Kommentar Koalitionsausschuss: Keine Bilder, keine Erklärungen
Die Spannungen in der Großen Koalition nehmen zu. Das zeigt die Sprachlosigkeit nach dem Treffen des Koalitionsausschusses.
K eine Erklärung, kein Interview. Limousinen verschwinden in der Nacht. Die Koalitionsparteien hüllen sich in Schweigen. Das ist geschickt. Denn in der Frage der Grundrente wäre mehr als „We agree to disagree“ nicht zu erfahren gewesen. CSU-Chef Söder nannte die vernünftigen SPD-Ideen, den Sozialstaat zu renovieren, vor der Koalitionsrunde „toxisch“. Toxisch – das war nur diese Bemerkung selbst. Sie lässt ahnen, was passiert, wenn es in der Koalition richtig kracht.
Die tektonische Spannung in der Großen Koalition nimmt zu: Die SPD will sozialpolitisch nach links, die Union migrationspolitisch nach rechts. Das ist gut für die Demokratie. Die Ära Merkel, mit der CDU als Staubsauger in der Mitte, geht zu Ende. Wenn nun unterscheidbare Volksparteien zurückkehren, die nicht bloß wie zwei Flügel einer Staatspartei wirken, dann ist das ein Segen.
Allerdings nicht für diese Regierung. Denn Union und SPD können nicht bloß unverbindlich die Hoffnung schüren, den Herbst 2015 beziehungsweise die Agenda 2010 zu überwinden: Sie müssen als Regierungspartei auch, um den Preis der Glaubwürdigkeit, irgendetwas liefern. Also ein Deal? Eine scharfe, noch härtere Abschottungspolitik für die Union gegen Grundrente, ein entschärftes Hartz IV und das verlängerte Arbeitslosengeld für die SPD?
Das ist unwahrscheinlich. Denn es wäre, vor allem, aber nicht nur für die SPD, ein vergifteter Erfolg mit einem zu hohen Preis. Auch die Union will in der Wirtschaft- und Sozialpolitik eher weg von dem Merkelschen Kompromisskurs. Der Neoliberale Friedrich Merz ist ja nur ganz knapp nicht CDU-Chef geworden. Diesen allzu bauernschlau wirkenden Deal wird es daher nicht geben. Er wäre für beide Seiten eher ein Verlust denn ein Gewinn an Glaubwürdigkeit.
Deshalb kann man sich an diese Bilder schon mal gewöhnen: Keine Erklärung, kein Interview. Limousinen verschwinden in der Nacht. Die Bindungskräfte schwinden. Die Risse sind sichtbar.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“