Kommentar Getötete Studenten in Mexiko: Ein schrecklich moderner Staat

Wieder wurden in Mexiko Studenten ermordet. Wieder verhindern Beamte die Aufklärung. Trotzdem macht Deutschland mit dem Land Geschäfte.

Menschen demonstrieren in Mexiko

Wollen ohne Angst zur Uni: Studierende demonstrieren in Mexiko Foto: dpa

Die Angehörigen der 43 in Mexiko verschwundenen Studenten warten schon 43 Monate darauf, dass der Verbleib ihrer Söhne aufgeklärt wird. 43 Monate, in denen die Strafverfolger alles dafür getan haben, zu vertuschen, was tatsächlich hinter dem Angriff steckt. Vieles spricht dafür, dass Militärs und Bundespolizisten in den Fall verwickelt sind – und das passt gar nicht in das Bild des modernen Mexiko, das Präsident Enrique Peña Nieto letztes Wochenende auf der Hannover-Messe gegenüber Kanzlerin Merkel zeichnete. Für das Verschwinden sollen lediglich lokale Polizisten und Kriminelle verantwortlich sein. Aus diesem Grund hat die Generalstaatsanwaltschaft bereits drei Monate nach dem Angriff eine „historische Wahrheit“ verkündet.

Sie wollen keine historischen Wahrheiten, stellten deshalb am Donnerstag zu Recht tausende Demonstranten klar, die für die Aufklärung der jüngst verübten Morde an drei Filmstudenten auf die Straße gegangen sind. Der Fall zeigt einmal mehr, dass das Verschwindenlassen jeden treffen kann und in allen Regionen stattfinden kann, die von der organisierten Kriminalität kontrolliert werden.

Das sind viele und es gibt genug Beweise dafür, dass zahlreiche Gouverneure der PRI, also Peña Nietos Partei, direkt mit Verbrechern zusammenarbeiten, die Journalisten killen, Studenten wie die aus Guadalajara in Säure auflösen oder Leichen nach der Folter tot an Brücken aufhängen.

In Peña Nietos Amtszeit sind bereits über 100.000 Menschen ermordet worden, mehr als je zuvor in der neueren Geschichte des Landes. 35.000 Personen gelten als verschwunden. Die meisten Fälle bleiben straflos, weil korrupte Beamte eine Aufklärung bewusst verhindern oder gleichgültig hinnehmen. Dessen ungeachtet preist der Präsident Mexiko als demokratischen Investitionsstandort an, in dem Menschenrechte eine große Rolle spielen.

Wer dieser Lügengeschichte wie Merkel zustimmt, um dann zum Geschäftlichen überzugehen, leidet an Realitätsverlust und läuft Gefahr, sich mitschuldig zu machen.

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Wolf-Dieter Vogel, Jahrgang 1959, ist Print- und Radiojournalist sowie Autor. Er lebt in Oaxaca, Mexiko. Seine Schwerpunkte: Menschenrechte, Migration und Flucht, Organisierte Kriminalität, Rüstungspolitik, soziale Bewegungen. Für die taz ist er als Korrespondent für Mexiko und Mittelamerika zuständig. Er arbeitet im mexikanischen Journalist*innen-Netzwerk Periodistas de a Pie und Mitglied des Korrespondentennetzwerks Weltreporter.

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