Kommentar Machtkampf in der AfD: Raus aus der Braunzone
Ist in der AfD Platz für Neonazis? Ist die Partei gar selbst rechtsextrem? Das Ausschlussverfahren gegen Höcke wird die Partei zur Klarheit zwingen.
Antisemitismus, Rassismus, Holocaust-Verharmlosung – all das war bisher kein Grund für AfD-Politiker, aus der rechtsgerichteten Partei ausgeschlossen zu werden. Parteiausschlussverfahren scheitern notorisch, weshalb Björn Höcke sich gelassen gibt: Dass die Parteispitze ein Verfahren einleitet, bedeutet nicht, dass er am Ende die Partei verlassen muss.
Dass der Vorstand unter der Leitung von Frauke Petry den Ausschluss anstrebt, zeigt, dass die Parteichefin geschwächt ist. Sie vermag nicht mehr, durch Autorität und Amt ihre Kollegen zu disziplinieren. Stattdessen geht sie mit formalisierten Verfahren gegen parteiinterne Widersacher vor – was den Machtkampf in der Partei steigern dürfte.
Dieser Machtkampf sollte auch den Gegner*innen dieser völkischen, islamophoben und neoliberalen Partei willkommen sein, denn er wird die AfD zwingen, ihre Existenz in einer schwammigen Braunzone zu beenden. Die AfD muss sich positionieren: Haben rechtsextreme Politiker einen Platz in dieser Partei? Sind sie gar unverzichtbar? Der rechte Parteiflügel hat sich ja bereits zu Höcke bekannt.
Bisher profitierte die AfD von ihrer unklaren Positionierung: Neonazis sandte sie nur leicht verschleierte Nachrichten, dass sie die neue rechte Kraft sei – während sie ansonsten heftig bestreitet, rechtsextrem zu sein. Dabei hat auch Petry mitgemacht, wenn sie beispielsweise für die NS-Vokabel „völkisch“ warb. Und so sammelt die AfD derzeit Stimmen sowohl am rechtsextremen Rand als auch bei Menschen, die zwar rechts denken, aber nicht als „Neonazis“ gebrandmarkt werden wollen. Das Verfahren gegen Höcke wird zeigen, welche Wähler die AfD behalten möchte.
Sollte der Ausschluss Höckes scheitern, wird deutlicher werden, dass die AfD zur Nachfolgepartei der rechtsextremen NPD wird. Und dass sie anstrebt, das parlamentarische Sammelbecken für den latenten völkischen Nationalismus zu werden, der in Deutschland weit verbreitet ist.
Dieser Drang zum Rechtsextremismus bleibt, egal wie das Verfahren um Höcke ausgeht. Setzt sich Petry durch, wird sie viel von ihrem politischen Kapital eingesetzt haben. Der nächste Tabubruch à la Höcke dürfte aber nicht lange auf sich warten lassen. Fraglich ist, ob Petry dann noch die Kraft aufbringt, ein neues Ausschlussverfahren überhaupt einzuleiten.
Einfacher wird es für sie und die AfD sein, wenn Petry abgewählt wird und die Partei verlässt – so wie einst Parteigründer Bernd Lucke. Der Rechtsruck wäre vollzogen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen