Kommentar Geiselentführung in Niger: Zynischer Tauschhandel
Staatspräsident Hollande dementiert Lösegeldzahlungen an Dschihadisten in Nordafrika. So recht glauben will ihm das niemand
E nde gut, alles gut. Das sagt der Volksmund auch in Frankreich. Und wenn es sich gar um den glücklichen Ausgang eines Geiseldramas handelt, soll niemand das berüchtigte Haar in der Suppe suchen. Da die Pariser Staatsführung aber allzu offensichtlich versucht, aus der Freilassung von vier aus dem Niger entführten Franzosen Kapital zu schlagen, muss sie sich nicht wundern, wenn nun doch von den Medien unbequeme Fragen gestellt werden.
Wider besseres Wissen behaupten alle Regierungssprecher, für die Freilassung der vor drei Jahren verschleppten Landsleute seien keine Lösegelder bezahlt worden. Sie dürfen nichts anders, wollten sie nicht ihren Präsidenten François Hollande Lügen strafen. Er hatte nach seinem Amtsantritt entschlossen angekündigt, er bezahle „nicht mehr“. Es wäre für ihn peinlich, nun zugeben zu müssen, dass er unter der Druck von Morddrohungen mit 20 bis 25 Millionen Euro das Rüstungsbudget derselben Dschihadisten aufstockt, die er in Mali militärisch bekämpft.
Hollande weiß nur zu gut, dass jede Lösegeldzahlung an Geiselnehmer oder Piraten letztlich kontraproduktiv ist, weil ein solcher Präzedenzfall den Kampf gegen dieses Entführungsgeschäft erschwert. Hollande könnte auf das Dilemma verweisen und sagen, für ihn komme Herz und Mitgefühl in einer solchen Tragödie vor Vernunft oder Staatsräson.
Stattdessen lässt er das Offensichtliche dementieren. Natürlich kauft ihm kaum jemand ab, dass nicht in der einen oder anderen Weise die finanziellen Forderungen der Geiselnehmer erfüllt wurden. Zynisch meinte ein Fernsehjournalist dazu, das einzige Positive sei, dass französische Geiseln offenbar „wertvoll genug“ seien, wenn sie während drei Jahren am Leben gehalten werden. Das relativiert die allgemeine Freude über das Happy End.
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