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Kommentar Frauenfußball-WMIst doch super, oder?

Jan Feddersen
Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen und Jan Feddersen

Fußball soll schön sein? Unfug. Es geht um den Wettbewerb. Und der muss knallen.

Der entscheidende, beglückende Moment: 0,2 Sekunden vor dem Ausgleichstreffer durch Wambach Bild: dapd

K urz nach Ludwigslust auf der ICE-Strecke von Hamburg nach Berlin meckert er den Schaffner an. Sei es nicht sonst üblich, dass die Bahn die Resultate der WM per Zugmikrofon mitteilt? Warum denn ausgerechnet das Viertelfinale USA – Brasilien nicht?

Der Zugchef reagierte, erstaunlich genug, mit einer halb gemurmelten Entschuldigung, man sei abgelenkt gewesen durch eine defekte Waggonheizung. Offenbar jedoch ist das Publikum dieser WM, und zwar unabhängig von Erwägungen, das Interesse ohne die deutschen Kickerinnen zu verlieren, angefixt von dieser Sorte Fußball: von Entscheidungen, bei denen am Ende eine Elf verloren hat und die andere gewonnen.

So haben es auch die Dresdner Stadionzuschauer empfunden, so wird es an den Bildschirmen empfunden worden sein: Abby Wambach gegen Marta, die Amis gegen die Brasilianerinnen – was war das für ein tolles Spiel! In Wahrheit, gemessen an den Kriterien der Schönheit, war es ein wenigstens halblausiges Spiel. Irgendwie kullerten dauernd selbst kurze Pässe zur falschen, weil gegnerischen Spielerin, landeten reihenhaushohe Flanken im Aus und drohte die Schiedsrichterin durch ihr erratisches Pfeifen die Partie zu zerstören.

Bild: privat

JAN FEDDERSEN ist Leiter des WM-Teams der taz.

In Erinnerung wird jedoch anderes bleiben, nicht die ästhetische Qualität der Begegnung. In den vergangenen gut zwei Jahrzehnten heißt es in nachgerade allen grundsätzlicheren Betrachtungen zum Fußball, auf Schönheit komme es an. Welch Missverständnis!

Beim Fußball, beim Sport überhaupt geht es ausschließlich um Tabellen, Rangfolgen, Ergebnisse – und beim Fußball eben um Tore. Die handwerkliche Güte von Kombinationen oder etwa die Raffinesse von an einer Mauer vorbeigezwirbelten Schüssen aufs Tor: Das sind beim Fußball keine Werte an sich, sondern Variablen. Wenns dem Torerfolg dient, wenn es dazu beiträgt, am Ende das eine Tor mehr zu haben als die anderen!

Insofern war das Spiel der USA gegen Brasilien eines der besten der vergangenen Jahre. Wie bei jedem Turnier, der Männer oder Frauen, gilt auch bei diesem der Frauen in Deutschland: Der Modus, dass nach einem Spiel die Elf der Unterlegenen nach Hause fahren muss, garantiert das, was jene, die zuschauen, am liebsten haben. Spannung nämlich – und stetig von der Hoffnung genährt, dieser elektrisierende Zustand werde einschließlich eines Elferschießens aufrechterhalten.

Bei der Partie der Deutschen erloschen alle Wünsche auf Erlösung mit dem Schlusspfiff. Es wollte nicht nur kein Tor fallen, es waren auch keine Chancen zu erkennen. Anders im Spiel am Sonntagabend: Wambach erfüllte das Sehnen des Stadionvolks, das auf den Ausgleich zum 2:2 hoffte. Der Treffer der nachgerade orgiastisch sich freuenden Torschützin fiel so knapp vor dem Schlusspfiff, war so perfekt in die Inszenierung der Zeit gelegt, dass auf den Rängen der Rudolf-Harbig-Arena so etwas wie Euphorie fühlbar wurde.

In diesem Jubel war endlich alle pädagogische Last von dieser WM genommen: Frauenfußball – super, oder? In diesem Treffer, der aus einer zerfahrenen Semifinalbegegnung eine packende Erzählung machte, weil alle Spielerinnen sichtlich den Eindruck machten, als sei ihnen nichts gleichgültig, und die Amerikanerinnen wirklich ihre Angriffslust lebten, lag das Geheimnis des Fußballs selbst enthalten.

