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Kommentar Zustand der GrokoDer andere spuckt drauf

Anja Maier
Kommentar von Anja Maier

Statt zu regieren, verschanzen sich die SPD und die CDU hinter ihren ideologischen Linien. Es geht nur nur noch darum, wer das Sagen hat.

Hauptsache die eigene Partei kann sich profilieren Foto: dpa

A lle zusammen und jeder für sich – so lautet das aktuelle Motto der Großen Koalition. Anlässlich der endlosen sozialpolitischen Debatten, die CDU, CSU und SPD führen, wird es zusehends schwieriger, zwischen Abgrenzung und Feindseligkeit zu unterscheiden.

Man ist verdammt, gemeinsam zu regieren. Aber wie – diese Frage wird zusehends drängender. Die Regierungsparteien verschanzen sich lieber hinter ihren ideologischen Linien und feilen noch ein bisschen an ihrem jeweiligen Markenkern. Gerade haben die – nun auch schon seit fünfeinhalb Jahren regierenden – Sozialdemokraten ihr Sozialstaatskonzept präsentiert.

Vereint sind SPD und Union einzig in der Überzeugung, dass es bei der Wählerschaft nicht gut ankommt, wenn die Kassen mit den Steuermilliarden üppig gefüllt sind, aber „die Fleißigen“ nichts davon abbekommen. Da endet die Einigkeit aber auch schon. Denn was immer die eine Koalitionspartnerin vorschlägt, eines ist sicher: Die andere spuckt drauf.

Noch vor vier Wochen präsentiert die CDU bei ihrer Vorstandsklausur die Grundrente. Zehn Prozent über der Grundsicherung schlägt Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer vor, das schulde man der „Lebensleistung“ vor allem der Ostdeutschen. Aber pünktlich nachdem SPD-Arbeitsminister Hubertus Heil die Grundrente für Geringverdiener ins Spiel bringt, dreht die Union frei. Die Sozialdemokraten wollten die Marktwirtschaft beerdigen. Das ebenfalls von der SPD diskutierte Bürgergeld statt Hartz IV wird als „strammer Linkskurs“ diffamiert.

Dieses Hickhack ignoriert die Erwartungen der WählerInnen an ihre PolitikerInnen. Armutsrenten sind tägliche Realität. Kinder aus Hartz-IV-Familien bleiben arm. Niedriglöhner können nicht von ihrer Arbeit leben. Aber die Groko diskutiert lieber zum hundertsten Mal, wer das Sagen hat. Statt zu entscheiden, überziehen ihre VertreterInnen einander lieber mit Unterstellungen. Das ödet nicht nur an, es widert auch zusehends an.

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Anja Maier
Korrespondentin Parlamentsbüro
1965, ist taz-Parlamentsredakteurin. Sie berichtet vor allem über die Unionsparteien und die Bundeskanzlerin.
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10 Kommentare

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  • 9G
    91672 (Profil gelöscht)

    Bald haben wir Frühling. Und da sprießen eben die Ideen und müssen raus aus der Deckung. Besser ist es allemal, als die schon so oft erlebte Lähmung, wo der Wagen keinen Millimeter mehr fährt. Wenn man Flintenuschis unsinnigen Zusatz-Etat verwendet, dann reicht es auch für eine Menge guter Taten.



    Und wenn die SPD in ihren letzten Zuckungen sich an ihre gute Zeit erinnert und mit einem letzten Aufbäumen noch mal was fürs Volk hinkriegt, dann sollten wir das dankend als Abschiedsgeschenk annehmen.

  • 7G
    70023 (Profil gelöscht)

    In reichen Deutschland sieht die Realität ganz anderes aus. Unsere Politiker haben nicht verstanden, dass die Wirtschaft für den Menschen da ist nicht umgekehrt.



    Es ist auch sehr gefährliche Spielerei, was die Politiker machen. Der Sohn von einem Bekannter ist 19 Jahre alt. Die Eltern sind geschieden. Der Vater hat durch Diabetik beide Beine verloren. Er bekommt sehr niedriger Rente als Freiberufler. Der Sohn möchte gerne studieren, nach Abi hat er einen Job angenommen, dadurch wollte er sein Studium finanzieren aber was sagt der reicher (angeblich) sozialer deutscher Staat zu ihm. Dein Vater hat kein Recht auf Hartz IV, weil du arbeitest. Du verdienst und du bist verpflichtet für deinen Vater aufzukommen. Er ist mit 19 Jahren bestraft in dem alte wie der in Armut zu leben. Wie der Basta Schröder bzw. Unsoziale SPD gedacht hat, stimmt es vorne und hinten nicht. Wie soll er mit 1500 € Einkommen soll er sein für sein Vater aufkommen und davon aktuell Lebensunterhalt und dazu noch Altersrente finanzieren. Das ist mir schleierhaft. Wenn er sagt ich pfeife auf demokratische Deutschland und was ist dann. Was alles passieren kann, will ich noch nicht mal ausmalen.



    Daher brauchen wir weder CDU noch gar nicht die SPD. Weg mit den Ausbeutern.

    • @70023 (Profil gelöscht):

      Ja, das ist gelebtes Hartz IV!

      (Erwachsene) Kinder mit eigenem Einkommen "dürfen" zuhause nicht wohnen bleiben, sonst bekommen die Eltern, die mit ALG II auftsocken, vom Jobcenter nichts mehr (oder weniger).

      Ziehen die jungen, erwachsenen Kinder hingegen mit ihrem selbst verdienten Geld aus, wird das Elternteil wieder staatlich unterstützt.

