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Kommentar Maut und Toll CollectZur Vernunft gezwungen

Malte Kreutzfeldt
Kommentar von Malte Kreutzfeldt

Künftig treibt der Staat die Lkw-Maut ein. Die Kosten für das Projekt haben auch die größten Privatisierungsfans eines Besseren belehrt.

Kann ordentlich Geld einbringen: ein Lkw auf deutschen Bundesstraßen Foto: imago/Phototek

E s ist ein Sieg der Vernunft, auf den man schon gar nicht mehr zu hoffen gewagt hatte: Die Lkw-Maut wird künftig vom Staat selbst eingetrieben, statt diese Aufgabe im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft (ÖPP) weiterhin für viel Geld durch Privatunternehmen erledigen zu lassen.

Damit endet ein 14-jähriges Lehrstück über die Tücken der Privatisierung: Von der verspäteten Einführung über Fehler bei der Abrechnung und einen jahrelangen Rechtsstreit vor einem geheim tagenden Schiedsgericht, der mit einem Verzicht des Bundes auf viel Geld endete, hat das Maut-Konsortium Toll Collect jedem vor Augen geführt, was bei ÖPP alles schiefgehen kann.

Trotzdem war CSU-Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer ebenso wie sein Vorgänger Alexander Dobrindt lange dafür, die Erhebung der Lkw-Maut nach Auslaufen des bisherigen Vertrags erneut privaten Unternehmen zu übertragen. Gestützt auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG, das einen finanziellen Vorteil für die Privatisierung errechnet hatte, hatte das Verkehrsministerium alle Kritik von Grünen und Linken sowie diversen ExpertInnen abgebügelt.

Erst nachdem auch der Bundesrechnungshof den Berechnungen von KPMG zahlreiche Mängel bescheinigt hatte, ließ das Verkehrsministerium noch einmal nachrechnen – mit realistischeren Werten, über die die Regierung nur deshalb verfügte, weil sie das Maut-Konsortium durch Verzögerungen bei der Ausschreibung eher ungewollt für ein paar Monate übernehmen musste. Und siehe da: Plötzlich war das ÖPP-Projekt nicht 6 Prozent billiger als die staatliche Durchführung, sondern 7 Prozent teurer. Diese Zahlen haben nun auch die größten Privatisierungsfans zur Vernunft gezwungen.

Und das gilt hoffentlich nicht nur für die Lkw-Maut. Denn über den konkreten Fall hinaus zeigt das Beispiel Toll Collect, wie Privatisierungen mit völlig unrealistischen Annahmen schöngerechnet werden. Auf vermeintlich objektive Gutachten angeblicher Wirtschaftsexperten sollte die Politik künftig jedenfalls nicht mehr hereinfallen.

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Malte Kreutzfeldt
ehemaliger Redakteur
Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.
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5 Kommentare

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  • Noch eine Anmerkung: Die ÖPP Verträge sind in aller Regel geheim. Die sieht kein Parlamentarier, weder im Bundestag, noch in den Landtagen und auf kommunaler Ebene ebenfalls nicht!



    Demokratische Kontrolle? Fehlanzeige!



    Marktkonforme Demokratie eben.

  • Besser spät als nie! Doch die Milliarden Mindereinnahmen im Staatshaushalt, die für anderes zB. höhere Löhne in Pflegeberufen, für Lehrer oder ErzieherInnen fehlten, waren die Gewinne der Betreiber. Und sie bleiben dort: Die haben es auch nötiger, gelle!

    Grundsätzlich stellt sich die Frage: Wer hat denn da die 17000 Seiten (34 Pakete Kopierpapier) des Toll collect Vertrages (Anwaltsfabrik Freshfileds) und die KPMG Berechnungen gelesen und überprüft? Wie? Abgeordnete haben noch anderes zu tun? Das haben die Anwälte sicher nicht gewusst. :-)



    Eigentlich sind doch die Parlamente für die Kontrolle der Regierung verantwortlich. Anwaltsfabriken wissen aber, wie man im Interesse ihrer Mandaten die demokratische Kontrolle durch die Parlamente aushebelt: man scheißt sie mit Papier zu!

    Ein anderes Beispiel:

    "A1 Mobil-Klage: Gericht schlägt Mandantinnen von KPMG Law und Leinemann Vergleich vor (18.05.2018)

    Im 780-Millionen-Euro-Prozess um Risiken aus einem ÖPP-Konzessionsvertrag hat das Gericht der Bundesrepublik Deutschland und der Autobahn-Betreibergesellschaft A1 Mobil am ersten Verhandlungstag einen Vergleich vorgeschlagen: Eine von beiden Seiten zu tragende Finanzspritze sowie die Umstellung der vertraglich vereinbarten Vergütungslogik sollen den Streit lösen. Nun müssen die Parteien entscheiden: Der Bund hatte zu Beginn der Verhandlungen allerdings angekündigt, einen Vergleich abzulehnen (Az. 9 O 106/17)."

    www.juve.de/nachri...mann-vergleich-vor

    Will nur noch mal darauf hinweisen, dass der ebenfalls von der Anwaltsfabrik Freshfields erstellte Vertrag zwischen Bund und A1-mobil GmbH (Haftungskapital 26000 Euro) einen Umfang von satten 36000 Seiten hat = 18 Pakete Kopierpapier. Welcher Abteilungsleiter, Ministerialbeamte, Minister oder Abgeordnete hat wohl diesen oder auch andere hochkomplexe juristischen Verträge für die ÖPP Projekte gelesen?

    • @Drabiniok Dieter:

      Immer diese Zahlen :-)



      36000 Seiten Vertragstext = 72 Pakete Kopierpaper

      • @Drabiniok Dieter:

        Hervorragender Beitrag; danke.

  • In jeder schlecht gemachten Simulation lernt man, dass Kaufen auf Dauer billiger ist als Mieten. Keine Ahnung wo diese „WirtschaftsExperten“ immer ihr „Wissen“ her bekommen. Es gibt doch reichlich gescheiterte Beispiele von Privatisierung. Bahn, Krankenhäuser... gibt es Gegenbeispiele?