Kommentar Frauen in Spitzenpositionen: Quote nach Vorschrift
Endlich wirkt die Frauenquote. Mehr als vorgeschrieben wird aber nicht gemacht. Vor allem im Privaten muss sich ein Wandel vollziehen.
N a bitte, geht doch: Nach dem ersten „Quotenjahr“ gibt es tatsächlich mehr Frauen in Spitzenpositionen. Der gesetzlich vorgeschriebene Frauenanteil für Aufsichtsräte in großen Unternehmen von 30 Prozent wirkt also tatsächlich. Was wie eine kleine Sensation klingt, schrumpft bei genauem Hinschauen allerdings zusammen auf einen kläglichen Erfolg von zwei bis drei Prozent. Noch fataler: Jene Firmen, die die Quote bereits erreicht hatten, haben nicht noch weiter aufgestockt, manche haben den Frauenanteil sogar reduziert.
Nun darf man nach einem Jahr gesetzlicher Quote keine Wunder erwarten, Unternehmen können vielfach nicht so flexibel sein, wie die Politik sich das wünscht. Dennoch bleibt die erschreckende Erkenntnis, dass Zwang nur begrenzt zur Geschlechtergleichstellung beiträgt: Mehr als vorgeschrieben wird nicht gemacht. Anzunehmen ist allerdings auch, dass ohne Quote gar nichts passiert wäre.
Offensichtlich scheinen viele Unternehmen und Chefetagen nach wie vor nach traditionellen Leitbildern zu funktionieren: Männer geben gern den Ton an und achten darauf, unter sich zu bleiben. Frauen, die in der Regel zu mehr Diversität beitragen, sollen bitte schön draußen bleiben. Dieses Beharrungsvermögen sorgt weder für eine neue, offenere Unternehmensphilosophie noch für den vielbeschworenen Kulturwandel.
Das Problem ist dabei: Wer seinen Blick – so wie viele Chefs und Manager – nicht weitet, erkennt nicht, dass mehr Vielfalt nicht nur für bessere Unternehmensergebnisse, sondern auch für eine größere Zufriedenheit der Mitarbeitenden sorgen kann. Alle sprechen von der Work-Life-Balance, nur umsetzen will sie offensichtlich kaum jemand. Der Kulturwandel muss auch privat vollzogen werden. Auf eine schlichte Formel gebracht heißt das: den Frauen mehr Erwerbsarbeit und raus aus der Teilzeitfalle, den Männern mehr Macht im Haushalt und bei der Kindererziehung. Mitunter müssen das Paare täglich neu ausfechten.
Wer nachts also ohne schlechtes Gewissen das Handy ausschalten und damit den Job außen vor lassen darf, wer nach Feierabend nicht zur nächsten Sitzung eilen muss, wer mehr Zeit mit Familie, Freunden und sich selbst verbringt, der lebt gesünder und glücklicher. Davon haben alle etwas: die Familien ebenso wie die Unternehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku