Kommentar Missbrauch in der Kirche: Das Bekenntnis zur Schuld reicht nicht
Man sollte erwarten, dass die Kirche da aufräumt, wo das Übel beginnt: bei ihren eigenen Moralvorstellungen. Aber das passiert nicht.
J a, Papst Franziskus hat recht, wenn er betont, dass Missbrauch ein „übergreifendes Problem“ sei, eines, das überall vorkomme, nicht nur in der Kirche. Sexuelle Gewalt an Kindern gibt es in Familien, Sportvereinen, Schulen, Internaten. Aber es ging bei der sogenannten Missbrauchskonferenz, die im Vatikan am Sonntag nach vier Tagen ihren Abschluss fand, eben nicht um Familien, Schulen und Internate, sondern ausschließlich um die katholische Kirche. Und die hat schwere Schuld auf sich geladen.
Nicht nur weil es die massenhaften körperlichen und seelischen Übergriffe durch Geistliche gab und gibt. Sondern vor allem weil Würdenträger in Entscheidungspositionen, die von den Übergriffen wussten und sie hätten stoppen können, jahrzehntelang nichts unternommen haben. Im Gegenteil, überall auf der Welt durften die Täter weiterhin mit Kindern „arbeiten“. Nur bei ganz besonders schweren Taten wurden manche versetzt, selten wurden sie bestraft.
Damit wollte die Konferenz aufräumen. Getan hat sie es nur in Ansätzen. Das geäußerte Bekenntnis zur Schuld ist gut und schön. Aber es reicht nicht. Müssten aus vier Tagen Beichte, Reue und Buße nicht viel eher handfeste Konsequenzen folgen? Konsequenzen, die Missbrauch keinen Raum mehr lassen und die es – wenn er doch passiert – zulassen, mit Entschiedenheit dagegen vorzugehen?
Das ist nicht geschehen. Von der „Missbrauchskonferenz“ bleiben vor allem Lippenbekenntnisse und Absichtsbekundungen. So soll der ohnehin schwammig formulierte 21-Punkte-Plan des Papstes zunächst im Vatikan diskutiert werden. Werden dann tatsächlich, so wie Franziskus es anmahnt, Täter aus dem Dienst entlassen?
Aufräumen mit antiquierten Moralvorstellungen
Vielleicht ist es angesichts der jahrtausendelang gewachsenen kirchlichen Machtbefugnisse vermessen zu erwarten, dass die Organisation da aufräumt, wo das Übel beginnt: bei ihren eigenen Moralvorstellungen. Solange Menschen, die nicht ins katholische Werteschema passen, stigmatisiert und diskriminiert werden, bleibt das System veränderungsresistent.
Wahrhaft revolutionäre Vorschläge wären beispielsweise gewesen, das Zölibat abzuschaffen, Geschiedene und Wiederverheiratete nicht weiter als amoralische Außenstehende zu geißeln sowie eine Schwangerschaftskonfliktberatung anzubieten, die diese Bezeichnung tatsächlich verdient.
Viele Katholik*innen wünschen sich eine andere Kirche als die, die sie jetzt ist. Das zeigen Umfragen immer wieder. Ebenso fordern zahlreiche Pfarrer*innen und Priester*innen eine rigorose Neuausrichtung, ihnen laufen – eben auch und wohl vor allem wegen des überholten Verhaltenskodexes – seit Jahrzehnten die Mitglieder weg. Und die Opfer? Sie erwarten mindestens eine Entschädigung. Gehört wurden sie kaum. Am Sonntag demonstrierten wieder Hunderte von ihnen vor dem Vatikan.
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