Kommentar Kirchliches Arbeitsrecht: Nicht jenseits des Gesetzes
Die Kirche darf von ihren Beschäftigten keine Loyalität einfordern. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts schränkt die kirchliche Macht nicht wirklich ein.
D er Prozess hat rund zehn Jahre gedauert. Deshalb ist das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) aber noch lange kein Grundsatzurteil. Dass ein katholischer Chefarzt, der ein zweites Mal geheiratet hat, nicht gekündigt werden durfte, weist das kirchliche Arbeitsrecht nicht generell in die Schranken. Hier ging es vielmehr nur um seine konkrete Tätigkeit. Und es ging um ein Krankenhaus, an dem katholische ÄrztInnen anders behandelt wurden als evangelische oder konfessionslose KollegInnen.
Das eigentliche Grundsatzurteil ist schon im vergangenen September beim Europäischen Gerichtshof gefallen. Der hat das EU-Antidiskriminierungsrecht so ausgelegt, dass Kirchen von ihren katholischen Beschäftigten nur dann spezielle private Loyalitätsverpflichtungen verlangen dürfen, wenn dies für die konkrete Tätigkeit „wesentlich“ ist. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Vorgabe nun lediglich auf einen konkreten Fall angewandt.
Was für MitarbeiterInnen katholischer Kindergärten und Eheberatungsstellen gilt, muss in neuen Fällen erst noch entschieden werden. Praktisch relevant sind vor allem zwei Vorgaben der katholischen Kirche: das Verbot einer erneuten Heirat nach einer Scheidung und das Verbot einer homosexuellen Ehe.
Die neue Rechtsprechung ist aber nicht nur für alte Fälle von Belang. Zwar hat die katholische Kirche ihre „Grundordnung“ für kirchliche Arbeitsverhältnisse 2015 reformiert. Heute kommt es darauf an, ob die Wiederheirat geeignet ist, ein „erhebliches Ärgernis“ zu erzeugen. Wer sich nicht exponiert, hat also in der Regel nichts mehr zu befürchten. Völlig verschwunden ist der Konflikt aber nicht. Beschäftigte, die anders leben wollen, als es den Kirchenoberen gefällt, leben immer noch in Unsicherheit, müssen sich verstecken.
Im Konfliktfall können Arbeitsgerichte künftig helfen – wenn es der Kirche nicht gelingt zu zeigen, warum konkrete Anforderungen für einen konkreten Beruf erforderlich sind. Die Kirche ist damit immer noch ein besonderer Arbeitgeber, aber sie steht endlich nicht mehr über dem Gesetz. Diese Entwicklung ist auch nicht mehr aufzuhalten. Auch die Kirchenmitgliedschaft kann von kirchlich Beschäftigten nur noch verlangt werden, wenn sie für einen bestimmten Posten „erforderlich“ ist, so jüngst der EuGH. Die Kirche muss lernen zu argumentieren. Die Berufung auf Gott reicht nicht mehr aus.
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