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Kommentar Konflikt im KosovoEin fragiler Frieden

Erich Rathfelder
Kommentar von Erich Rathfelder

Nach der Festnahme eines serbischen Ministers spitzt sich die Situation im Kosovo zu. Jetzt muss die Europäische Union Position beziehen.

Kosovarische Polizei blockiert am 26. März 2018 eine Straße in Mitrovica Foto: ap

D er Konflikt zwischen Serben und Albanern in Kosovo beschäftigt jetzt auch die Weltpolitik. Indem die serbische Seite den russischen Präsidenten Wladimir Putin um Hilfe bat, sind auch die USA und vor allem die Europäische Union aufgerufen, Position zu beziehen.

Die Verhaftung des serbischen Ministers Marko Djuric durch die Kosovopolizei am Montag hat in wenigen Stunden eine politische Dynamik erzeugt, die deutlich macht, wie fragil der Frieden auf dem Balkan ist. Indem die serbische Seite nun die Gründung eines Gemeindeverbunds für die serbische Minderheit fordert, der mit Souveränitätsrechten ausgestattet ist, verkompliziert sie die Lage zusätzlich. Denn die albanische Seite wird dem nicht zustimmen können. Das wissen die Serben.

Will man jetzt in Serbien wirklich mit dem Kopf durch die Wand? Will man in Belgrad und Moskau zeigen, wie machtlos das in sich zerrissene und uneinige Europa der EU eigentlich ist? Der von Brüssel beförderte Verhandlungsprozess, an dessen Ende die Anerkennung der Unabhängigkeit Kosovos durch Serbien und eine weitgehende Selbstverwaltung der Kosovoserben stehen sollte, ist jedenfalls in Gefahr, ausgehebelt zu werden. Nur durch die überraschend harsche Reaktion Washingtons wurde die Position der EU noch mal gestärkt.

Wenn der Präsident der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina, Milorad Dodik, davon spricht, der Konflikt in Kosovo sei eigentlich nur eine Retourkutsche Putins für die Ausweisung russischer Diplomaten, gibt er einen Hinweis: Putin zeigt, dass er auf dem Balkan jederzeit für Spannungen sorgen kann, die in der Lage sind, die EU in Bedrängnis zu bringen und die Reaktion der Amerikaner auszutesten. Nicht nur in Kosovo, auch in Bosnien und Herzegowina. Selbst die US-freundlichen Albaner in Kosovo und in Albanien fragen, wie verlässlich die US-amerikanische Politik in Bezug auf den Balkan noch ist. Sicher sind sie sich nicht mehr.

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Erich Rathfelder
Auslandskorrespondent Balkanstaaten
Erich Rathfelder ist taz-Korrespondent in Südosteuropa, wohnt in Sarajevo und in Split. Nach dem Studium der Geschichte und Politik in München und Berlin und Forschungaufenthalten in Lateinamerika kam er 1983 als West- und Osteuroparedakteur zur taz. Ab 1991 als Kriegsreporter im ehemaligen Jugoslawien tätig, versucht er heute als Korrespondent, Publizist und Filmemacher zur Verständigung der Menschen in diesem Raum beizutragen. Letzte Bücher: Kosovo- die Geschichte eines Konflikts, Suhrkamp 2010, Bosnien im Fokus, Berlin 2010, 2014 Doku Film über die Überlebenden der KZs in Prijedor 1992.
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4 Kommentare

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  • Ich weiß garnicht, wo ich Anfangen soll. Kein Wort über das unangemessene Vorgehen der "Sicherheitskräfte", die mit Sturmgewehren vom Typ AK-47 und G36 auf Zivilisten auf Kopfhöhe zielen (den Link dazu müssen Foristen aus anderen Medien liefern). Wenn der Autor nach einer Position der EU fragt, dort ist sie. Diese "Sicherheitskräfte" werden schließlich aus EU Steuergeldern finanziert. Kein Wort zur Nichteinhaltung der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrates. Kein Wort dazu, wie Marko Djuric nach seiner Verhaftung auf den Straßen vorgeführt wurde. Stattdessen erzählt uns Herr Rathfelder, dass die Albaner der Gründung eines Gemeindeverbunds nicht zustimmen können. Wieso sie das nicht können hat er leider vergessen mitzuteilen. Zugestimmt haben sie nämlich schon längst, und zwar im Abkommen im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen 2013. Lediglich die Umsetzung dieser Resolution verweigern die Albaner, hat der Autor beim schreiben sicher nur übersehen! "Will man jetzt in Serbien wirklich mit dem Kopf durch die Wand?" fragt der Autor. Nach 5 Jahren des Wartens auf die Umsetzung des Abkommens, welches von albanischer Seite augenscheinlich nicht eingehalten wird, ist also nun ein Kopf durch die Wand. Nur weil die Serben auf Einhaltung des Abkommens drängen? Statt dessen wird die "überraschend harsche Reaktion Washingtons" noch positiv hervorgehoben. Mit dem großen Bruder im Rücken, wer muss sich da noch an Verträge und Abkommen halten, richtig? Zu guter Letzt ist wieder mal Putin an allem Schuld. Bin ich hier eigentlich bei der taz gelandet oder bei der NATO Pressestelle?

  • "Duric und Selakovic debattierten gut vier Stunden mit den albanischen Grenzsoldaten, konnten aber letzten Endes am Rundtischgespräch teilnehmen. Dabei warnte Duric, dass die Kosovo-Frage ohne die Serben – und vor allem ohne die im Kosovo und in Metochien lebenden Serben, die in den letzten 20 Jahren „so viel erleiden mussten“ – keineswegs gelöst werden könne.Darauf reagierte der Parteichef der „Serbischen Liste“, Goran Rakic, der gleichzeitig auch der Bürgermeister Mitrovicas ist. Er zeigte sich entschlossen, und verlangte, „den Verband der serbischen Munizipalitäten selbstständig zu bilden“, wenn Podgorica seine Verpflichtungen nicht erfüllen wolle. „Trotz des Drucks auf uns werden wir nicht zulassen, dass wir gespalten werden“, erklärte Rakic.

    ....

    In diesem Moment wurde aber der Raum von bewaffneten Männern in schwarzen Sturmmasken und in dunkelblauer Uniform mit der Aufschrift „ROSU“ (Regional Operational Support Unit – de facto die albanische Polizei im Nordkosovo) gestürmt. Sie warfen mehrere Blendgranaten und versprühten Tränengas. Es begann eine Schlägerei, wobei Duric verprügelt, dann in einen Wagen gesteckt und in Richtung Pristina weggeführt wurde. Ein Assistent des Ministers erlitt zwei Rippenbrüche und einen Wirbelsäulenschaden. Auch eine TV-Reporterin aus Belgrad, die die Schlägerei aufnehmen wollte, wurde verprügelt. Mehrere andere Personen kamen mit leichteren Verletzungen davon."

  • "Indem die serbische Seite nun die Gründung eines Gemeindeverbunds für die serbische Minderheit fordert, der mit Souveränitätsrechten ausgestattet ist, verkompliziert sie die Lage zusätzlich. Denn die albanische Seite wird dem nicht zustimmen können."

     

    Wieso nicht ? Ich dachte, das sei mit der EU 2013 so ausgehandelt worden.

    //taz.de/Konflikt-im-Kosovo/!5494867/