Kommentar Flüchtlingsstreit in der Union: Kein Wunder, dass es kracht
Sich 2018 im Amt des Innenministers als Anti-Flüchtlings-Hardliner zu inszenieren, ist nicht einfach. Deshalb legt sich Seehofer erneut mit der Kanzlerin an.
H orst Seehofer lässt die Vorstellung seines monatelang angepriesenen Masterplans Migration platzen, er sagt die Teilnahme am Integrationsgipfel ab, gegenüber der Kanzlerin zeigt er sich nicht einen Millimeter kompromissbereit. Was macht der Innenminister da eigentlich, fragt man sich angesichts des Streits um seinen Plan, Flüchtlinge schon an den deutschen Grenzen abzuweisen.
Wer verstehen will, warum Seehofer tut, was er tut, muss sich die Vorgeschichte seiner Amtszeit vor Augen führen. Denn der Bayer hat ein Problem: Seinen Ministerposten angetreten hat er als Hardliner der CSU, der jetzt mal so richtig aufräumen wird mit der Asylpolitik – also in der Krawall-Rolle, die er im Flüchtlingssommer 2015 übernommen hat. Nur: Seitdem ist viel passiert. Eine Asylrechtsverschärfung nach der anderen wurde verabschiedet, die Balkanroute deutlich erschwert, der EU-Türkei-Deal beschlossen. Die Flüchtlingszahlen sind rapide gesunken, für die, die schon hier sind, ist es härter geworden – Stichwort Familiennachzug.
Das bedeutet: Sich 2018 im Amt des Innenministers als Hardliner in der Flüchtlingsfrage zu inszenieren ist nicht gerade einfach. Der allergrößte Teil des Spielraums ist längst ausgeschöpft. Was bleibt, ist genau die Forderung, die jetzt zum Krach führt: die Einführung massiver Grenzkontrollen in der EU mit dem Ziel, dass praktisch überhaupt kein Flüchtling jemals wieder deutschen Boden betreten kann.
Dass Merkel diese Forderung ablehnt, ist keineswegs auf ihre humanitären Ansprüche zurückführen. Seehofers Plan ist schlicht absurd. Rechtlich wäre diese Praxis höchst umstritten, politisch hätten Grenzkontrollen tiefgreifende Verwerfungen in Europa zur Folge. Höchst zweifelhaft, dass der Innenminister selbst an die Umsetzbarkeit glaubt. Wahrscheinlicher ist, dass sie ihn wenig kümmert. Für seine Hardliner-Inszenierung mag es am Ende gar nicht entscheidend sein, ob die Forderungen umgesetzt werden oder ob er als der Innenminister gilt, der ja wirklich gerne aufgeräumt hätte. Sie ließen ihn nur nicht.
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