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Kommentar Griechenland-KriseZerstörtes Vertrauen

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Das Geldsystem beruht auf Vertrauen, das nun zerstört ist. Selbst wenn die Griechen im Euro bleiben sollten: Das Ende der Währungsunion hat begonnen.

Der Euro wird von innen gesprengt – oder angezündet. Foto: dpa

W ir erleben Weltgeschichte. Was immer in Griechenland in den nächsten Tagen passiert – es wird die Eurozone verändern. Die Auflösung der Währungsunion hat begonnen, selbst wenn die Griechen jetzt im Euro bleiben sollten.

Für das schleichende Ende der Eurozone gibt es ein neues Symbol: die geschlossenen Banken in Griechenland. Jedes Geldsystem beruht auf Vertrauen, und dieses Vertrauen ist nun zerstört.

Die EZB selbst hatte keine Wahl: Sie konnte nicht ignorieren, dass es keinerlei Verständigung zwischen der Eurozone und Griechenland gibt. Also musste die Zentralbank ihre Notkredite an die griechischen Banken deckeln.

Die Schuld liegt bei den europäischen Regierungen, die den Griechen ein einseitiges Spardiktat aufoktroyieren wollten. Die Finanzminister haben keinerlei Angebot unterbreitet, das sich tatsächlich Angebot nennen ließe. Zwar war in den vergangenen Monaten immer wieder davon die Rede, man hätte „sich aufeinander zubewegt“ – doch in Wahrheit haben nur die Griechen Zugeständnisse gemacht. Der Rest der Eurozone schaltete auf stur.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Griechen doch noch nachgeben. Die meisten Wähler wollen im Euro bleiben – und sie wollen ihr Vermögen retten, das nun bei den Banken festgefroren ist.

Von innen gesprengt

Wenn sich die Griechen unterwerfen, wäre dies jedoch kein „Sieg“ für die anderen Finanzminister. Denn die Angst wird sich durch die gesamte Währungsunion fressen. Wann immer ein Land in die Krise gerät, werden seine Bürger panisch die Konten räumen. Noch schlimmer: Da es als denkbar gilt, dass Länder die Eurozone verlassen, wird dieses Risiko von den Banken „eingepreist“ und in den Zinsen berücksichtigt.

Schon jetzt müssen italienische, spanische oder portugiesische Firmen höhere Kreditzinsen als deutsche Unternehmen zahlen, nur weil sie in Italien, Spanien oder Portugal sitzen. Dies verzerrt den Wettbewerb – und zwar ständig zugunsten von Deutschland. Der Euro wird von innen gesprengt, noch während er existiert.

So paradox es erscheint: Gerade die Krise in Griechenland wäre die Chance gewesen, für immer deutlich zu machen, dass die Währungsunion bedingungslos zusammensteht – und sie damit zu konsolidieren. Doch die Finanzminister gehen genau den anderen Weg. Wir erleben den Anfang vom Ende.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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48 Kommentare

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  • Warum wird von einer Krise gesprochen? Das ist doch eine völlige Übertreibung!

    Japan hat wesentlich größere Schulden als Griechenland, sowohl pro Kopf aber auch in Relation zum BIP. Fitch bewertet das mit einem A-Rating und stabilem Ausblick.

    Das Problem ist doch die politische Ausgestaltung der EU! Das gleiche Geld , aber unterschiedliche Spielregeln , das funktioniert auf Dauer nicht.

    Die jungen Bundesländer mussten ja auch mit der D-Mark auch die Gesetzgebung der BRD übernehmen.

    Also steht jetzt die Frage: "mehr oder weniger" EU, das jetzige Level ist nicht gut!

  • Offenbar ist hier vielen Leuten nicht bewußt, wer die Schuld an der Wirtschaftskrise trägt. Ich geb Ihnen mal nen Tipp: Tsipras ist es nicht.

  • @MOWGLI

     

    "...dem deutschen Wahlvolk ist bei Einführung des Euro versprochen worden, das es keine Transferunion und keine Haftung für die Schulden anderer Länder geben würde."

     

    Das deutsche Wahlvolk wurde belogen, wie alle anderen europäischen Wahlvölker auch. Der Euro kann ohne Transfers gar nicht funktionieren, weil er eine dilettantische Fehlkonstruktion ist.

