Kommentar Misstrauensvotum Österreich: Kurz entschlossen
Österreichs Kanzler muss dank eines Misstrauensvotums gehen – will aber sein Projekt unbedingt vollenden. Neuauflage leider nicht ausgeschlossen.
R achegelüste der SPÖ. So erklärt der abgesetzte Bundeskanzler den erfolgreichen Misstrauensantrag gegen ihn und seine Regierung. Sebastian Kurz ist ein begnadeter Selbstvermarkter und seine Darstellung als Opfer der billigen Vendetta einer Verliererpartei passt in die Inszenierung.
Kurz – der ÖVP-Sieg bei den EU-Wahlen belegt das – erfreut sich nach wie vor hoher Sympathiewerte. 64 Prozent der Wahlberechtigten sprachen sich am Sonntag in einer Umfrage gegen seine Absetzung aus. Die SPÖ muss damit rechnen, dass ihr das bei den nächsten Wahlen auf den Kopf fällt.
Dass Revanche bei den Überlegungen, dem Kanzler das Misstrauen auszusprechen, eine Rolle gespielt hat, kann nicht ausgeschlossen werden. In Wahrheit hatten die Sozialdemokraten aber keine andere Wahl. Sebastian Kurz hatte sie mit der Sprengung der von Christian Kern (SPÖ) angeführten Regierung vor zwei Jahren gelehrt, dass bei ihm taktisches Kalkül schwerer wiegt als Vertragstreue.
Nach dem folgenden Wahltriumph galt sein Bestreben, mit dem Juniorpartner FPÖ möglichst viele Bastionen der SPÖ zu schleifen. Dafür nahm er in Kauf, Rechtsextreme in Spitzenjobs zu befördern. Entgegen der in Österreich über Jahrzehnte gepflegten Konsensdemokratie hatte er 17 Monate lang nie den Kontakt zur größten Oppositionspartei gesucht – und auch nach dem Platzen der jüngsten Regierung traf er alle Entscheidungen im Alleingang. Für jemanden, der demnächst darauf angewiesen ist, einen neuen Partner zu finden, zeugt es von wenig Weitsicht, mögliche Partner zu verprellen.
Kurz ist davon besessen, den neokonservativen Umbau der Republik, den er mit der FPÖ so erfolgreich begonnen hat, auch zu vollenden. Und man muss sich fragen, welche Konstellation außer einer Alleinregierung ihm das ermöglichen würde. Eine Neuauflage von Türkis-Blau – also ÖVP-FPÖ – nach den Nationalratswahlen im kommenden September ist nicht ausgeschlossen.
Der SPÖ-Basis wäre es jedenfalls schwer zu vermitteln gewesen, hätte ihre Partei, die ja am Wirken der Regierung kein gutes Haar gelassen hatte, dem Kanzler das Vertrauen ausgesprochen.
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