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Kommentar Investitionsschutz in EuropaDreistes Manöver der Regierung

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Deutschland setzt sich für Sonderrechte von Investoren aus den EU-Staaten ein – obwohl man so etwas offiziell für völlig überflüssig hält.

Setzt sich immer noch für Sonderrechte von Investoren ein: Sigmar Gabriel inmitten von TTIP-Gegnern Foto: dpa

D amit hat niemand gerechnet: Die Bundesregierung und vier andere EU-Regierungen wollen, dass europäische Investoren in anderen EU-Staaten einen besonderen Investitionsschutz erhalten. Das wurde jetzt von Aktivisten enthüllt.

Überraschend ist die Initiative der Bundesregierung deshalb, weil sie immer betont hat, dass in demokratischen Rechtsstaaten Sonderrechte für Investoren eigentlich überflüssig seien. Über Investitionsschutz beim geplanten TTIP-Abkommen mit den USA werde nur deshalb verhandelt, weil die EU-Kommission und andere EU-Staaten Wert auf diesen Investitionsschutz legen.

Hat sich diese Haltung inzwischen geändert? Offiziell nicht. Auf der Webseite des Bundeswirtschaftsministeriums heißt es immer noch: „Die Bundesregierung ist der Ansicht, dass spezielle Investitionsschutzvorschriften in einem Abkommen zwischen der EU und den USA sowie mit anderen Ländern mit belastbarer Rechtsordnung nicht erforderlich sind, da beide Partner hinreichenden Rechtsschutz vor nationalen Gerichten gewähren.“

Ist die Rechtsordnung der anderen EU-Staaten also weniger belastbar als die der USA? Das wird die Bundesregierung wohl kaum behaupten wollen. Wahrscheinlicher ist: Die Bundesregierung macht sich intern für eine Position stark, die der eigenen offiziellen Verlautbarung diametral widerspricht. Und was bisher nur für kanadische und US-Unternehmen diskutiert wurde, soll nun sogar auf Unternehmen aus allen EU-Staaten ausgeweitet werden. Kaum notwendig zu sagen, dass das für die Bundesregierung ein gewaltiges Glaubwürdigkeitsproblem erzeugt.

Besonderes peinlich dürfte das aber für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sein. Er ist immerhin in Deutschland für das Thema zuständig und steht als TTIP-Befürworter unter massivem Druck der TTIP-kritischen SPD-Basis. Nun bedient er mal wieder alle Klischees, dass er sprunghaft und unzuverlässig sei.

Aber auch TTIP-Befürworter werden sich an den Kopf fassen. Wie kann man in einer Situation, in der die Stimmung gegen TTIP längst gekippt ist, heimlich eine Ausweitung der Sonderrechte für Investoren auf ganz Europa vorantreiben? So wenig politisches Gespür hätten ihm wohl nicht einmal seine Gegner unterstellt.

Über den Vorschlag selbst muss man wohl nicht mehr viel diskutieren. Bei der derzeitigen Stimmungslage wird wohl eher Sigmar Gabriel Kanzler, als dass er sich mit diesem Vorschlag in Europa durchsetzen kann.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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20 Kommentare

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  • Da wundert sich jemand noch über den Wahlerfolg der AfD?

    Alle die sich mit der Linken nicht identifizieren können und denen die Grünen zu links oder zu angepasst sind, werden damit der AfD in die Arme getrieben.

    Wir brauchen eine neue Partei, die inhaltlich sozialdemokratisch positioniert ist aber im Gegensatz zu Gabriel und Merkel nicht korrupt ist. Das würde der AfD den Wind aus den Segeln nehmen.

    • 1G
      1714 (Profil gelöscht)
      @Velofisch:

      Was träumen Sie des nachts??

  • GS hat den Niedergang der SPD eingeläutet - und SG führt's zu Ende.

  • Sieh mal an. Für Lobbyisten ist die Bundesregierung bereit, TTIP und CETA etwas entgegenzusetzen.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Gabriel ist eine Art 5.Kolonne der Schwarz/Schwarz/Gelben !!

  • Wenn die SPD eine UNGERECHTIGKEIT feststellt, dann muss man aufpassen! Bei Rente mit 63 hat sie tief GESCHAUT und festgestellt, dass DIE Ungerechtigkeit, die man jetzt gleich beseitigen muss, die Tatsache ist, dass gutverdienende Facharbeiter mit guter Rente auf jeden Fall mit 63 in Rente dürfen - kein Wort von den ARMEN Rentnern jetzt und in Zukunft - man nennt das auch Klientelpolitik. Und beim Investitionsschutz ist die UNGERECHTIGKEIT nicht etwa die, dass Bürger weltweit von der Diktatur der Großindustrie immer mehr leiden - nein, es ist die UNGERECHTIGKEIT, dass deutsche Firmen in Deutschland sich nicht beteiligen dürfen - die SPD muss für Gerechtigkeit sorgen und der deutschen Industrie ermöglichen auch gegen Deutschland zu klagen, d.h. gegen uns Bürger. Jetzt ist also die Großindustrie die NEUE Klientel der SPD. Prost Mahlzeit SPD.

    • @Georg Marder:

      Nun hat Gabriel nur noch das Problem, bei gleichzeitig gut angesehen bleiben wollen der SPD bei der alten "Klientel", auch bei der "neuen Klientel" gut angesehen werden zu wollen.- Die Quadratur des Kreises? Sprich, ein von vornherein aussichtsloser Irrweg?

  • Jetzt gilt es Thorsten Schäfer-Gümbel aufzubauen! Er kann die Partei zwar nur vorübergehend führen, doch wer sonst sollte die Wende einleiten ? Manuela Schwesig ? Die ist so blass wie die SPD. Oder Frau Kraft ? Die gehört zu den besten Freunden Gabriels. Als links gilt Stegner. Ich kann diesen Mann nicht ertragen. Für mich war er es, der Heide Simonis gemeuchtelt hat.

     

    Mit Schäfer-Gümbel wäre Rot-Grün-Rot möglich. Er war die rechte Hand von Andrea Ypsilanti. Damals 2008 gab es eine regelrechte Kampagne.

     

    Im September geht die jetzige Parteileitung unter. Nehmt euch ein Vorbild an Bernie Sanders. Der rockt die USA. Noch vier Monate, dann ist Gabriel Geschichte.

  • Da braucht man sich nicht an den Kopf zu fassen, im Gegenteil ist das recht klar verständlich. Der Investorenschutz ist für etliche interessierte Parteien der bei weitem wichtigste Punkt in den Freihandelsabkommen. Und zwar ganz einfach, weil dadurch große Vermögen "internationalisiert" und dadurch für Regierung und Völker unantastbar werden. Ein Sonderrecht auf Entschädigung gegenüber allen zukünftigen politischen Entscheidungen! Wer hätte das nicht gern? Um das zu bekommen, werden alle Hebel in Bewegung gesetzt, darunter offenbar auch solche, die Merkel und Gabriel tanzen lassen.

  • Ich will das ja gerne glauben, was hier geschrieben wird über das "Dreiste Manöver der Regierung" - zumal das ja auch schon in der ZEIT berichtet wurde.

    Aber es bleiben Fragen:

    In welchem Dokument der Regierung steht das?

    Wie auch schon in der ZEIT auch hier bei der taz kein einziges Originalzitat.

    Und:

    WER waren die "Aktivisten", die das enthüllt haben - und WIE haben sie das enthüllt?

    Etwas mehr handwerkliche Solidität würde sich der geneigte Leser bei "Enthüllungen" schon wünschen!!

    Eine Meldung ist flott in die Welt gesetzt - wenn's gegen den Gabriel geht um so flotter - aber nachvollziehen kann man das hier nicht.

      • @LiebeSonneScheine:

        Vielen Dank für den Text. Dort geht es zunächst um bestehende Investitionsschutzabkommen zwischen den EU-Staaten. Diese sollten beendet werden. Allerdings wird dann recht unverblümt gesagt, dass eine ersatzlose Beendigung dieser intraeuropäischen Abkommen, die entsprechenden Klauseln in CETA und TTIP schwerer politisch durchsetzen ließen. Dann wird ebenso unverblümt umgekehrt argumentiert, dass die Regeln in CETA und TTIP dazu führen würden, dass EU-Investoren außerhalb der EU bessere Bedingungen als in der EU vorfinden würden und es daher wichtig wäre, die EU-Investoren innerhalb der EU ebenso gut zu stellen.