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Dann wird es Zeit in ganz Europa die Frage zu stellen

       

      "Wollen wir das"

      "Wollen wir den Euro und die EU weiterentwickeln und endlich offiziell zu einer Transferunion ausbauen (weils ja nicht klappt) - oder nicht oder zurück"

      (Bei beiden Varianten bitte die Folgen beachten!)

  • Da alle anderen Europäischen Regierungen von rationalen Politikern geführt werden, ist kein 2. Griechenland in Sicht.

     

    Und je größer das Chaos in GR wird, je unwahrscheilicher ist es, das ein europäisches Volk nochmal so eine Fehlentscheidung trifft.

    • @Tim Leuther:

      "Und je größer das Chaos in GR wird, je unwahrscheilicher ist es, das ein europäisches Volk nochmal so eine Fehlentscheidung trifft."

       

      Im besten Fall ist es eine Form der schöpferischen Zerstörung. Entscheidend ist was Syriza nach dem Staatsbakrott machen wird. Eine wirkliche Alternative zum europäischen System bieten oder aber das Land an die Faschisten übergeben.

       

      Aber vielleicht stimmen die Griech*innen ja auch einfach für das Angebot der Institutionen. Dann gehts so weiter wie bisher.

  • Gerettet werden nicht Kranke ohne Krankenversicherung. Gerettet wird nicht das darbende Volk. Gerettet wird nicht eine ganze Generation junger Leute, die nicht nur ohne Arbeit, sondern vor allem ohne Hoffnung aufwächst. Gerettet wird nicht einmal eine verbindende Währung.

     

    Gerettet werden immer nur Banken – und über sie deren reichen Investoren.

     

    Es ist der Bankrott der Europäischen Idee.

    • @Volker Birk:

      "Es ist der Bankrott der Europäischen Idee."

       

      Treffender kann man´s nicht sagen.

  • "Der Euro wird von innen gesprengt, noch während er existiert."

    Ein makaber schräges Bild , Frau Herrmann . Nehmen wir es mal so : Die Sprengung wird in Zeitlupe ablaufen , vielleich gestreckt über ein paar Jahre , nichtsdestotrotz aber unabwendbar . Der Grund dafür ist jedoch nicht an der Oberfläche des Wirtschaftssystems , etwa im "Vertrauen in das Geldsystem" , zu lokalisieren

    , sondern in seinem zeitlich gerichteten unabänderlichen Funktionsmechanismus , konkret in der Frage des Wachstums . Es ist wohl nicht mehr zu übersehen , dass sich das System schon in den letzten Jahrzehnten durch zunehmende private und öffentliche Verschuldung funktionsfähig gehalten hat , mittels derer Wachstum simuliert worden ist . Die Grenzen solcher Simulation wurden 2008/9 krachend sichtbar , ... und sind heute alles andere als beseitigt .

    Das "Weltkapital" sitzt nämlich auf Bergen nicht mehr profitabel investierbaren Geldes . Das Funktionsystem aber -

    in e i n e m Satz - lautet : Aus Geld

    m e h r Geld machen . Oder andersrum : Das Kapital hat für die Arbeitskraft von Milliarden Menschen keine profitable Verwendung .

    • @APOKALYPTIKER:

      Hat uns ja der olle Marx schon alles gelehrt. Sehenden Auges läßt man es trotzdem geschehen, weil eine mächtige, reiche, aber kleine Minderheit davon profitiert. Ja, auch Sigi Gabriel gehört dazu.

    • @APOKALYPTIKER:

      „Das Kapital hat für die Arbeitskraft von Milliarden Menschen keine profitable Verwendung.“

       

      Sie stellen die alte Marxsche Frage, wie man aus Geld mehr Geld machen kann (G-W-G'). Hier ist die Lösung beschrieben: https://zinsfehler.wordpress.com/2015/03/23/die-citoyage-keynesianischer-monetarismus-als-ordnungspolitisches-korrektiv/. Die Frage ist nur: Verstehen wir diese Zusammenhänge schon vor oder erst nach der Apokalypse.

       

      LG Michael Stöcker

      • @Michael Stöcker:

        "Sie stellen die alte Marxsche Frage, wie man aus Geld mehr Geld machen kann (G-W-G'). "

        Nein , tu ich nicht . Und Marx hat in 'Kapital' analysiert , was Kapitalismus ist und wie er funktioniert . Es gibt ein paar studierenswerte Theoretiker , die auf der Grundlage von Marx Texten den Fortgang und die Perspektiven des Kapitalismus bis in die neuere Zeit untersucht haben . Darunter Robert Kurz . Und es gibt eine ganze Menge Theoretiker und Weltretter , deren Elaborate zu lesen man sich getrost sparen kann .

        • @APOKALYPTIKER:

          Sie haben recht. Die Frage haben Sie nicht gestellt, sondern das Funktionssystem beschrieben. Und ich habe eine praktikable Lösung für dieses Funktionssystem vorgeschlagen, basierend auf der ungelösten Frage von Marx, dass der Kapitalist nicht mehr Geld aus dem System herausziehen kann, als er zuvor hingeworfen hat.

           

          LG Michael Stöcker

  • Griechenland mt seinen 11 Millionen Einwohnern ist vollkommen irrelevant fuer dem Euro-Raum (Euro-19) mit seinen 334 Millionen Einwohnern.

  • Das von der griechischen Regierung als inakzeptabel abgelehnte Dokument der EU Kommision liegt nun veröffentlicht vor. Weil mein Englisch gegenüber den Fachtermini versagt, wäre es sehr freundlich, wenn die KommentatorInnen der taz eine Analyse vornehmen könnten, durchaus auch mit kontroversen Einschätzungen, damit endlich klar wird, worum es im Kern geht. Enthält das Papier nun große Zugeständnisse an die griechische Regierung, wenn ja, wo, oder nicht? Ohne Einschätzung dazu, lassen sich die massiven gegenseitigen moralischen Vorwürfe nicht nachvollziehen.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Joba:

      5. "Erweiterung" des Entlohnungsspektrums im öff. Dienst, je nach Tätigkeit oder Fähigkeiten.

      Sicherstellung der sinkenden Ausgaben im öff. Dienst (relativ zu BIP) bis 2019.

      Leistungsbeurteilung "aller" Angestellten des öff. Dienstes durch unabhängige Manager bis 31.12.2015.

      Antikorruptionsmaßnahmen.

      Reformen des Statistischen Amtes.

      6. Schaffung einer unabhängigen (auch vom Finanzministerium) Agentur zur Steuereintreibung. Aschaffung der 25% Einkommensgrenze bei Eintreibung der Steuerschulden und Senkung des unantastbaren Einkommens (bisher 1.500 Euro).

      Zinsen auf hohe Steuerschulden.

      Sicherstellung der MwSt-Eintreibung.

      7. Reform des Insolvenzrechts mit dem Zweck die "strategischen" Insolvenzen (auch private) zu unterbinden.

      8. Reform des Arbeitsmarktes in Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation und "institutions". Sämtliche Reformen gelten nur bei Übereinstimmung mit EU/EZB/IWF.

      9. Verschiedene Reformen des v.a. Dienstleistungsmarktes. Privatisierung des Elektrizitätsmarktes.

      10. Privatisierung *aller* Vermögen unter der Verwaltung des Griechischen Entwicklungsfonds.

      Privatisierung der Regionalflughäfen, Hafen von Piräus und Thessaloniki, Eisenbahnen - mit verbindlichen Versteigerungsdatums bis Okt. 2015.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Danke für die Zusammenfassung!

         

        Etwas knapp, aber, soweit ich das überblicken kann, weitestgehend korrekt.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Vielen Dank für die Übersetzung. Soweit ich das verstehen kann, scheinen die Punkte 3, 5, 6, und 7 ganz vernünftig zu sein. Das sind womöglich die Zugeständnisse, von denen Junker spricht. Was z.B. 5. angeht, sind im öffentlichen Dienst Griechenlands, noch Viele durch das Klientelsystem der Altparteien zu Pöstchen gekommen, bei denen nicht klar ist, was sie eigentlich machen.

        Punkt 2 ist ambivalent, aber um eines Kompromisses Willen, hinnehmbar.

        Bei Punkt 4 kommt alles darauf an, wie es sich auf Betroffene ohne Vermögen auswirkt. Das bisherrige System muss so verbessert werden, dass Altersarmut vermieden wird.

        In den Punkten 1,6,9 und 10 sehe ich leider ein neoliberales Diktat, das ich als Grieche schwer annehmen könnte. Allenfalls als Beugung unter Zwang, weil die Konsequenzen der Verweigerung noch übler wären und ein Euroland, wenn die anderen sich einig sind, den Neoliberalismus nicht abschaffen kann. Ein Naturgesetz, wie viele behaupten, eine unveränderbare Realität, die nur eingesehen werden kann, ist er aber nicht.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Joba:

          "In den Punkten 1,6,9 und 10 sehe ich leider ein neoliberales Diktat, das ich als Grieche schwer annehmen könnte."

           

          Keiner bestreitet, dass viele der Vorschläge vernünftig sind und bestimmte Sparanstrengungen seitens der Griechen überfällig.

          Wenn man allerdings das Papier liest fällt einem sofort die präzise (gut?), bestimmte bis befehlsartige und teilweise kompromislose Ausdrucksweise. Schon bisschen demütigend.

          Es wäre natürlich hilfreich, wenn man eine zeitliche "Evolution" der vorgeschlagenen Sparmaßnahmen parat hätte und die (Gegen)Vorschläge der griechischen Regierung. Hier geht es um konkrete Details des Alltags von Millionen von Menschen. Das hat anscheinend z.B. der polnische Europarat-Chef Tusk nicht verstanden, wo er zu Tsipras "game is over" gesagt hatte. Auch wenn man sein verbesserungswürdiges Englisch als Entschuldigung nimmt, bezeichnend ist es allemal. Die Antwort von Tsipras rückt ein bisschen die hier (DE, nicht taz) so starre Rollenzuweisung in diesem Drama bisschen zurecht.

        • @Joba:

          Korrektur: Im Vorigen ist mir leider ein Tippfehler unterlaufen. Im letzten Absatz muss es statt 6, 8 heißen, denn Punkt 6 halte ich für ok.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @Joba:

      http://europa.eu/rapid/press-release_IP-15-5270_en.htm

       

      1. Von Griechen wird ein Haushaltsübershuss erwartet: 2015 - 1%BIP, 2016 - 2%, 2017 - 3%, 2018 - 3,5%.

      2.MwSt-Erhöhung auf 23% (inkl. Gastronomie) und 13% (u.a. Basislebensmittel). Evtl. Revision ab 2016 möglich - aber *nur* nach Konsultationen mit "institutions".

      3.Bessere Maßnahmen für die Bekämpfung der Steuervermeidung mit dem besonderen Augenmerk auf die Landwirte (?).

      Auch: Wegfall der Steuerprivilegien für Landwirte bzgl. der Treibstoffe.

      Anpassung der Vermögenssteuer bis 2,6 Mrd Einnahmen gesichert sind; Erhöhung der Besteuerung der Geringeinkommen.

      Abschaffung der 26% Besteuerung der grenzüberschreitenden Transaktionen; Abschaffung der Steuerprivilegien für Agrarwirtschaft.

      Genaue Auflistung der abzuschaffenden Paragraphen bei Steuerkriminalität und genaue "Empfehlung" der neuen gesetzgebung.

      Änderungen in der Etatgesetzgebung und stufenweise Entmachtung des Rechnungshofes und Einsatz von unabhängigen "agencies".

      Steuer für Tonnage (Schiffe) stufenweise erhöhen, Privilegien für Reeder abschaffen.

      Steuerreform ab Sept. 2015 mit Solidaritätszuschlag, Informationen zu Strafzuschlägen. Und "alle" anderen Reformen wie von IWF erwartet.

      Ab 01.07.2015 bestimmte Senkungen der Arzneimittelpreise. Vollständige Einziehung der Rückforderungen an die Privatkliniken für 2014.

      Überprüfung der Systeme der sozialen Sicherheit unter der Assiste der Weltbank, um 0,5% BIP einzusparen mit dem dann ab 2016 ein steuerneutrales MIndesteinkommen finanziert werden könnte.

      Verschiedene Steuerreformen, u.a. für Luxusgüter (Jachten), TV-Werbung, Kassinos).

      Einsparungen bei Militärausgaben (400 Mio.) v.a. beim Personal.

