Kommentar Klage der Atomkonzerne: Kein Anspruch auf Geschenke
Die Energiekonzerne fordern zu Unrecht Schadenersatz. Schließlich haben sie dem Atomausstieg ausdrücklich zugestimmt.
M an muss kein Atomkraftgegner sein, um sich über die Klagen der Energiekonzerne gegen den Atomausstieg zu ärgern. Erst Milliarden mit der Atomkraft verdienen, dann zu wenig Geld für die Entsorgung des Atommülls haben und gleichzeitig noch Schadenersatz vom Steuerzahler für den demokratisch beschlossenen Ausstieg haben wollen – das erscheint schon dreist.
Doch diese Argumentation geht am Kern des Streits vorbei. Natürlich haben die Unternehmen das Recht – und um ihrer Aktionäre willen vermutlich sogar die Pflicht –, vor Gericht überprüfen zu lassen, ob ihnen für das staatlich verordnete Abschalten ihrer Reaktoren eine Entschädigung zusteht. Doch besonders große Hoffnung auf Erfolg sollten sie sich nicht machen.
Denn selbst eingefleischte Befürworter der Atomenergie tun sich schwer, eine Begründung für den geforderten Schadenersatz zu liefern – einfach deshalb, weil es keinen Schaden gibt. Schließlich haben Unternehmen im Jahr 2002 einem Atomausstieg nach 32 Betriebsjahren ausdrücklich zugestimmt – ohne Entschädigung, weil sich die Kraftwerke in diesem Zeitraum locker amortisiert haben.
Diese Vereinbarung hat die schwarz-gelbe Regierung zwar im Jahr 2010 wieder rückgängig gemacht und die Laufzeiten verlängert, doch schon wenige Monate später schwenkte sie unter dem Eindruck der Fukushima-Katastrophe um und beschloss erneut einen Ausstieg.
Schadenersatz kann schon allein deshalb nicht fällig sein, weil die Unternehmen gar nicht genug Zeit hatten, im Vertrauen auf die Laufzeitverlängerung viel Geld in ihre Kraftwerke zu investieren. Was bleibt, ist allein die Tatsache, dass die Regierung den Unternehmen Hoffnung auf zusätzliche Milliardengewinne gemacht hat, die dann durch den erneuten Kurswechsel nicht zustande kamen.
Doch auch Eon, RWE und Vattenfall sollten wissen, dass es auf Wahlgeschenke keinen Rechtsanspruch gibt.
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