Kommentar Libyen-Friedensplan: Der Westen muss nachlegen
Das Friedensabkommen sollte der Anfang eines europäischen Umdenkens in Nordafrika sein. Regionale Industrien müssen unterstützt werden.
Der Bürgerkrieg in Libyen ist vorerst offiziell beendet. Zustande gekommen ist das Friedensabkommen, das eine Einheitsregierung und einen Waffenstillstand vorsieht, jedoch eher durch die überraschende Einheit der internationalen Gemeinschaft als die der libyschen Konfliktparteien.
Die auf der Libyen-Konferenz in Rom vor einer Woche gegründete Allianz hatte sich vor allem wegen des Vormarsches des IS und der Flüchtlingswelle über das Mittelmeer zusammengetan. Nun hat sie die Bildung einer gemeinsamen Regierung der konkurrierenden Parlamente von Tobruk und Tripolis erreicht. Luftschläge gegen die Trainingscamps der Extremisten werden folgen.
Doch das von dem deutschen Diplomaten Martin Kobler ausgehandelte Friedensabkommen sollte der Anfang eines Umdenkens über das europäische Engagement in Nordafrika sein. Die Gründe, aus denen sich junge Männer den Dschihadisten anschließen, bestehen unverändert.
Nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings überließ man das ehemals reichste Land Afrikas wild gewordenen revolutionären Milizen. Diese sehen in dem Wunsch der Bürger nach dem Aufbau eines Rechtsstaates nicht anderes als die Gefahr für ihr Auskommen, das auf ihren Waffen beruht. Die Netzwerke der Islamisten holen sich immer mehr junge Perspektivlose nach Tripolis, Sabrata oder Sirte – viele von ihnen aus Tunesien.
Libyens Bürger haben in über 90 Lokal- und zwei Parlamentswahlen klar geäußert, was sie nicht wollen: Chaos. Um den IS zu bekämpfen, bedarf es keiner Bomben aus der Luft. Der Westen muss jetzt nachlegen. Landwirtschaft, Textilindustrie, aber auch investitionswillige europäische Unternehmen müssen massiv unterstützt werden. Nur wenn die jungen Männer eine wirtschaftliche Perspektive bekommen, werden die Werber des IS keine Chance mehr haben. Ansonsten droht eine Katastrophe, mit oder ohne Friedensabkommen.
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