Auto geht alle zwei Jahr zur Durchsicht. Das war's.

        ---

        Und abgesehen von der Mühe - wetterfest wird's dann auch noch nicht. Nee, es wird Zeit für zeitgemässe Verkehrskonzepte, nicht für die unserer Urgrosseltern.

  • Ich denke auch, über kurz oder lang wird sich niemand mehr Großstadt antun. Wozu?

  • Obwohl ich alles an fahrbaren Untersätzen durch habe, wäre das letzte, auf das ich verzichten möchte, das Fahrrad.

    Leider zeigt jedoch ein Blick auf die allgemeine Verkehrspolitik in diesem PKW-hörigen Land, dass das Fahrrad NIE den PKW verdrängen soll. Entweder wird die Verkehrswegeplanung boykottiert oder die Fernnutzbarkeit per Bahn, die erlaubte Geschwindigkeit, die Priorisierung im innerstädtischen Verkehr usw.usf.

    Fahrradfahren DARF nicht attraktiver sein als Autofahren.

    • @Mitch Miller:

      Na ja, Fahrradfahren *ist* auch nicht attraktiver als Auto- oder auch nur Mopedfahren. Sie können an jedem beliebigen Land die Entwicklung sehen: Fussgänger - Fahrrad - Moped oder öffentlicher Verkehr - Auto.

       

      Und der Fahrradanteil sinkt. Jugendliche möchten halt auf dem Weg kommunizieren - mit Freunden oder besonder auf dem Smartphone. Das geht im Auto nicht - und schon gar nicht auf dem Velo. Schlechte Aussichten.

  • Idealerweise meidet man einfach die (Groß-)Stadt, was zukünftig bei immer mehr Arbeitsplätzen möglich sein sollte.

  • Solange unsere Wirtschaft auf Autoproduktion basiert , ist jeder noch so korrekte Punkt nicht von oben nach unten durchsetzbar.

     

    Das muss von uns allen ausgehen. Fahrrad fahren, Straßen damit verstopfen, Umsätze generieren, Dienstleistungen fürs bike kreieren, Antrag stellen sein Fahrrad zu heiraten bzw. Steuerabsatz... konstruktive und destruktive Ansätze gleichermaßen....

    ÖNPV gratis, Stadteinfahrtsgebühren abbuchen, 10 Eus Gutschrift für Biker....

     

    Ein Wahlkampfthema? allemal! für Grün? Ok, das war jetzt Utopie!

    • @Tom Farmer:

      Führerscheinpflicht und Fahrradsteuern fehlen in der Auflistung.

      • @DiMa:

        Sicher nicht!

        MwSt - Steuerfreiheit auf alles rund ums Fahrrad wäre allenfalls korrekt.

        Jeder gefahren km wird auf die Lohnsteuer angerechnet... zur Arbeit doppelt. Stromtarif für E-bike gratis....

        • @Tom Farmer:

          Und Höhenmeter bitte doppelt.

           

          Ich hab kein Bock nach 8 Stunden Fabrikhalle (ja nicht jeder sitzt auf dem Sofa und macht "Irgendwas"-Arbeit) noch 20 KM über Berger zu fahren.

          Da nehm ich das Auto - u.a. weils doppelt so schnell geht wie Öffentliche.

           

          Aber das ist ja nur ein Problem der kleinen Minderheit die nicht im Szeneviertel lebt und deren Bewegungsradius etwas größer als als ne Bahnlinie.

          • @Thomas_Ba_Wü:

            Pendler auf dem Lande, da wirds schwierig.. bin ich auch!

             

            Aber da geht Ihnen doch nix ab... kann man dennoch dafür sein, oder?

      • @DiMa:

        Schon eine Helmpflicht macht das Radfahren wieder unattraktiv.

        • @Energiefuchs:

          Nicht nur das, es konnte mir noch Keiner irgendeinen Beleg für eine Schutzwirkung zeigen, wenn man die Gesamtheit aller Radfahrer betrachtet. Im Gegenteil, die Zahl der Kopfverletzungen stieg um bis zu 50 %, wenn eine Helmpflicht eingeführt wurde.