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Kommentar Flüchtlinge in LibyenEuropas Doppelmoral in Afrika

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Der Horror in Libyens Internierungslagern ist bekannt. Ruanda bietet an, internierte Flüchtlinge aufzunehmen. Auch weil Europa untätig bleibt.

Im Internierungslager Gharyan (Libyen) leben Flüchktlinge in vergitterten Containern Foto: reuters

J eder kennt die himmelschreienden Zustände in den Lagern und Gefängnissen, wo libysche Warlords, Banditen, Mafiabosse und Behördenvertreter afrikanische Flüchtlinge festhalten: Zu Hunderten im eigenen Kot zusammengepfercht; ohne Wasser und Nahrung; erpresst, gefoltert und vergewaltigt; und eben auch als Sklaven verkauft.

Internationale Organisationen haben es dokumentiert, UN-Stellen haben sich empört, Journalisten, Diplomaten und Menschenrechtsbeobachter beklagen regelmäßig diese Stätten des Horrors, die man eigentlich Konzentrationslager nennen müsste.

Wenn Europa seine angeblich europäischen Werte ernst nehmen würde, könnte es da nicht untätig bleiben. Wer Ausbildung für libysche Sicherheitskräfte und Ausrüstung für Libyens Küstenwache auf die Beine stellen kann, der müsste auch in der Lage sein, diese Menschen aus ihrem Elend herauszuholen, in dem sie schließlich nur deswegen stecken, weil Europa sie nicht legal einreisen lässt.

Aber Europa tut nichts, sondern freut sich, wenn aufgrund seiner Abschottungspolitik die Zahl der Boat People auf dem Mittelmeer zurückgeht, obwohl dadurch die Zahl der Festsitzenden in Libyen weiter steigt.

Nun wagt Ruanda einen Vorstoß und bietet an, 30.000 Internierungsopfer aus Libyen aufzunehmen. Die Afrikanische Union ist begeistert. Es wäre einfach, das Angebot als Propaganda abzutun, aber dafür sitzt die Erregung in Afrika über die Zustände in Libyen mittlerweile viel zu tief.

Ruanda hat vor 23 Jahren erlebt, wie die Welt untätig blieb, als aufgehetzte Milizen und Soldaten eine Million Menschen abschlachteten, weil sie Tutsi waren. Weiße wurden damals von europäischen Eingreiftruppen gerettet, Schwarze dem Tod überlassen. Würde Europa in den libyschen Horrorlagern untätig bleiben, wenn dort Weiße säßen statt Schwarze?

Europas Doppelmoral in Afrika wird vorgeführt. Hoffentlich bewirkt es etwas.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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6 Kommentare

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  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Danke für diesen mutigen Kommentar.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      Was ist daran den mutig? Heldentum zum Nulltarif. Was soll dem Schreiber den passieren?

  • Ganz so selbstlos scheint das Angebot Ruandas nicht zu sein. Das Land ist ebenso wie Uganda schon seit einiger Zeit mit Israel "im Geschäft". Die dortigen Medien sprechen von ca. 5000 USD Kopfprämie und Waffengeschäften als Gegenleistung für die Aufnahme von Flüchtlingen. Gut möglich also, daß man sich jetzt dem "europäischen Markt" zuwendet, um der Einrichtung eines EU-Lagers im Niger zuvorzukommen.

  • 3G
    38071 (Profil gelöscht)

    und wir erinnern uns auch gerne daran, wie die Grünen damals die deutsche Enthaltung im UN-Sicherheitsrat kritisiert haben [...]







    Wie sagten sie damals: „Wir halten die Maßnahmen der Vereinten Nationen insgesamt politisch für notwendig, um die Bevölkerung vor schwersten Menschenrechtsverletzungen zu schützen.“

     

    Kommentar gekürzt. Bitte verzichten Sie auf überzogene Polemik. Danke, die Moderation

  • Europa hat schon genug getan für Libyen. Zb. indem es dem Land geholfen hat den "irren Schlächter" Gaddafi loszuwerden. Libyen ist ein Land, wie die EU es sich nur wünschen kann an ihrer Peripherie: Zerstört, korrupt, in einem permanenten Zustand des Bürgerkriegs und ganz wichtig: rassistisch. Pulse of Europe!

    • @Sandor Krasna:

      Gaddafi gilt als einer der wenigen nordafrikanischen Regierungschefs, die sich für die Union Afrikas einsetzten - wenn nicht gar der einzige.

      Er war damit philosophisch und ethisch (nebst dem machtpolitischen Kalkül) den meisten Menschen voraus, die heute bspw. noch nicht mal den afrikanischen Ursprung des ägyptischen Reichs anerkennen.

       

      Den Menschen Schwarzafrikas ging es in Libyen lange nicht so schlecht wie heute. Europa ist dafür mitverantwortlich und nicht Retter in der Not.