Kommentar Grüne und Garzweiler: Peinliche Treue
Die Grünen in NRW schweigen zur Kritik am Umgang mit den DemonstrantInnen von Garzweiler. Das macht sie unglaubwürdig.
E in Polizeieinsatz mit klar dokumentierter Gewalt gegen friedliche Anti-Braunkohle-Demonstranten. Deutliche Hinweise auf gemeinsames Vorgehen von Polizei und einem privaten Sicherheitsdienst. Förmliche Beschwerden gegen die Einschränkung der Pressefreiheit.
Ein Bericht des zuständigen Ministeriums, der offensichtliche Widersprüche enthält und praktisch alle Vorwürfe bestreitet. Und ein Innenminister, der die Sitzung verlässt, bevor über den Polizeieinsatz und den Bericht gesprochen wird. Es gab Zeiten, da hätten die Grünen so etwas als Skandal bezeichnet.
Doch das ist Geschichte. In Nordrhein-Westfalen jedenfalls gibt es von Landtagsfraktion und Parteivorsitz der Grünen seit der Blockade des RWE-Tagebaus Garzweiler mit anschließender Massenfestnahme vor gut zwei Wochen kein kritisches Wort zu hören.
Keine Pressemitteilung, kein Positionspapier, nichts. Auf Nachfrage ringt sich die Parteivorsitzende die sensationelle Aussage ab, die Grünen „begrüßen“ eine „ausführliche Auswertung des Demonstrationsgeschehens“. Auf eine Bewertung will die Partei bis dahin verzichten.
Der Hintergrund dieser Zurückhaltung ist klar: Die Grünen sind in Nordrhein-Westfalen Teil der Landesregierung, die Verantwortung für den Polizeieinsatz in Garzweiler trägt. Kritik am SPD-Innenminister Ralf Jäger, der vor Parlament und Presse zu den Vorwürfen schweigt, widerspricht wohl der Koalitionsräson.
Doch mit dieser Nibelungentreue macht die Partei einen schweren Fehler. Dass die Grüne Jugend die Proteste gegen den Tagebau unterstützt, während die Mutterpartei zur Kritik am Umgang mit den Demonstranten schweigt, schafft ein massives Glaubwürdigkeitsproblem.
Das wird den Grünen auf die Füße fallen. Spätestens wenn sie wieder in der Opposition sind und Polizeiübergriffe wie in Garzweiler zu Recht kritisieren werden.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen