Kommentar Fifa-Skandal: Der Ball darf nicht wieder rollen

Ein Boykott von Turnieren durch die Europäer könnte die Fifa-Festung zum Einsturz bringen. Doch die Uefa ist selbst zu sehr in das System verstrickt.

Platini, Blatter und Beckenbauer in kurzen Hosen

Funktionäre (nicht im Bild: in kurzen Hosen): Uefa und Fifa sind oft sehr nah Foto: dpa

Fifa-Skandale mögen noch so große Erschütterungen erzeugen, einen Sturz von Sepp Blatter, dem allmächtigen Führer des Weltfußballverbands, kann sich selbst nach den Ereignissen von Zürich niemand recht vorstellen.

Zum einen mag das an seiner allseits bewunderten Unverwundbarkeit liegen. Gewisse Begrifflichkeiten sind dem 79-jährigen Schweizer ja völlig fremd. „Krise? Was ist eine Krise?“, fragte er einst, als sein Verband sich mal wieder Korruptionsvorwürfen ausgesetzt sah. Zum anderen aber hat das mit der Harmlosigkeit seiner Gegner zu tun.

Der europäische Verband, der sich nun als letzte moralische Schutzmacht des Fußballs geriert, titelte auf seiner Homepage: „Uefa zeigt dieser Fifa die Rote Karte.“ Ähnlich wirkungsvoll hat der Verband auch schon dem Rassismus einen Platzverweis erteilt. Wer solche Gegner hat, muss um seine Macht nicht bangen.

Man mag der Uefa zugute halten, dass sie ihre symbolische Handlung mit handfesteren Forderungen verknüpfte: Die europäischen Funktionäre wollten die Fifa-Präsidentenwahl verschieben. Sogar einen Boykott zog man in Erwägung. Die Wiederwahl von Blatter am Freitag würde all das gewiss nicht verhindern.

Fifa-Chef Joseph Blatter hat im Korruptionsskandal beim Fußball-Weltverband jede persönliche Verantwortung von sich gewiesen. „Ich weiß, dass viele mich für verantwortlich halten ... Ich kann aber nicht ständig auf alle aufpassen“, sagte Blatter am Donnerstagabend bei der Eröffnung des Fifa-Kongresses in Zürich.

Blatter räumte einen großen Vertrauensverlust wegen der Korruptionsermittlungen gegen Fußball-Spitzenfunktionäre ein. „Wir müssen morgen damit beginnen, es zurückzugewinnen.“ Am Freitag kandidiert der 79-Jährige für eine fünfte Amtszeit.

Wenn die Uefa wirklich nachhaltige Veränderungen anstrebt, sollte sie die Gunst der Stunde nutzen. Ein genaueres Studium des Gegners könnte der Uefa helfen. Als in Brasilien die Furcht vor sozialen Unruhen während der sündhaft teuren WM groß war, erklärte der erfahrene Blatter gelassen: „Wenn der Ball rollt, wird das aufhören.“ Er behielt recht.

An diesem Punkt sollte die Uefa ihre Boykottgedanken ansetzen. Der Ball darf nicht wieder ins Rollen kommen. Ein Boykott der Qualifikation für die WM 2018 in Russland wäre ein erster Schritt. Auch von der Frauen-WM, die Anfang Juni in Kanada beginnt, sollten die europäischen Verbände ihre Teams zurückziehen. Ein derartiges Beben würde die Fifa-Festung zum Einsturz bringen.

Derartige Erschütterungen liegen indes nicht im Interesse der Uefa. Auch wenn deren Chef Michel Platini am Donnerstag einen Rückzug der europäischen Teams nach einer Blatter-Wahl nicht ausschließen wollte. Das ist nicht viel mehr als PR in eigener Sache. Der Verband ist zu sehr in das System verstrickt. Als ein zypriotischer Funktionär Schmiergeldzahlungen bei der Vergabe der EM 2012 anprangerte, saß man die Anschuldigungen aus und wartete, bis der Ball rollte.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.