Die Woche: Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?
Das Fahrrad als Kampfsymbol der Grünen, Boris Johnsons vergiftete Treueschwüre und die Bismarck-Rechtsüberholer von der SPD.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht in der vergangenen Woche?
Friedrich Küppersbusch: Jobtausch Schulz – Corbyn könnte an strengen britischen Einwanderungsregeln scheitern.
Und was wird besser in dieser?
Wir nehmen Bernie Sanders.
Das Fahrrad, Kampfsymbol der Grünen, wird 200 Jahre alt – ausgerechnet jetzt, wo es mit der Partei extrem schlecht läuft. Ist das Ironie des Schicksals oder doch ein gutes Vorzeichen?
Der Vergleich hat einen Platten: Seit die Grünen Helm tragen, ist die Welt unsicherer geworden. Immerhin: Helm sieht echt scheiße aus, egal welcher. Verbindendes Motiv: Grüne und Fahrrad muss man sich leisten können. Hochgerüstete SUVs mit aufwendig drangeschnallten Edelrädern verstopfen die Ausfallstraße gen Naherholungsgebiet – das erinnert an eine übersäuerte Marktwirtschaft, deren Erfolgreichste sich den Warenkorb aus dem Ökomarkt leisten können. Alltagstaugliches Radfahren tut in den Beinen weh, man wird bei Regen nass und neigt bald zum gesetzlichen Gegenwindverbot. Conveniencegrüne können von der gesunden Härte des Radlers nur lernen.
Die Bundeswehrsoldaten werden vom türkischen Stützpunkt Incirlik abgezogen. Wurde auch Zeit?
Fluch der schlechten Tat: Bei der Verlegung der Luftaufklärer in die Türkei wurde das Parlament nicht gehört. Man überwache lediglich den Luftraum über der Türkei, deshalb sei es kein Kampfeinsatz. Das war schon sportlich mit Blick auf die türkischen Angriffe auf Kurdenregionen: Bekam Nato-Partner Türkei deutsche Luftbilder, um besser morden zu können? Unterband die deutsche Luftüberwachung allzu dreiste Kriegsführung der Türkei? Vielleicht sind beide Seiten froh, künftig weniger zu wissen. Die erneute Verlegung jedenfalls ist für eine „Parlamentsarmee“ ein Rechtsbruch.
Mitte des Jahrhunderts könnte es in den Meeren mehr Plastikmüll geben als Fische, prognostiziert UN-Generalsekretär António Guterres. Wann stellen Sie Ihren Alltag auf „zero plastic“ um?
Start-up-Idee: In Wohnvierteln anklingeln, die Bausche und Berge von Einwegplastiktüten höflich erbetteln und mit der Beute vorm Supermarkt einen Stand mit billigen Gebrauchttüten aufziehen. Das Zeug wird ja nur neugekauft, weil man zu faul, verpeilt, heikel ist, die Tüte stets mehrfach zu nutzen. Bis dahin habe ich eine Hand voll Tüten im Kofferraum zu lauern. Apropos Kofferraum: Rund 100 Kilo Kunststoff enthält heute ein Auto. Das macht es leichter und spart Sprit. Wenn ich noch länger nachdenke, war der Presspappe-Trabant mit Einkaufsbeutel aus DDR-Kunstfaser Dederon ökologisch ziemlich weit vorne. Das wird die Fische sicher sehr interessieren.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Brennelementesteuer für verfassungswidrig erklärt. Atomkonzerne hoffen nun auf eine Rückerstattung von mehr als sechs Milliarden Euro. Ist die Steuerzahlerin mal wieder die Dumme?
Wumpe. Die Atomstromer kloppten die Steuer auf den Strompreis drauf, also ist es eher ein Wechsel: Was man bisher den Verbrauchern abnahm, sollen jetzt die Steuerzahler zurückzahlen. Bei Licht: Wir haben zweimal bezahlt.
Die SPD hat ihr Rentenkonzept vorgestellt. Versprochen wird, die Rente solle nicht sinken, das Renten-Eintrittsalter bleibe bei maximal 67 Jahren. Realistisch?
Hoffentlich nicht: Schulz’ Konzept reißt die Tür auf zur Steuerfinanzierung der Rente. Jährlich sollen 15 MRD € als „steuerfinanzierter Demografiezuschuss“ die Wohltaten ermöglichen. Heißt: Die Arbeitgeberseite ist raus, Beitrags- und Steuerzahler erhöhen sich selbst die Rente. Bismarck wäre amüsiert zu hören, dass die SPD ihn rechts überholt.
Theresa Mays Plan, durch eine Neuwahl mehr Stärkung für den Brexit zu kriegen, ist nicht aufgegangen. Trotzdem will sie Premierministerin bleiben – geht’s noch?
Boris Johnsons „Ich unterstütze Theresa May“ klingt schon stark nach Treueschwur zum fallenden Trainer nach der achten Heimniederlage. Eine Duldung durch die nordirische Rechtspartei DUP birgt zu allem Ärger die Chance, den Irlandkonflikt neu anzufachen. Neuwahlen, wie Labour sie erwägt, zerschössen den Zeitplan des Brexit. Vielleicht wäre ein erneutes Referendum über den EU-Austritt die beste, geläuterte Lösung.
Und was machen die Borussen?
Investigativbranchenvater Hans Leyendecker bekam bei der Jahrestagung des „Netzwerks Recherche“ den Ehrenpreis. Die Laudatio auf den Journalisten hielt BVB-Geschäftsführer Watzke. Thomas Tuchel blieb der Veranstaltung fern.
Fragen: Maike Brülls
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett