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Kommentar IS-AnschlagspläneDas Gift der Spaltung

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Der aufgedeckte Plan eines Anschlags in Düsseldorf befeuert die Flüchtlings- und Islamgegner. Das ist genau das, was der IS will.

Nach der Festnahme mutmaßlicher Terroristen patroullieren Polizisten in der Düsseldorfer Altstadt Foto: dpa

E s ist ein Szenario wie für die Propaganda von Rechtspopulisten gemacht: Terroristen, die vom Islamischen Staat den Auftrag haben, in Deutschland einen Anschlag nach dem Muster der Pariser und Brüsseler Attentate zu begehen, kommen als Flüchtlinge ins Land.

Die furchtbare Vorstellung, mitten in der belebten Düsseldorfer Altstadt könnte es ein Selbstmordattentat mit vielen Toten geben, nährt so auch den Generalverdacht gegen all jene, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Vor der Gewalt des Assad-Regimes, aber auch vor dem Terror, den der Islamische Staat in immer mehr Regionen der Welt verbreitet.

Die Ablehnung von Flüchtlingen und auch von Muslimen insgesamt zu schüren, ist Teil der perfiden IS-Strategie. Auch bei den Pariser Anschlägen kamen Täter als Flüchtlinge getarnt nach Europa. Sie wurden bei ihrer Reise auf der Balkanroute auffällig häufig registriert. Der IS, da sind sich die Experten einig, hätte auch die Ressourcen, potentielle Attentäter auf anderem Weg nach Deutschland zu schleusen. Er wählt die Flüchtlingsroute nicht nur, weil es die Gelegenheit gibt. Sondern auch, um einen anderen Effekt zu erzielen.

Die Terrororganisation will nicht nur durch Bomben Angst und Schrecken in Europa verbreiten. Es geht auch darum, zu spalten; eine Welt zu schaffen, die nur Schwarz und Weiß kennt – in der die „Grauzone“ beseitigt ist, wie es der IS in seinem Onlinemagazin Dabiq selbst beschrieben hat. Gemeint ist damit das Zusammenleben von Muslimen und Nichtmuslimen.

Der IS will die Polarisierung der westlichen Gesellschaften, in der sich Muslime letztlich entscheiden müssen: Wollen sie wirklich zum Lager der Ungläubigen gehören, das ihnen feindlich gesinnt ist?

Diese Vorstellung ist glücklicherweise noch weit weg von der Realität. Doch auch in Deutschland wächst die Ablehnung von Flüchtlingen und auch die offene Islamfeindlichkeit. Unterstützt man den Generalverdacht gegen Flüchtlinge und gegen alle Muslime, betreibt man auch das Geschäft der Terroristen.

Zu den Gegenmaßnahmen gehört sicher, alle Flüchtlinge zu registrieren und jedem Verdacht – der häufig von Flüchtlingen selbst gemeldet wird – konsequent nachzugehen. Dazu gehört aber auch ein Diskurs, der sachlich ist und differenziert. Wir sollten nicht zulassen, dass das Gift des Generalverdachts sich weiter verbreitet. Nicht bei jenen, die ohnehin etwas gegen „Ausländer“ haben. Aber auch nicht bei uns.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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10 Kommentare

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  • Wenn ich daran denke was damals bei der RAF für eine Marschroute bei den Behörden gezogen worden ist und mit heute vergleiche......na ja - aber es ging ja um Industrie-Kapitanos...

  • So, wie es aussieht, hat Deutschland bisher Glück gehabt, dass kein größerer nennenswerter Anschlag des IS bisher gelungen ist. Eine Garantie für die Zukunft ist das aber nicht.

  • 2005 ist das Buch „Zarqawi – Al-Qaeda’s Second Generation“ vom jordanische Journalist Fuad Hussein über al-Sarkawi erschienen. Darin beschreibt er auf den Seiten 202 bis 213 die Strategie von al-Quaida, welche heute auch von der IS und anderen islamischen Organisationen umgesetzt werden. Danach gibt es 7 Phasen vom Dschihad. Die beabsichtigte Strategie scheint zu sein, durch Konflikte Muslime in eine Ecke zu drängen, damit sie in ihrer Not einen Aufstand gegen die Ungläubigen machen und sich so die Scharia weltweit durchsetzen kann. Siehe: http://www.obrist-impulse.net/sieben-phasen-des-dschihads-strategie-des-terrors/

  • Genau das wollen auch die Repressionsbehörden, die diese Abläufe auch aus eigenem Interesse schildern können. Wir können sie ziemlich schlecht überprüfen:

    Terroristen mischen sich unter Syrische Flüchtlinge über die Balkanroute und wollen Terror wie in Paris verüben.

    Traf bisher auch zu in einigen Ländern - aber wer weiß - eine Struktur wie BND und VS können es auch benutzen.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Was wissen wir denn überhaupt? Ich habe vernommen, dass der eine Typ in Frankreich am 1.2. dieses Jahres ausgesagt hat. Ich habe ferner vernommen, dass die Bundesanwaltschaft heute auf DLF hat verlauten lassen, dass sie "nach eigenen Angaben keine Hinweise darauf [habe], dass die Beschuldigten bereits damit begonnen hatten, die Anschlagspläne konkret umzusetzen"

     

    Was hat also die Staatssicherheit seit dem 1.2. gemacht? Beobachtet? Auf die Gefahr hin, dass die Typen weitere Typen radikalisieren? Jetzt auf einmal stellt sie fest, dass von jenen, die noch nichts vorbereitet haben, eine Gefahr ausgeht und macht kurz vor der EM die Pferde scheu.

     

    Vielleicht haben die jungen IS-Adlaten, die ausgezogen waren, das Fürchten zu leeren, das Fürchten gelernt und daher den Schwanz eingezogen. Vielleicht wollten sie einfach mal richtig wichtig sein (der Narzissmus der Islamisten ist ebenso krass wie jener der Hedonisten), haben dann aber Angst vor der eigenen Courage gehabt.

     

    Wie dem auch sei: es hat offenbar gar keine Vorbereitungen gegeben. Der eine Möchtegernislamist hat sich bereits vor 4 Monaten der Polizei gestellt und gepetzt. Und unsere Medien tun alles andere als diesen Vorfall kritisch zu beleuchten, sondern beten mit Stentorstimme die Verlautbarungen der Staatssicherheit nach.

  • Sabina am Orde weiß ganz genau: "Das ist genau das, was der IS will." Zu diesem Thema gibt es guten Kommentar auf ZEIT Online: http://blog.zeit.de/radikale-ansichten/2016/06/03/der-is-eignet-sich-nicht-als-projektionsflaeche-fuer-innenpolitik/

  • Klingt schon fast nach Verschwörungstheorie. Als ob den IS ersthaft die innenpolitischen Streitigkeiten in D interessieren bzw. er diese bei Einreise der 4 Verdachtigen Anfang 2015 bereits vorhergesehen hat.

     

    Richtig ist nur, dass der IS in seinem Krieg alle Möglichkeiten nutzen wird. Dass und wie Flüchtlinge ganz unproblematisch unregiestriert nach Europa kommen können, wird der IS daher auch berücksichtigen. Aber sicher nicht, um den Streit zwischen Pegida und Linken zu befeuern ...

  • Sind auch andere Meinungen erlaubt?

     

    Ich glaube nicht, daß es sich so verhält wie im Bericht dargestellt. Der IS besteht aus Verbrechern, und demzufolge will er nichts anderes als das, was Verbrecherorganisationen immer wollen. Wenn die Täter nicht als Flüchtlinge kommen, dann kommen sie eben als Touristen oder als Geschäftsleute oder als sonstwas. Und wenn sie einmal da sind, dann wollen sie Geld, gepaart mit wirtschaftlicher Macht, um noch mehr Geld zu bekommen. Ob oder wieviel Anteil religiöse Verblendung mit eine Rolle spielt, ist unerheblich und eigentlich nur eine Modeerscheinung. In anderen Zeiten schoben die Leute andere vermeintliche Ideologien vor.

     

    Ein Punkt sollte jedoch Beachtung finden. Eine Verbrecherorganisation kann nur solange nachhaltigen Erfolg haben, wie es in aller Welt korrupte Politiker gibt, die vornehmlich dicke Geschäfte mit solchen Typen machen (meist, nachdem sie ganz offiziell zu "seriösen guten Freunden" erklärt wurden). Eben auf diesen Zug springen dann nach und nach auch Organisationen wie der IS gerne auf. Zu lernen wäre daraus, daß nicht die Ratten die wirkliche Plage sind, sondern diejenigen, die Ratten züchten und dann aussetzen.

  • In der Kronenzeitung gab es einen sehr reißerischen Artikel zum Thema, angeblich zahlt der IS 40000$ zum Schmuggeln von Kämpfern. Ich denke, es lässt sich nicht vermeiden, dass genau das geschieht. Das hat aber mit der Flüchtlingsroute erst mal nichts zu tun.

     

    Es geht doch gar nicht um den Islam, und der Islamkritik nicht um die Taufe der Menschen. Es geht um Polarisierung, um Spannung, um Konfrontation.

     

    Deshalb dürfen wir aber nicht total naiv sein bei den Refugees. Islamistische Umtriebe dürfen wir nicht dulden.

     

    Wenn es tatsächlich zu Angriffen von Kombattanten des IS käme, dann würde damit der Bündnisfall ausgerufen werden und die Bundeswehr stände im Krieg mit dem IS. Ich glaube kaum, dass die IS Herrschaft eine Intervention der NATO überleben könnte.

  • Zunächst mal sollte man anerkennen, dass den Sicherheitsorganen endlich mal ein Erfolg gelungen ist, nach allen bisherigen Fehlleistungen. Auch wenn einigen Kommentatoren den geplanten Anschlag reflexartig als „Erfindung“ abtun, weil ja gar nichts geschehen sei. Da hätte man wohl erst warten sollen, bis etwas „geschieht“ (siehe Paris und Brüssel)?