Kommentar Lehren aus der US-Wahl: Es waren nicht die „Abgehängten“

Trump-WählerInnen sind in allen Einkommens- und Bildungsklassen vertreten. Sie sind nicht mehrheitlich arm, sondern mehrheitlich weiß.

US-Präsiden Barack Obama steht an einem Rednerpult inmitten von Menschenmassen

Für den Kampf gegen Rassismus reicht es nicht aus, einen schwarzen Präsidenten zu haben Foto: dpa

Sie hätten uns eins ausgewischt, heißt es. Sie, die ungebildeten, einkommensschwachen Abgehängten hätten uns, der gebildeten, einkommensstarken Elite, eins ausgewischt und Trump gewählt. Die Folgen der Globalisierung also. Eine Revolte, die nun akzeptiert werden muss, ein Umschwung der uns auch in Deutschland droht. Doch es scheint, als wäre das tatsächlich nur ein kleiner Teil der Lektion.

Denn auch Trumps Wählerschaft geht weit über dieses Klischee hinaus. Das zeigen zumindest die Exit Polls der US-Wahl, für die Edison Research am Tag der Wahl rund 25.000 Wähler an 350 Orten nach der Stimmabgabe befragt hat und rund 4.000 Telefoninterviews geführt hat. Die Zahlen sind nicht exakt, aber sie lassen Verhältnisse erkennen. Etwa dass Hillary Clinton bei Wählern, die weniger als 50.000 US-Dollar im Jahr verdienen, tatsächlich vorne lag.

Sie lassen außerdem erkennen, dass rund die Hälfte der weißen Wähler mit College-Abschluss Trump gewählt haben, dass mehr als die Hälfte der weißen Frauen ihn gewählt hat und überhaupt – dass vor allem Weiße Trump gewählt haben. Das ändert sich auch nicht, wenn man auf die Latinos verweist, von denen rund 30 Prozent dem Republikaner ebenfalls ihre Stimme gaben. Weiße haben zwar auf vieles ein Privileg, auch der strukturelle Rassismus ist ihnen vorbehalten, aber nicht die Xenophobie oder Ressentiments an sich.

Die Menschen, die Trump gewählt haben, sind in allen Einkommens- und Bildungsklassen vertreten, das sind Menschen wie Sie oder Ihre Nachbarn, die sich dafür entschieden haben ihm ihre Stimme zu geben. Ihm, einem offen rassistischen Kandidaten. Sie haben ihn entweder gewählt, obwohl er ein Rassist ist – weil es sie nicht weiter stört, immerhin benachteiligt und beschimpft er nur andere Menschen. Oder sie haben ihn gewählt, weil er ein Rassist ist. Beides ist beunruhigend und mehr Möglichkeiten gibt es nicht – Anti-Establishment hin oder her.

Man könnte also auf die Idee kommen, dass dieses Wahlergebnis unter Umständen vielleicht doch etwas damit zu tun hat, dass die USA ein lang gepflegtes, wenig anerkanntes und kaum bearbeitetes Problem mit Rassismus haben. Im zwischenmenschlichen Alltag und in allen gesellschaftlichen Strukturen.

Man könnte auf die Idee kommen, dass es nicht das Einkommen ist, keine Bildungslücke – sondern die fehlende Haltung zu, die fehlende Auseinandersetzung mit und die fehlende Benennung von Rassismus in Kommunen, Schulen und Gemeinschaften. Es reicht nicht einen schwarzen Präsidenten zu haben. Wenn das die Polizeigewalt und die Black-Lives-Matter Bewegung noch nicht deutlich genug gemacht haben, dann sollte dieses Wahlergebnis das tun.

Wenn wir in Deutschland also etwas aus der US-Wahl lernen können, dann ist es, dass wir uns dem Rassismus stellen müssen – in allen Schichten, in allen Einkommensklassen, in allen politischen Milieus. Es muss Aufklärungsarbeit geleistet werden und zwar nicht nur bei den „Abgehängten“.

Wenn Regierung und Gesellschaft nicht versuchen, eine herkunftsunabhängige Chancengleichheit aus der Theorie in die Praxis zu übertragen und die bestmöglichen Voraussetzungen für ein respektvolles Miteinander zu schaffen – was bei einer menschenwürdigen, integrativen Asylpolitik anfängt und bei anonymisierten Bewerbungen aufhört –, und wenn wir uns nicht trauen dem Rassismus in unserer eigenen Umgebung entgegenzutreten, dann dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn am Ende wieder ein Rassist regiert.

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Schreibt über Gesellschaft, Politik, Medien und manchmal über Österreich. Kolumne "Kinderspiel". War 2013 Volontärin der taz panter-Stiftung, dann taz-Redakteurin. Von 2019 bis 2022 Ressortleiterin des Gesellschafts- und Medienressorts taz zwei. Lebt und arbeitet in Wien.

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