      4.Fundamentale Reform des Rentensystems: Einsparungen bis 1%BIP, Rentenalter auf 67, keine staatliche Finanzierung der Zusatzversorgungssysteme, KV-Rentnerbeitrag von 4% auf 6%, Mindestrenten bis 2021 einfrieren + viele andere Maßnahmen.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Ich weiß nicht ob es Absicht ist, dass Sie einige Punkte weglassen:

         

        Im Text heißt es:

        Zu 2) Das neue MwSt-System wird (i) den Standardsteuersatz auf 23% vereinheitlichen, der Restaurants und Lieferdienste einschließt, und einen reduzierten MwSt-Satz von 13% für Grundnahrungsmittel, Energie, Hotels und Wasser (ausgenommen Abwasser) umfassen sowie einen super-reduzierten MwSt-Satz für Medikamente, Bücher und Theater umfassen. (ii) Deweiteren werden Ausnahmen geglättet, die Steuer auf Versicherungen angehoben und (iii) Vergünstigungen, wie die für die Inseln abgeschafft.

         

        Zu 3)

        - Schließen von Schlupflöchern zur Einkommenssteuervermeidung (z.B. genauere Definitionen wer als Landwirt*in zu gelten hat), Maßnahmen zur Anhebung der Körperschaftssteuer 2015 und die Forderung einer 100%igen Vorauszahlung der Körperschaftssteuer und der Unternehmenssteuer Ende 2016, Abschaffung der Vorzugsbesteuerung von Landwirt*inen bei der Einkommenssteuer, Anhebung der Solidaritätszulage;

        - Abschaffung der Subventionen von Dieselöl für Landwirt*innen und eine bessere Zielgenauigkeit bei der Heizölsubventionierung 2016;

        - Im Hinblick auf die Immobilienwerte, wenn nötig Anpassung der Vermögenssteuersätze um 2015 und 2016 eine Vermögenssteuereinhame von 2,65 Milliarden sicherzustellen und Anpassung der Mindeststeuersatzes.

         

        Soweit zu diesen beiden Punkten. Danke für Ihre Mühe des Übersetzens. Aber die Auslassungen sind ärgerlich!

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @Dhimitry:

          "Ich weiß nicht ob es Absicht ist, dass Sie einige Punkte weglassen"

           

          Nein. Übersetzung 1:1 hätte länger gedauert. Diese war "on the fly".

           

          ad 2. steht eigentlich bei mir bis auf die 6%. Übersehen habe ich die Forderung nach Abschaffung der Steuerprivilegien für bestimmte Inseln (keine gute Sache).

          ad 3. mehr oder weniger auch bei mir, weniger in ganzen Sätzen, mehr stichwortartig.

           

          Was man letztendlich schlecht ins Deutsche transferieren kann ist der Duktus des Papiers und der schwankt zwischen Wohlwollen und Kolonialverwaltung.

          • @10236 (Profil gelöscht):

            Nichts für ungut. Ich hatte mich vor allem am Fehlen der super-reduzierten MwSt gestört. Aber dann hab ich die selbst auch vergessen. Schönen Abend...

        • @Dhimitry:

          Nachtrag: Der super-reduzierte MwSt-Satz auf Medikamente usw. liegt bei 6%.

           

          Der zweite Absatz von Punkt 2:

           

          Der oben beschriebene Anstieg der MwSt kann 2016 überprüft werden, voausgesetzt es werden durch die Bekämpfung von Steuervermeidung Mehreinnahmen erzielt. Jede Überpfüfung und Rücknahme der Maßnahmen sollte nach Beratungen mit den Institutuionen vorgenommen werden.

  • Die Gefahr, dass ein Austritt und Ausfall Griechenlands die Zinsen in Spanien oder Italien nach oben treibt, sehe ich auch. Ein anderer Aspekt ist die Sicherheit der Einlagen für die Sparer eines Landes. Vor einigen Jahren einigte man sich in der EU daher auf die „europäisch harmonisierte Einlagensicherung“, die Spareinlagen bis 100.000 Euro absichern soll.

    Nachdem nach dieser Richtlinie eigentlich die Nationalstaaten für die Gewährleistung der Einlagen verantwortlich sind, es also keinen Haftungsverbund gibt, wäre Griechenland hier in der Pflicht. Ein Land, das wie Griechenland pleite ist, kann aber natürlich niemals diese Anforderung erfüllen. Das aber dürfte dann im Krisenfall auch in Spanien oder Italien gelten. Ich befürchte, damit könnte es sich jetzt rächen, dass die Bankenunion eben nicht vollendet ist und damit immer noch wesentlich ist, in welchem Euro-Land ein Bankhaus seinen Sitz hat. Hierdurch könnte heute nämlich ein Kapitalabfluss aus Spanien oder Italien hin zu Banken in Deutschland oder der Schweiz ausgelöst werden – mit all den negativen Konsequenzen für Südeuropa.

