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Kommentar Kölner WahlskandalStadt im Niedergang

Kommentar von Martin Reeh

Köln hat eine lange Klüngel-Tradition, NRW eine lange Geschichte des SPD-Filzes. Der Wahlskandal nun kostet Rot-Grün die Mehrheit im Stadtrat.

Mitglieder des Wahlausschusses zählen die Stimmzettel des Wahlbezirkes Rodenkirchen neu aus. Bild: dpa

A uf den ersten Blick kann man den Skandal rund um die Neuauszählung der Stimmen in Köln-Rodenkirchen für eine Lokalposse halten. Sie ist es aber nicht. Die Domstadt hat eine lange Klüngel-Tradition, Nordrhein-Westfalen eine lange Geschichte des SPD-Filzes. Aber am Heiligsten der Demokratie, den Wahlen, hat sich vor Rodenkirchen noch niemand zu vergreifen versucht.

Die Kölner SPD verweigerte monatelang eine Neuauszählung und wurde dabei vom Düsseldorfer Innenministerium unterstützt, obwohl offensichtlich war, dass Wahlhelfer die Stapel der SPD- und CDU-Stimmen verwechselt haben mussten: Zustände, die man bisher in den USA für möglich gehalten hätte, nicht aber in Deutschland. Jetzt brachten die Sozialdemokraten nicht einmal eine Entschuldigung zustande, nur eine verquaste Erklärung.

Köln befindet sich seit Langem auf dem absteigenden Ast. Was die Stadt auch überregional interessant gemacht hat, die innovative Musikszene etwa, ist längst nach Berlin abgewandert. Geblieben ist die Provinzliebe zum FC und zum Karneval. Die Stadt müsste sich neu erfinden, kann es aber nicht, weil ihre politische Führung im Klüngel feststeckt. Die jetzige SPD-Spitze stieg in der Partei auf, als um die Jahrtausendwende die damalige Führung von Affären dahingerafft wurde. 2009 nahm CDU-OB Fritz Schramma nach dem Einsturz des Stadtarchivs den Hut. Jetzt also der Wahlskandal von Rodenkirchen, der Rot-Grün die Mehrheit im Rat kostet.

Die Linken, die sich ebenfalls gegen eine Neuauszählung ausgesprochen hatten, fordern nun die Bildung einer „progressiven, linken Mehrheit im Rat“ unter Einschluss von Piraten und ihnen selbst. Aber ein Bündnis von Parteien, die nach Wahlen keinen Wert auf das richtige Ergebnis legen, kann niemals progressiv sein.

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Von 2018 bis 2020 taz-Parlamentskorrespondent. Zuvor von 2013 bis 2018 Leiter der taz-Inlandsredaktion, von 2012 bis 2013 Redakteur im Meinungsressort. Studierte Politikwissenschaft in Berlin, danach Arbeit als freier Journalist für Zeitungen, Fachzeitschriften und Runkfunkanstalten, Pressesprecher eines Unternehmensverbands der Solarindustrie und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik.
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9 Kommentare

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  • Hallo Vorkommentatoren,

     

    im Artikel geht es nicht um Berlin und auch nicht um ein - nicht genanntes! - Fehlverhalten von Wahlhelfern, sondern um das Machterhaltungsstreben von Kölner SPD, Grünen und Linken, die eine Aufklärung des Fehlers mit aller Kraft zu verhindern versuchten.

    Es ist unverständlich, dass bei derart unmoralischem Verhalten der Kölner Politprominenz niemand Konsequenzen fordert.

    Na ja, wie heißt es jetzt so schön: Jochen Ott – ein Mann, auf den man zählen kann.

    • @Chutriella:

      Hallo Nachkommentatorin,

       

      jetzt sein Sie mal nicht so weltläufig-sachlich und machen Sie sich vielmehr das wahre Ausmaß der Unverschämtheit dieses Kommentars klar: Der Herr Reeh hat behauptet, dass Köln auf dem absteigenden Ast und ohne nennenswerte Hoffnung für die Zukunft (außer dass Poldi vor dem Rentenalter nochmal zum FC wechseln könnte) sei, also nicht die schönste, beste, interessanteste Stadt der Welt.

       

      Das ist zwar eigentlich zu absurd, um es zu kommentieren, aber leider kann man das nicht so einfach stehen lassen. Stellen Sie sich vor, so ein Frevel - von einem Berliner auch noch - bleibt unwidersprochen, ein Düsseldorfer bekommt es mit und macht sich darüber öffentlich lustig! Das wäre wie wenn sie in den Stimmungskneipen auf der Bolker Straße "Viva Colonia!" spielen würden. Eine bodenlose Schmach. DA muss eingeschritten werden.

       

      Die Blamage um die Abstimmung in Rodenkirchen hingegen schmiert man den Beteiligten einfach noch ein paar Jahre fröhlich bei einem Kölsch auf den Halven Hahn und lacht drüber. Es ist eh alles eine Soße: Die Skatbrüder von der CDU hätten im Zweifel auch "Was liegt, das liegt!" getönt und versucht, so ein Problem auszusitzen.

       

      Also warum aufregen und am Ende noch in diese typisch berlinerisch-hektischen Rücktrittsforderungen ausbrechen? Wen will man denn noch mit so einem herrlichen Fauxpas aufziehen, wenn die alle immer gleich weg vom Fenster sind?

  • "Köln im Abwind" - ausgerechnet gegenüber Balin?!

    Geht´s noch?

    & alles Hochgerechnet aus einer erfolgreichen Wahlanfechtung.

    Ja da lacht aber der Kleingärtner;

    Etwas seriöser könnt´s schon sein - der Herr - Reeh.

     

    Start: Eherner Grundsatz - bloß die Urnen geschlossen lassen!

    Galt mir - wie den Kollegen in einer Vielzahl von Wahlanfechtungsverfahren* - ja.

    Aber anders - wenn sachliche Zweifel bestehen,

    die geeignet sind - das Wahlergebnis zu beeinflussen! Dann ja.

    Deswegen der Vorstoß der Grünen hirnrissig -

    Da Unregelmäßigkeiten in Hodenkirchen nix mit dem

    Wahlergebnis in Ihrrenfeld zu donn han künne.

    Ansonsten - siehe VG Köln.

     

    Un eh nochens - Abwanderung von Musikern, Herr Reeh -

    Mit dem UraltOB Conny Adenauer:

    "Da wissen Se mehr wie ich - junger Mann!"

     

    kurz - all lang nicht mehr auf Höhe des Balles!

    Das Ein-Weg-Ticket baliner Prägung in Kombi mit

    - "Mauergrips im Plastikbeutel" - Wolfgang Neuss -

    dörflichprovinzieller Krämermentalität a closed shop

    hat solche - Ihre Blütenträume, wa -

    aber sowat von längst verwelkt-retourniert.

     

    Im Klartext - gerne wurde/wird eine Einladung via

    Loft/Stadtgarten etc angenommen - nur am Erwidern hapert´s! - derbe!

    ("Nee - in echt du - eijentlich ja gerne - aber weeste - da spielt ja immer der

    Egon von den . . .dit kann ich nüsch machen - vasteehste!"`- "NÖ!")

    Da schmort man denn doch lieber in der Baliner Molle;

    Farbe - PEPITAGRAU.

    kurz - Träumen Se weiter.

     

    ps:* Die Stadt verfügt über eine Vielzahl von wahlrelevanten Institutionen:

    LVR - WDR -et al ;) Dinger gibts da - die jibbet jar nich;)

    Balin - kann da aber bekanntlich - schon vajessen, wa! - mehr als dufte mitreden.

  • "Köln befindet sich seit Langem auf dem absteigenden Ast."

     

    Na, mach dir mal keine Sorgen. Et läuft.

    Ich glaub eher die Berliner haben ein vollkommen irreales Bild von ihrer Stadt. Die sehen sich immer in einer Linie mit London und New York. Dabei interessiert sich im Ausland kaum einer für Berlin. Wieso auch? Da gibt's doch nichts zu sehen.

    • @Sinan A.:

      Mehr Pauschalisierungen bitte!

       

      "die Berliner glauben"...

      "Die sehen sich immer..."

      "Da gibt's doch nichts zu sehen"

       

      Irgendwas stimmt mit Deiner "Denkweise" nicht ^^

      • @bonus bonus:

        Zumindest halte ich, als jemand, der einige Jahrzehnte in Düsseldorf gearbeitet hat, es aber eine unverschämte Arroganz der Berliner, das Köln-Bashing hier einfach an sich zu reißen..

  • Dass die Kölner Lokalpolitik ein unangenehmer Morast ist, kann man nicht als Entwicklung der letzten paar Jahre bezeichnen. Auch die Beschränkung der Lebensfähigkeit Kölns auf die abgewanderte Musikszene scheint mir eher wohlfeilem Hauptstadtsnobismus geschuldet zu sein als der Realität zu entsprechen.

     

    Aber vor allem:

    Köln hat seine Lokalpolitiker noch nie gebraucht, um sich immer mal wieder ein wenig neu zu erfinden. Und mehr war auch selten nötig. Denn die Liebe zu FC, Karneval und noch so einigem anderen mehr, diese fröhliche, unbeschwerte Provinzialität, war schon immer der Kern dessen, was diese Stadt quirlig und lebenswert gemacht hat. Solange es das noch gibt und die Kölner immer noch mehr Wert darauf legen, mit ihrem Sitznachbarn - wer er auch sei - nett ein Kölsch trinken als globale Bedeutung beanspruchen zu können (dafür ist der Dom zuständig), wird Köln auch seinen Reiz für unkonventionelle Menschen behalten.

    • @Normalo:

      "…die Kölner immer noch mehr Wert darauf legen, mit ihrem Sitznachbarn - wer er auch sei - nett ein Kölsch trinken als globale Bedeutung beanspruchen zu können…"

       

      "Stell dich durchgegeelt ala KTG im Boss-Anzug mit Rolex

      annen Alttrreesen -

      alles am Beeindruckt …am Gucken ¿!!

       

      In Köln dauert dat keine fünf Minuten -

      Da zuppt dich een am Jacket - unne säht:

      " Eiii - da hätt dich de Mudder aber als wigger fei praat jemaaht! -

      Wer bist dann Du denn?"

       

      Davon - könnt ihr - auch in Balin -

      Nur Träumen!

  • was für ein verwirrter Artikel :)