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Kommentar Flucht aus Maghreb-StaatenGescheiterte Armutsmigration

Edith Kresta
Kommentar von Edith Kresta

In Tunesien ist der Gedanke an Flucht längst ein Teil der Jugendkultur geworden. Die kümmert sich nur wenig um Obergrenzen und Abkommen.

Wenig Perspektive: Protest eines Arbeitslosen Ende Oktober vor dem Arbeitsministerium in Tunis Foto: reuters

K riminelle Vergangenheit, gescheiterte Existenz, bereit zu allem – das Bild von Anis Amri passt wunderbar zu einem gescheiterten IS-Loser. Der Fall Amri zeigt aber auch, dass die Odyssee nicht anerkannter Flüchtlinge durch Europa eine Zeitbombe sein kann. Arbeitslos, haltlos, frustriert, als einziges Auskommen die Beschaffungskriminalität, dazu Drogen, auch die Droge Islamismus. Ein menschliches Desaster, das zur gesellschaftlichen Bedrohung wird.

Amirs Biografie erzählt auch von der Schwierigkeit, politische Antworten auf Migration zu finden. Die umstrittene Einstufung der Maghreb-Staaten Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsländer hätte im Fall des mutmaßlichen Täters von Berlin jedenfalls nicht geholfen. Sein Asylantrag war bereits negativ beschieden worden. Wird der Asylantrag abgelehnt, ist man nur noch geduldet. Ein unsicherer, demütigender Status. Manchmal dauert dieser Zustand, jederzeit abgeschoben werden zu können, viele Jahre. Das ist unhaltbar.

Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hat deshalb mit Tunesien eine beschleunigte Abschiebung abgelehnter Asylbewerber vereinbart, mit Marokko, Algerien und Tunesien über vereinfachte Abschiebungen von Flüchtlingen aus diesen Ländern verhandelt.

Das politische Tauziehen um Asylrecht, sichere Herkunftsstaaten und die Kritik daran ist der einzig demokratische Umgang mit der Herausforderung Migration. Rückführungsabkommen, Obergrenzen, sichere Herkunftsländer müssen von Politikern kompetent ausgehandelt werden, jenseits von Biertischgeschwätz und Hysterie. Aber durchaus auch im Interesse der eigenen Gesellschaft.

Allerdings kann man Migration und Mobilität nicht wie den Verkehr regeln. In Ländern wie Tunesien ist der Gedanke an Flucht längst Teil der Jugendkultur geworden. Und die lässt sich nur begrenzt von Obergrenzen und Abkommen aufhalten.

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Edith Kresta
Redakteurin
Schwerpunkte: Reise und Interkulturelles. Alttazzlerin mit Gang durch die Institutionen als Nachrichtenredakteurin, Korrespondentin und Seitenverantwortliche. Politologin und Germanistin mit immer noch großer Lust am Reisen.
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9 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • Sehen Sie die deutschen Polizisten beim Training der Tunesischen Trainer auf

    Zeit online http://www.zeit.de/2016/45/fluechtlinge-grenze-schutz-tunesien-ueberwachungstechnik/komplettansicht

  • Die nicht funktionierende Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III) und die Zusammenarbeit in der EU nicht zu vergessen. Immerhin kam er über Italien und hat dort zum ersten mal Asyl beantragt, wurde abgelehnt, straffällig, radikalisierte sich vermutlich dort im Gefängnis und konnte bereits von Italien nicht nach Tunesien abgeschoben werden.

    • 8G
      81331 (Profil gelöscht)
      @JoWall:

      genau, "radikalisierte sich dort im Gefängnis". Menschen kommen voller Hoffnung in die sog. EU. Doch hier werden sie erstmal in Auffanglager gesteckt, dicht an dicht, wie Sardinen...

      • @81331 (Profil gelöscht):

        vorher war er auch nicht gerade eine Musterknabe. In Tunesien hat er 6 Jahre wegen Raubes offen, wohl auch ein Fluchtgrund.

  • Alle nordafrikanischen Ländern scherren sich nicht um Jugendliche, nur die Eliten sorgen für sich selbst. Selbst auf dem ultrareichen Algerien wollen Tausende Menschen ausreisen, viele davon sogar gut-ausgebildet. Diese Staaten weisen auch alle Elemente einer Gerontokratie auf - Tunesien schüttet dreweil sein Staatsvermögen über den öffentlichen Dienst aus und in Libyen regiert die Gewalt. Für mich steht eines fest: Deutschland löst nicht die inneren Probleme dieser Länder, schon gar nicht deren Alt-Jung-Problem. Aber die Regierung kann in Sachen Ausbildung, Studium und Bildung durchaus helfen - das sollte gemacht werden.

    P.S. Ob Algerien oder mit Marokko mit ihren mächtigen Sicherheitsapparaten wirklich sicher sind? Also, da bestehen Zweifel ...

    • @Andreas_2020:

      Also kümmern wir uns um die nordafrikanische Jugend hier bei uns. Das schafft Arbeit für Tausende in der Sozialwirtschaft und in den Sicherheitsbehörden. Die vor einiger Zeit noch polemisierte Forderung, dass Arabisch Schulpflichtfach wird, macht mittlerweile durchaus Sinn ...

      • @TazTiz:

        Also, ich bin nicht dafür, außerdem geht das gar nicht. Algerien, Marokko, Tunesien, Mauretanien, Libyen und Ägypten müssen ihr Bildungs- und Ausbildungssystem selber in den Griff kriegen. Dabei kann Deutschland ein kleines Stück helfen - mehr nicht.

  • Es ist ja ganz schön, wenn hier viele Dinge genannt werden, die sorgfältig ausgehandelt werden müssen. Ich stimme auch zu, dass jahrelange Duldung ein nerv- und gemütstötender Zustand ist. Warum wurde ein wesentlicher Akteur in diesem Drama überhaupt nicht benannt?

     

    Tunesien hatte sich geweigert Amri nach dem Gefängnisaufenthalt in Italien zurückzunehmen. Daraufhin hat ihn Italien ausgewiesen und er kam in Deutschland an. Auch die Ausweisung aus Deutschland scheiterte daran, dass Tunesien Papiere für seinen Staatsbürger bereitstellte.

     

    Wenn Amri aus Italien nach Tunesien ausgewiesen worden wäre, wäre er nicht in Berlin LKW gefahren, also hätte eine zügige Ausweisung sehr wohl etwas gebracht.

  • 1G
    10236 (Profil gelöscht)

    Die Gesellschaften des Nahen Ostens und Nordafrikas haben demografische Probleme (komischerweise umgekehrte als hierzulande - dazu später) gepaart mit politischer und religiöser Konfliktanfälligkeit. In den letzten 50 Jahren ist die Bevölkerung in diesen Ländern um ca. 300%-400% gestiegen und brachte diese Länder an ihre resourcenbedingte Grenzen. Ähnliche Entwicklung machte zwar auch Israel, allerdings mit einer völlig anderen Situation (Agrarsektor, Wirtschaft, Finanzkraft, Unterstützung).

     

    Es mag jetzt für viele scheinen, dass hier ein perfekte Matchingsituation exisitert - zu viele Jungen dort, zu wenige da. Aber, abgesehen von religiöser/kultureller Problematik, unsere Ökonomie ist gar nicht bereit und fähig diese Menschen anzunehmen. Es sei denn als lohndrückende Reserve.