Kommentar Kosten von Stuttgart 21: Alle verstehen nur Bahnhof

Jetzt also zehn Milliarden für Stuttgart 21. Winfried Kretschmann muss die Bahn zur Ehrlichkeit zwingen. Oder zum Aufhören.

Der Stuttgarter Hauptbahnhof mit Baukran

Macht nur Probleme: der Neubau des Stuttgarter Hauptbahnhofs Foto: dpa

Jetzt ist der Stuttgart-21-Gegner in Winfried Kretschmann gefragt. Viereinhalb Jahre lang hat der Stuttgarter Regierungschef so getan, als sei das hochgradig fragwürdige Tiefbahnhofprojekt endgültig und legitimerweise entschieden durch den Volksentscheid von 2011. Nach den neuesten Zahlen, die aus der Prüfmitteilung des Bundesrechnungshofs an die Bundesregierung durchgesickert sind, taugt dieses Argument nur noch bedingt. Die Unverdrossenen unter den Gegnern hat es ohnehin nie überzeugt.

Es geht nicht nur um die nackte finanzielle Tatsache jener rund zehn Milliarden Euro, die der Umbau eines funktionierenden oberiridischen Bahnhofs zu einem unteriridischen kosten soll, dessen Leistungsfähigkeit von Fachleuten massiv bezweifelt wird.

Es geht um Kretschmanns ureigenes Projekt der „Politik des Gehörtwerdens“. Beteiligte Bürgerinnen und Bürger können nur dann zum Maß aller Dinge erklärt werden, wenn Pro- und Contra-Argumente, unterfüttert von transparenten Zahlen und Daten, auf den Tisch gelegt und ernst genommen werden, statt alle Einwände mit der Arroganz der geballten Macht von Bahnmanagern und Parteipolitkern von demselben zu fegen.

Eben daran hatte schon der Volksentscheid gekrankt – weil dem Volk in den Wahlunterlagen etliche Xe für Us vorgemacht wurden. Und selbst nach dem Baubeginn ließ sich die Bahn nie in die Karten schauen, sondern setzte das zynische Spiel mit vorsätzlichen Kostenmanipulationen und dem Beschönigen diverser Risiken beim Bau munter fort. Um so dramatischer der Offenbarungseid, dem die neuen Zahlen aus dem Bundesrechnungshof gleichkommen.

Kretschmann muss die Gunst der Stunde nutzen – gerade jetzt, wo er in Baden-Württemberg mit den Schwarzen eine absehbar mühsame Arbeitskoalition eingegangen ist. Er muss die Bahn gemeinsam mit Angela Merkel in ihrer Eigenschaft als „schwäbische Hausfrau“ endlich zur Kostenehrlichkeit zwingen. Und zu seriösen Ausstiegsszenarien als Alternative zum besinnungslosen Weiterbau, der mit zehn Milliarden auf jeden Fall teurer ist als alles andere.

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