  • Liebe Frau Herrmann,

     

    ich teile Ihre negative Prognose in Gänze. Vertrauen (lat. credere) ist die Basis eines jeden Kreditgeldsystems. Was wir schon vor 5 Jahren gebraucht hätten wäre kein Grexit gewesen, sondern ein Schäxit.

     

    Griechenland hat viele Fehler gemacht; keine Frage! Aber Griechenland und Deutschland sind die zwei Extrembeispiele, weshalb eine gemeinsame Währung nicht funktionieren kann. Beide Länder haben nämlich massiv gegen die Regeln einer gemeinsamen Währung verstoßen. Eine gemeinsame Währung kann nur dann funktionieren, wenn man sich an das vereinbarte Inflationsziel hält. Die Inflation wird aber in erster Linie durch die Lohnstückkostenentwicklung determiniert. Hier hat Deutschland das gemeinsame Ziel deutlich unterboten, während insbesondere Griechenland das Ziel nach oben verfehlt hat. Als Rezept empfiehlt nun Schäuble & Co., dass nur alle so wie Deutschland werden müssen. Da stellt sich aber nun die Frage, wer denn zukünftig die korrespondierenden Leistungsbilanzdefizite übernehmen soll: https://zinsfehler.wordpress.com/2014/10/27/schuldmythen-und-das-dilemma-der-schwarzen-null/

     

    Und hier die differenzierte Analyse von Steve Keen: http://www.forbes.com/sites/stevekeen/2015/06/25/bureaucrazies-versus-democracy/ und Aditya Chakrabortty: http://www.theguardian.com/commentisfree/2015/jun/23/griechenland-eurozone-deutschen-einheitswahrung

     

    Wer mehr über unsere fehlerhaften Vorstellungen wissen möchte, der sollte sich diesen Vortrag von Lord Adair Turner anhören: https://www.youtube.com/watch?v=SwheCLnn8g4

     

    Was wir brauchen: Einen Schäuble-Exit.

     

    LG Michael Stöcker

  • Man darf sich freuen! Über die hochgeistigen Kommentare, nicht über das noch grössere Elend das über die Griechen und viele Europäer hereinbrechen wird, angesichts einer neoliberalen Dogmatikerkaste die imstande ist Europa in eine Katastrophe zu treiben. Es hat tatsächlich etwas mit Selbstachtung und Würde zu tun, endlich Klartext zu sprechen, und die Verlogenheit der Kaste nicht mehr einfach hinzunehmen. Dank auch an Frau Herrman, für die klaren Worte!

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    "Die Schuld liegt bei den europäischen Regierungen, die den Griechen ein einseitiges Spardiktat aufoktroyieren wollten. Die Finanzminister haben keinerlei Angebot unterbreitet, das sich tatsächlich Angebot nennen ließe. Zwar war in den vergangenen Monaten immer wieder davon die Rede, man hätte „sich aufeinander zubewegt“ – doch in Wahrheit haben nur die Griechen Zugeständnisse gemacht. Der Rest der Eurozone schaltete auf stur."

     

    Jetzt sagt Gabriel live im TV genau das Gegenteil. Ergo: 80% der Medien und 80% der Politiker sagen die Unwahrheit oder nehmen die Realitäten anders wahr.

    Im Ernst: das Verhalten der Eurokraten, der Sonnenkönigin Lagarde und der meisten deutschen Politiker ist unter aller Sau.

    Da will die griechische Regierung die Entscheidung des Volkes, vielleicht noch mehr als europäisches Geld und wird deswegen übelst beschimpft und behandelt wie Aussätzige.

     

    PS. Gabriel bläst gerade Sprechblasen.

  • Ach schön, jetzt findet hier die Legendenbildung statt nach dem Motto "die arme, unschuldige griechische Regierung wird von den unbarmherzigen Geldsäcken ausgebeutet". Das ist nicht nur albern, sondern auch unkorrekt. Es ist nun mal keine bedingungslose Transferunion.

  • 6G
    628 (Profil gelöscht)

    Wenn man sich die Staatsverschuldung in den Krisenländern anschaut (Irland: 123% des BIP, Portugal 129%, Griechenland 175%, Spanien 94%), und man davon ausgeht, dass der Finanzsektor uns früher oder später wieder um die Ohren fliegen wird (immerhin wurde reichlich wenig unternommen, um das in Zukunft zu verhüten), fragt man sich eh, wie das auf Dauer weitergehen soll. Man hat nach der letzten Finanzkrise alles falsch gemacht: Die Kosten auf die Schwächsten abgeladen und Millionen Menschen (nicht nur in Griechenland) ins Elend gestürzt, die Banken weiterzocken lassen, sich einer Schuldenkonferenz und einem europäischen Konjunkturprogramm verweigert. Die Folgen dieser Fehlentscheidungen dürften uns früher oder später einholen.

  • Das Vertrauen in den Euro ist wenn überhaupt nicht durch die Entwicklung der letzten Tage "zerstört" sondern durch die griechische Politik der letzten 6 Jahre. Verpflichtung um Verpflichtung wurde nicht eingehalten, Versprechen um Versprechen wurde gebrochen und jetzt, da der Stubenhocker an die frische Luft gesetzt wird, ist eine Spur an Vertrauen in die jahrelang im Schrak versteckten Stabilitätskriterien zurück.

    "Schuld", liebe Frau Herrmann, wenn denn eine Schuldzuweisung erfolgen muss, "Schuld" hat eine größenwahnsinnige Politik griechischer Machteliten seit den 70ern. Und vielleicht noch das Volk, das dem Treiben tatenlos zusah weil es selbst seine Schäfchen ins Trockene brachte.

    Die EZB sollte aufpassen was sie tut. Es ist nicht ihre Aufgabe, bankrotte Staaten zu retten.

  • Es geht um viel mehr als nur die Währungsunion. Die gesamte EU wackelt aufgrund nationaler Interessen. Die Briten diskutieren einen Austritt. Die Mittelmeerländer werden mit den Flüchtlingen im Stich gelassen. In Deutschland wollte man eine Ausländermaut einführen. Der Steuerwettbewerb zwischen den EU-Nationen hat die Unternehmenssteuer ruiniert. Der BND macht in der EU (inklusive Deutschland) Wirtschaftsspionage für die USA.

  • also entweder die Währungsunion steht bedingungslos zusammen man rettet z.B. jetzt auch Griechenland im Zweifelsfall indem man die Bedingungen von Syriza akzeptiert oder sie geht unter? also bedingunslose Haftungs- und Währungsunion? wenn das so ist dann fände ich einen Untergang besser ...irgendwie war vorher auch weniger Streit

    • @sektstattselters:

      Das Problem sind nicht die Bedingungen von Syriza gewesen, sondern die der Troika - Wachstum durch Austerität. Hat noch nie irgendwo funktioniert, aber an Griechenland soll trotzdem ein neoliberales Exempel statuiert werden. Währenddessen spielen BILD & Co. den kleinen Mann in Deutschland gegen den kleinen Mann in Griechenland aus und wir merken es nicht mal.

       

      Aber der Euro war schon immer ein wackeliges Projekt: Eine Währungsunion ohne Finanz-, Wirtschafts- und Politischer Union mit Politiker, die nur an die Interessen angeblich "systemrelevanter" Banken und Investoren denken, aber nicht an die Interessen der europäischen Bürger insgesamt. Das kann nicht funktionieren.

       

      Wenn wir Pech haben, geht 2015 als das Jahr ein in dem der Euro sein Ende begann, an dem die EU begann auseinander zu fallen und als das Jahr, dass den Grundstein dafür legte, dass Friede wieder ein Fremdwort in Europa wurde.

      • @Harmakhis:

        "Hat noch nie irgendwo funktioniert ..."

         

        Komisch, in allen anderen EU-Staaten funktioniert das Konzept. Deshalb waren genau diese Länder viel weniger kompromissbereit als unsere Bundeskanzlerin.

        • @Martin74:

          Ein Konzept, das Millionen von Leuten in Arbeitslosigkeit, Armut und unsichere Zukunft treibt, "funktioniert" also. Interessante Auffassung.

        • @Martin74:

          Dann nennen Sie mal ein Land, wo das geklappt hat.

          Die höchste Staatsverschuldung pro Kopf in Europa hat Norwegen, wenn man nur die Auslandsschulden nimmt, ist es Luxemburg.

           

          Und wer möchte schon so arm wie Norweger oder Luxemburger sein, deren Einkommen ungefähr doppelt bis dreimal so hoch ist wie das eines Deutschen?

      • @Harmakhis:

        Da Europa die Defizite bezahlt, ist es verständlich das nicht Europa hier nicht den Oberkeynseaner raushängen lässt.

         

        Es ging übrigends nie um Wachsen durch sparen. Sondern um konsolidieren durch sparen. Griechenland hatte ein so aufgeblätes unnachhaltiges BIP, bis die sich an die ranwachsen dauert es.

         

        Sie waren nie so reich wie die Zahlen zeigten. Aber die Linke Seite des Spektrums wird das nie verstehen.

  • Liebe Frau Herrmann,

    dem deutschen Wahlvolk ist bei Einführung des Euro versprochen worden, das es keine Transferunion und keine Haftung für die Schulden anderer Länder geben würde.

    Die deutsche Regierung hat sich um der finanziellen Stabilität willen sehr weit von diesen Versprechen entfernt.

    Durch das erratische Verhalten der griechischen Regierung ist deutlich geworden, das stabile Verhältnisse mit dieser Regierung nicht möglich sind. Natürlich ist es bitter für die Griechen, die Jahrelang im Schlaraffenland billiger Kredite gelebt haben nun ihren Lebensstandard der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes anzupassen. . Natürlich ist es bitter für die vielen, in der Verwaltung überflüssigen Staatsdiener, auf den Arbeitmarkt verwiesen zu werden, der zunächst wenig hergibt.

    Eine realistische Alternative, die, die den Deutschen gegebenen Versprechen berücksichtigt gibt es leider nicht. Es sei denn man hielte in Deutschland und den anderen Mitgliedsstaaten ein Referendum über eine vollständige Wirtschafts-, Finanz -und Sozialunion.

    Ich bin mir aber sehr sicher das hier viele Mitgliedstaaten mit OXI antworten würden.

  • "Wir erleben den Anfang vom Ende."

     

    So ist es. Das neoliberale Fehlkonstrukt EU scheitert am systemimmanenten Egoismus seiner Einzelteile.

  • Glaubt man den Sozialwissenschaftlern, gibt es im wesentlichen drei verschiedene Führungsstile: den autoritären, den demokratischen und den Laisser-faire-Stil. Die EU-Finanzminister haben sich entschieden zwischen diesen Stilen. Ihre Entscheidung ist keine, die von einem modernen, demokratischen Politiker zu erwarten gewesen wäre. Es ist eine Entscheidung, wie sie überall auf der Welt von konservativen, autoritären Patriarchen getroffen wird – und sie hat all die negativen Konsequenzen, die Entscheidungen nun mal haben, wenn sie nicht mehr in die Zeit passen.

     

    Vielleicht, man weiß so wenig über seine Führer, war es die Angst davor, irgendwer könne den EU-Finanzministern einen Laisser-fair-Stil unterstellen und/oder ihre Führerschaft infrage stellen (am Stuhl sägen, wie man so schön sagt). Über die Konsequenzen ihrer Entscheidung, jedenfalls, haben die Herren (und Damen?) Entscheidungsträger im besten Fall nicht nachgedacht. Im schlimmsten Fall (den halte ich für viel wahrscheinlicher, weil die EU-Finanzminister weder dumm sind noch ohne fachlich versierte Beratung auskommen müssen) waren auch die negativen Konsequenzen von Anfang an mit „eingepreist“. Wobei die Herren Minister dann sehr sicher gewesen sein dürften, dass sie selber diesen Preis nicht zahlen brauchen.

     

    Womöglich haben sie gedacht: „Was kümmert mich Europa, wenn ich es nicht führen darf?“ Ein solches Denken würde nicht zum ersten Mal in der Geschichte dafür sorgen, dass mühsam Aufgebautes, wie man sagt, den Bach hinunter geht. Dass allerdings das Grundvertrauen in das Prinzip der autoritären Führung durch die Katastrophen, die es immer wieder ausgelöst hat, jemals ernsthaft ins Wanken geraten wäre, kann ich noch nicht erkennen. Wahrscheinlich gibt es doch nicht so viel intelligentes Leben auf der Erde wie wir alle immer angenommen hatten.

    • @mowgli:

      Gute Sicht der Dinge