Kommentar Irans Urananreicherung: Warnung an Europa
Iran setzt darauf, dass Europa den Atomdeal um jeden Preis erhalten will. Dabei wäre Teheran gut beraten, die aggressive Rhetorik zurückzufahren.
D ie Eskalation kommt schneller als erwartet. Während Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu in Berlin, Paris und London für neue Sanktionen gegen den Iran wirbt, demonstriert Teheran, was es bedeutet, wenn das internationale Atomabkommen nicht mehr gilt: Revolutionsführer Ajatollah Ali Chamenei hat angekündigt, dass sein Land die Urananreicherung nun wieder hochfahren werde. Die israelische Reaktion folgte umgehend: der Geheimdienstchef drohte mit einem Angriff.
Natürlich ist auch Säbelrasseln im Spiel. Der Iran schickt eine klare Warnung an Europa: Lassen sie sich auf Netanjahus Forderungen ein und gelingt es ihnen nicht bald, das Atomabkommen auch ohne die Amerikaner zu erhalten – und zwar so, dass es sich für den Iran lohnt –, dann gehören die Einschränkungen der Vergangenheit an.
Iran setzt darauf, dass Europa das Atomabkommen um beinahe jeden Preis erhalten will. Es gilt als Meisterstück europäischer Vermittlung und als Beweis dafür, dass die Diplomatie doch noch Konflikte entschärfen kann. Doch auch großer politischer Wille kann nicht verhindern, dass Unternehmen sich aus dem Irangeschäft zurückziehen – zuletzt am Montag der französische Autohersteller Peugeot.
Doch der Iran pokert hoch. Auch in der Vergangenheit hat Israel schon oft mit Angriff gedroht. Doch noch nie hat es eine so breite Front gegen die Islamische Republik gegeben. Nicht nur die USA würden im Kriegsfall die Regierung Netanjahu unterstützen. Auch viele sunnitische Staaten, allen voran die Führungsmacht Saudi-Arabien, würden mehr als nur heimlich Beifall klatschen und ganz sicher Überflugrechte gewähren. Der Krieg zwischen Sunniten und Schiiten, der den Nahen Osten auseinanderreißt, hat alles verändert.
Teheran wäre deshalb gut beraten, seine aggressive und antisemitische Rhetorik zurückzufahren – schon aus eigenem Interesse. Die Gefahr, tatsächlich angegriffen zu werden, war noch nie so groß wie im Augenblick.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Waffen für die Ukraine
Bidens Taktik, Scholz’ Chance
Unterwanderung der Bauernproteste
Alles, was rechts ist