      Blöd nur, dass in diesem Fall der Sohn den Vater dann im Alltag (ohne Beine und mit Diabetes) nicht unterstützen kann, was er vielleicht sonst täte, und dass die Mietkosten insgesamt für beide wohl steigen mit zwei Wohnungen.

      Tipp: Trotzdem ausziehen aus der elterlichen Wohnung und studieren! (Anders geht es derzeit nicht). Oder sich in einer anderen Wohnung offiziell anmelden (event. bei der Mutter?!), dann gehört der Sohn auch nicht zur Bedarfsgemeinschaft des Vaters. Er besucht ihn quasi nur.

  • Was bei der SPD jetzt los ist, wissen wir doch alle. Es sehen die Europawahlen und Wahlen in Ostdeutschland an. Für die SPD ist jetzt wieder „links leuchten Time“ um nach der Wahl erneut zum zigsten mal, volle Kanne rechts zu fahren.

    Scholz, Gabriel, Nahles und Hubertus Heil und viele mehr, haben doch unbestritten die asoziale schröderianischen Agenda Gesetze verteidigt. Hartz IV war bei diesen Leuten schön und fantastisch.



    Erst vorein paar Wochen verteidigte SPD Minister Hubertus Heil die brutalen Hartz IV Sanktionen vor dem Bundesverfassungsgericht als „richtig und wichtig“. Dieser gleiche Hubertus Heil (SPD) setzte sich noch letztes Jahr dafür ein, dass Familien mit Hartz IV das bayrische Familiengeld von mtl. 250,-- Euronen per Anordnung von ihrem Hartz IV abgezogen wird. Und dieser SPD Minister Hubertus Heil will Kinderarmut bekämpfen?



    Diese SPD Protagonisten können Freibier für alle Bundesbürger ausschreiben, nur es glaubt ihnen keiner mehr was. Zu oft und zu lange haben sie die Bürger getäuscht.

    • 7G
      76530 (Profil gelöscht)
      @Nico Frank:

      Mit Freibier haben Sie's offenbar. War da vor Monaten nicht mal eine Ankündigung in dieser Richtung von Ihnen für München???

    • 9G
      91672 (Profil gelöscht)
      @Nico Frank:

      Die SPD hat schon was Tragisches an sich. Dabei hätte sie gerade den wirklich guten Denker Kevin Kühnert in ihren Reihen. Aber offenbar, wie das Beispiel Lafontaine zeigt, macht die SPD um solche Leute immer einen großen Bogen, als hätte sie Angst vor guten Leuten. Jetzt, 15 Jahre später findet sie plötzlich, wie Lafontaine schon damals, daß Hartz 4 nicht mehr gut ist und ruft nach einer Reichensteuer, einem höheren Mindestlohn, einer Rentenreform usw.. Eine fertige linke Partei mit all diesen Ideen gäbe es bereits als Koalitionspartner und die Grünen würden auch relativ gut dazupassen.



      Selbst für die Psychiatrie ein fast aussichtloser Fall von Selbstzerstörung.

  • Sehr richtig. Dennoch eine Kleinigkeit zusätzlich: Es geht nicht nur darum wer das Sagen hat!

    Es geht vielmehr darum, wer den anderen wie herabargumentiert und sich selbst hochargumentiert in der persönlichen Emotion. Emotionen zu behaupten als Tatsache ist für mich derzeit das Hauptproblem: Respekt, Lebensleistung, die Fleißigen.......welche physikalische oder wirtschaftliche Einheit soll denn hinter diesen Worthülsen stehen?

    Um echte Inhalte für die Betroffenen geht es nur am Rande, bzw.ist man sich sogar teilweise einig...wäre aber ein (politischer) Fehler das festzustellen. Im Dissens werden Wahlen gewonnen. Trump hats vorgemacht.

  • Habe nicht etwa die gleichen Personen bei der SPD vor etwa einem Jahr den Koalitionsvertrag mit der Union abgeschlossen?

    Ich glaube auch nicht,dass die SPD an der Realisierbarkeit ihrer, zugegebenermaßen eher kosmetischer, Vorschläge besonders interessiert ist. Das Ganze soll vor den anstehenden Wahlen bisschen parteipolitisches Leben ("endlich streiten die wieder!") in die Bude bringen und auf der Seite der Sozialdemokraten bisschen Makeup auf die Leiche des Teilhabe-Sozialstaates, den sie selber umgebracht haben...

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Also die Erwartungen der WählerInnen sind mir seit langem ein Geheimnis. Deswegen können diese ganzen Grokos auch in ihrem Märchenschloss vor sich hinregieren. Solange Deutschland den Superstar sucht, Heidi Klump das neue Topmodell, der Star geschlagen wird, die Sportschau pünktlich mit Biathlon anfängt und im Kochduell Tüll & Tränen die Oberhand gewinnen - was sind da schon arme Kinder, vor sich hin vegetierende AltenheimbewohnerInnen, keine Arztversorgung für Kassenpatienten, schleppender Netzausbau oder versiebte Klimaziele, z. B. durch verdreckte Dieselfahrzeuge? Alles Pippifax! Hätten wir nicht den Seehofi und den Scheuer, wüssen wir noch nicht einmal, dass sich Teile der Regierung wie ein Kasperlteather aufführen. Jo!

  • Es geht nur noch darum ,wer das Sagen hat? Echt?



    Die Frage ist doch mehr als klar in dieser Koalition.



    Und wem das nicht klar ist, der sollte beobachten, welche der Maßnahmen aus dem wochenendlichen "Aktionsprogramm" der SPD plus Respektrente wirklich zum Tragen kommen werden.