Grundsteinlegung Stuttgart 21: Auftakt mit B-Mannschaft
Dem Projekt droht die Kostenexplosion, die die Gegner des Bahnhofsumbaus vorausgesehen hatten. Die grüne Prominenz bleibt dem Festakt fern.
Die einen haben den Umbau des Kopf- zu einem unterirdischen Durchgangsbahnhof ohnehin nie gewollt, die anderen treibt die Sorge um den Gesichtsverlust, falls ihr einstiges Herzensprojekt am Ende dank enormer Kosten doch noch scheitern sollte. Deshalb meiden prominente Vertreter von Baden-Württembergs grün geführter Landesregierung den heutigen Festakt zur Grundsteinlegung, wenn sie auch nur irgendwie können.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte schon im Juni wissen lassen, seine Teilnahme sei „nicht vorgesehen.“ Verkehrsminister Winfried Hermann und Landeshauptstadt-Oberbürgermeister Fritz Kuhn verweisen auf volle Terminkalender. Und selbst Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt – sonst ein Bahnfan – hat offenbar Wichtigeres zu tun, als in Stuttgart mit einem Silberhammer auf den Grundstein zu hauen: Er schickt seinen Staatssekretär Norbert Barthle (CDU), um zusammen mit der CDU-Landeswirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut und Bahnchef Rüdiger Grube den offiziellen Startschuss für ein Projekt zu geben, an dem eigentlich schon seit 2010 gebaut wird.
Die Grundsteinlegung mit B-Mannschaft passt gut zu einem Großvorhaben, das einmal für Modernität und Zukunftsfähigkeit stehen sollte – und von dem heute selbst Rüdiger Grube zugibt, dass man es „heute so nicht mehr planen würde“.
Befriedung durch Volksentscheid
Seit Lothar Späth und der damalige Bahnchef Dürr in den 80er Jahren angeblich bei einem Hubschrauberflug über Stuttgart das Milliardenprojekt beschlossen, hat Stuttgart 21 eine Geschichte mit vielen Tief- und wenigen Höhepunkten hinter sich. Der wütende Protest der Gegner begleitete das Vorhaben von Anfang an. Am 30. September 2010 wurden im Schlossgarten 160 Menschen bei einem rechtswidrigen Polizeieinsatz verletzt, der Rentner Dietrich Wagner verlor fast vollständig sein Augenlicht. Der grün-roten Landesregierung, die nicht zuletzt von den Stuttgart-21-Gegnern gewählt worden ist, gelingt es danach, durch einen Volksentscheid, die aufgeheizte Stimmung weitgehend zu befrieden. Doch der Widerstand bleibt.
Schon damals laufen der Bahn die Kosten davon. Die Proteste, komplizierte Genehmigungsverfahren, eine geänderte Streckenführung zum Flughafen, der Brandschutz und nicht zuletzt Eidechsen und Juchtenkäfer bringen das Projekt in Zeitverzug. 2013 äußert Bahnvorstand Grube Zweifel, dass der Bahnhof wie geplant 2021 eröffnet werden kann. Inzwischen wird bahnintern angeblich eine Verzögerung bis 2023 befürchtet.
Zeit bedeutet auf dem Bau Geld. Bei der Volksabstimmung war noch von 4,5 Milliarden Euro Gesamtkosten die Rede, 2013 hatte der Aufsichtsrat 6,5 Milliarden genehmigt. Ein Gutachten der Projektgegner belegt, dass Stuttgart 21 mindestens 10 Milliarden kosten wird.
Vorwurf der Zweckentfremdung
Genau diese Zahl soll auch ein Gutachten des Bundesrechnungshofs bestätigen, das Bundestag und Bundesregierung im September vorgelegt werden soll. Es sorgt schon im Vorfeld für Ärger. So steht der Vorwurf der Zweckentfremdung von Mitteln aus den Bundeshaushalt im Raum, die eigentlich für andere Verkehrsprojekte geplant waren. Zudem kritisiert der Rechnungshof laut Agenturmeldungen vom Donnerstag auch Minister Dobrindt wegen mangelnder Aufsicht.
Stuttgart 21 zeigt erste Auflösungserscheinungen. Bei der Bahn verlässt mit Volker Kefer einer der cleversten und engagiertesten Vorkämpfer des Projekts seinen Posten. Und bei den anderen Projektpartnern bereitet man sich schon auf den Tag vor, wenn die Bahn mehr Geld fordert. Oberbürgermeister Kuhn beschäftigt einen Juristen nur mit dem Thema Stuttgart 21. Auch mit der CDU als Koalitionspartner bekennt sich die Regierung Kretschmann zum Kostendeckel von einer Milliarde. Mehr will das Land nicht zahlen.
Den Versuch der CDU, diese Obergrenze in den Koalitionsverhandlungen aufzuweichen, hatten die Grünen abgewehrt. Man habe Thomas Strobl (CDU) kurz daran erinnern müssen, dass er jetzt die Interessen des Landes vertritt – und nicht mehr des Bundes, berichtet ein Teilnehmer.
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