        • @Velofisch:

          Der Link stammt aus dem Artikel "Gabriel will mehr Investorenschutz" von Christian Rath. Aber die Argumentation ändert ja nichts daran, dass es letzten Endes darum geht, mit diesen Transatlantischen Abkommen mitzuhalten, bzw. nicht zuletzt wohl auch schon mal rechtliche Rahmenbedingungen zu schaffen, um die irgendwann doch noch durch zu kriegen. Denn wenn der Grundstein eines internationalen Schiedsgerichtes erst mal gelegt ist, kann das ja auch unkompliziert erweitert werden.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Wie tickt Gabriel?

    Diese Frage wird nicht einmal er selbst beantworten können.

     

    Ach, wäre er doch für immer in Goslar oder sonstwo geblieben...

  • Ob sich Sigmar Gabriel in letzter Zeit zwischendrin schon mal einige Gedanken macht über die nächste Bundestagswahl? Ich vermute mal - eher weniger. Denn die Investoren werden ihm und seiner SPD nicht soviel ausgleichende Stimmen zur Verfügung stellen können, als er verliert durch gequälte Wähler, die seine Wiederwahl einfach nicht mehr verantworten können.

    • @noevil:

      Da steckt auch ein Quentchen Hoffnung. Denn Herr Gabriel agiert wirklich so gründlich, dass es bei vielen Leuten eine bleibende Wut hinterlässt, die sich nicht mehr leicht löschen lässt. Es bleibt das Quentchen Hoffnung, dass das der SPD wirilich dauerhaft auf die Füße fällt und sie es nicht mit ein paar Marketing-Sprüchen und ein paar Klientelversprechen wettmachen kann.

  • Meine Interessen als Bürger sind heute ganz offensichtlich nicht identisch mit den Interessen der Großindustrie, die im Zweifelsfalle ihren Standort in ein steuerlich attraktiveres Land legt und Regierungen erpresst, gegen die Interessen der Bürger zu handeln. Der Investorenschutz ist ein weiteres Mittel, um die Interessendurchsetzung von Kapital/Großindustrie gegen die Interessen der Bürger durchzupressen. Dieses Prinzip jetzt sogar innerhalb von Europa, zwischen den Staaten, einzusetzen spekuliert auf eine Entsolidarisierung der Bürger. Aber: Ich fühle mich den Bürgern Europas verbunden - ich will nicht, dass die deutsche Großindustrie europäische Bürger in anderen Ländern um Ihre Rechte prellt. Ich will auch nicht, dass Wir Bürger die Melkkuh der Großindustrie sind. Letztlich verlieren immer Wir als Bürger gegen die Großindustrie, egal ob in Deutschland oder in einem anderen Land. Und dieser Herr Gabriel ist einer der Architekten dieser vergewaltigenden Taten.

  • Herr Rath, vielen Dank für diese klare Darstellung der Wirkung dieser Informationen.

    "Aber auch TTIP-Befürworter werden sich an den Kopf fassen. Wie kann man in einer Situation, in der die Stimmung gegen TTIP längst gekippt ist, heimlich eine Ausweitung der Sonderrechte für Investoren auf ganz Europa vorantreiben?"

    Ich versteh das auch nicht mehr, wie Herr Gabriel wirklich alles dafür tut, um Politik unglaubwürdig und unverständlich zu machen - ich weiß es einfach nicht mehr. Es muss etwas in seiner Motivation geben, das sich immer wieder in seinem Handeln zeigt, das er aber verdeckt hält - das nenne ich ein gehöriges Maß an Unehrlichkeit - und ich halte das für brandgefährlich! Der Feind von Herrn Gabriel, den er zu bekämpfen müssen glaubt und den er immer wieder vorsätzlich täuscht, das ist der ganz normale Bürger und Wähler!

    • @Georg Marder:

      seine motivation: kohlenhydrate.

  • Sigmar Gabriel - muss weg.