Es geht nicht um Männer und oder Frauen. Es braucht nicht den gutwilligen Ton der FrauenfußballbeförderInnen. Es geht nicht um Schönheit, Kraft und Athletik. Sondern um das eine Tor mehr.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
Jan Feddersen
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Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, Meinungs- und Inlandsredaktion, Wochenendmagazin taz mag, schließlich Kurator des taz lab und der taz Talks.. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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5 Kommentare

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  • JR
    Josef Riga

    Dass Frauen Fussball spielen, braucht die Menschheit ungefähr so dringend, wie die Welt Iran als neue Nuklearmacht braucht. Als Beweis, dass "die" es auch können ... nur nicht ganz so gut, ganz, so schnell, ganz so sicher.

  • R
    runzbart

    nichts für ungut, aber herr feddersen ist offensichtlich garkein fussballfan oder gehört zu der seltenen spezies, die fan aller mannschaften ist.

     

    spiele meiner bundesligamannschaft schau ich mir immer mit voller begeisterung an und möchte auch keine minute missen, ganz egal wie rumpelig die spielen. da bleiben auch am ehesten die spiele in erinnerung, bei denen man es vor spannung kaum auf dem sitz aushält, wo am besten noch aus einem rückstand heraus in den letzten minuten noch zwei tore zum sieg fallen.

     

    alle anderen spiele sehe ich mit anderen augen. den meisten anderen mannschaften kann ich nur gelangweilt zusehn. bis auf manche spiele der spanischen nationalmannschaft und einiger vereinsmannschaften kann mich keins wirklich hinter dem ofen hervor locken und schon garnicht mitfiebern lassen.

    erst recht nicht der rumpelfussball, der die letzten tage stund um stund live übertragen wurde.

  • H
    hann0s

    Ich behaupte mal, dass das große öffentliche Interesse am Fußball schicht- und Geschlechtsübergreifend, mit dem Rumpelfußball á la 90 oder dem Frauenfußball bei vielen - nicht allen - Mannschaften dieser WM, nicht eingetreten wäre bei diesem "Sommermärchen" 2006.

    Der Fußball ist ansehnlicher geworden, das sagen sowohl "Experten" als auch laien aus meinem Umfeld. Und auch wenn die Pässe bei den Männern auch nicht 100% ankommen ist das noch meilen entfernt von den Haarsträubenden einfachsten Fehlern die es bei dieser FrauenWM gab. Sicher gibts mal nen Gomez der dann aus einemmeterfuffzich danebenhaut, aber der ist eher die Ausnahme bei den Top-Teams.

    Und ja, begegnung, Spannung, das macht noch immer einen Großteil aus, aber die spielerische Qualität ist ein Faktor den man nicht wegnegieren kann.

    Ebensowenig wie die Qualitätsunterschiede zwischen Männer- und Frauenfußball, was in anbetracht der vielen Profis und dem Geld dem gemacht werden kann auch kein Zufall ist.

  • P
    Pabst

    Frauen spielen also schlecht. Wir erinnern uns alle noch an den Fußballleckerbissen: WM-Finale Spanien gegen Holland. Traumkombinationen von beiden Seiten. Haha. Oder Italien - Frankreich 2006. Ein Spitzenspiel. Jeder Pass kommt einfach genial mit traumwandlerischer Sicherheit beim Mitspieler an. Höhö.

     

    Kim Kulig ist mit Kreuzbrandriß noch vom Feld gelaufen und nach der Untersuchung noch aufgetreten. Männer lassen sich in so einem Fall vom Hubschrauber abholen. Das ist mal hart.

     

    Die Schiedsrichterin hat regelgerecht zwei Elfmeter wiederholen lassen. Der Fernsehkommentar zum ersten war großartig: "Die Spielerin ist den Bruchteil einer zu früh reingelaufen. Das muss man nicht ahnden." Das muss man eben doch. Mann nennt es "Regeln".

    Dafür hat sie einer Brasilianerin nach Wunderheilung auf der Krankenbahre direkt eine Gelbe verpasst. Zurecht. Aber das zu Loben passt halt nicht ins Weltbild der Schlechtschreiber.

    Ich kann es verstehen, denn ich habe vor der WM genauso gedacht. Die WM hat mich eines besseren belehrt. Aber für das das Geschreibsel bekommt man als Redakteur natürlich Aufmerksamkeit.

  • K
    Kikuchiyo

    JA! Das ist es...dieses eine Tor mehr. Die Dramatik eines Theaterstücks, Katharsis, Volten, Vergebung und repräsentative Machtfiktion- dies macht erst ein Spiel zu einer Begegnung.