Kommentar Klimaprotest „Ende Gelände“: Die Politik braucht den Druck
Die Proteste im rheinischen Revier waren ein wichtiges Signal. Sie erinnern im Wahlkampf daran, dass der Ausstieg auf die Tagesordnung gehört.
D ie Rekordzahlen vom letzten Jahr haben die Anti-Kohle-AktivistInnen am Wochenende nicht überbieten können. Und der Plan, die Kohlekraftwerke im Rheinland durch Blockaden zum Abschalten zu zwingen, ist auch nicht aufgegangen. Trotzdem waren die Proteste ein wichtiges Signal. Denn sie erinnern daran, dass es beim Kohleausstieg bisher kaum Fortschritte gibt.
Dabei sind die riesigen Braun- und Steinkohlemeiler Deutschlands größtes Klimaproblem. Obwohl immer mehr erneuerbarer Strom im Netz ist und die Kohlekraftwerke immer weniger gebraucht werden, laufen sie fast unvermindert weiter und steigern die deutschen Stromexporte in immer neue Höhen. Die Klimaschutzziele, zu denen sich Deutschland international verpflichtet hat, lassen sich nur erreichen, wenn ein Teil der Kohlekraftwerke sofort stillgelegt wird und die meisten anderen bis zum Jahr 2030.
Das ist allen im Bundestag vertretenen Parteien völlig klar. Trotzdem gibt es beim Thema Kohleausstieg allgemein eine große Zurückhaltung. Selbst bei den Grünen musste die Basis ein festes Ausstiegsdatum gegen die Parteispitze durchsetzen, die Angst vor schwierigen Koalitionsverhandlungen hat. Die Führung der Linkspartei musste ein Machtwort gegen ihre Kohlefreunde in Brandenburg sprechen. Und Union und SPD vermeiden das drängende Kohle-Thema im Wahlkampf fast völlig.
Sie alle fürchten den Streit mit den Kohlekumpeln, die sich um ihre Zukunft sorgen, und den mächtigen Gewerkschaften, die deren Interessen vertreten. Doch den meisten Betroffenen ist längst klar, dass die dreckige Kohle keine langfristige Perspektive hat. Was sie brauchen, sind Perspektiven für die Zeit nach der Kohle und eine soziale Absicherung auf dem Weg dorthin.
Das Problem ist lösbar, wenn die Politik es wirklich will – und bereit ist, das nötige Geld zur Verfügung zu stellen, um den Prozess im Konsens zu gestalten. Egal, wer ab September regiert: Nach der Wahl muss die Bundesregierung den Ausstieg endlich angehen.
Doch das wird nur geschehen, wenn genug Menschen immer wieder darauf hinweisen, wie dramatisch das Problem ist, um das es geht. Mit Blockaden wie am Wochenende im Rheinland werden sie die Kraftwerke nicht direkt stilllegen – indirekt aber hoffentlich schon.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen