Kommentar Gegendemos in Kandel: Die AfD hat sich verkalkuliert
Rechte und Rechtsextreme haben in Kandel versucht, einen Mord zu instrumentalisieren. Nun rudert die AfD wenig glaubwürdig zurück.
E s hätte so schön sein können aus rechter Sicht: Anfang des Monats noch waren über 4.000 rechte Demonstranten durch das rheinland-pfälzische Kandel gezogen. Dort hatte im Dezember ein junger Afghane seine 15-jährige Exfreundin erstochen, fortan hatten rechte Gruppen versucht, die Tat zu instrumentalisieren – von AfD bis NPD.
Kandel wurde damit auch zum Lackmustest für einen strategischen Schwenk der AfD: Während sich die ostdeutschen Landesverbände schon lange als Bewegungspartei verstehen und den Schulterschluss mit Mobilisierungen wie Pegida suchen, spricht sich die Partei im Westen meist gegen allzu offensichtliche Annäherungen an rechtsextreme Milieus aus.
In Kandel verschwammen diese Grenzen nun zusehends: Christina Baum, stellvertretende AfD-Landeschefin in Baden-Württemberg, hatte in dieser Funktion exzessiv Werbung für die Demo vor drei Wochen gemacht – wohl wissend, dass die veranstaltende Initiative „Kandel ist überall“ eng mit der rechten Szene verbunden ist.
Doch nach dem Schock vom 3. März, als die Gegendemonstranten weit in der Unterzahl waren, regte sich etwas in Kandel: Gegen die erneute rechte Demonstration wurden Bündnisse bis hin zur CDU gegründet, auch die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) schaltete sich ein. Die Botschaft war klar: Die Stadt will nicht länger für rechte Propaganda missbraucht werden – auch nicht von der AfD.
Reines Privatvergnügen
Prompt versuchte diese zurückzurudern. Wenig glaubwürdig wurde sich von den Protesten distanziert, die Teilnahme von AfD-Abgeordneten als reines Privatvergnügen deklariert. Mit der erwartbaren Schlappe wollte die Partei nicht in Verbindung gebracht werden.
Gelungen ist ihr das nicht. Der rechte Misserfolg vom Wochenende, als die Gegendemonstranten deutlich in der Überzahl waren, dürfte den Richtungsstreit in der AfD über das Verhältnis zu rechten Demos erneut befeuern – die AfD wird damit alles andere als glücklich sein.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen