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Kommentar EinwanderungsgesetzZu lange gewartet für zu wenig

Volkan Ağar
Kommentar von Volkan Ağar

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist weder pragmatisch noch eine gute Lösung – denn die Koalition macht es den Menschen nicht gerade leicht.

Hadeiatou aus dem afrikanischen Guinea lernt an der Berufsschule Bremen Schweißen Foto: dpa

D as Kabinett hat endlich ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz verabschiedet. Ein Schritt, auf den man lange warten musste und dessen objektive Notwendigkeit eigentlich kein politisches Lager bestreiten kann. Links der Mitte klagt man, dass ein fehlendes Einwanderungsgesetz sozial und beruflich angekommenen Migranten das Leben erschwert. Bewegt vom ökonomischen Interesse rufen zudem Unternehmer – auch konservative – nach einem pragmatischen Umgang mit qualifizierten Migranten, die entweder schon da sind oder noch kommen sollen.

Die einen bekommen jetzt also ihren Humanismus, die anderen ihre Fachkräfte – wo liegt das Problem? Darin, dass es beim Fachkräfteeinwanderungsgesetz und dem Gesetz zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung nicht um eine pragmatische, gute Lösung für alle geht. Sondern um Ideologie und Parteiprofil – vor allem für die Union.

Jetzt, wo Konservative nach der Wahl des neuen CDU-Vorsitzes die Merkel-Ära als beendet wähnen, wäre es für sie fatal, zu liberale Signale in puncto Migration zu senden. Das Gesetz muss kommen, die mächtigen ökonomischen Sachzwänge drängen. Man schränkt aber da ein, wo es noch geht – auch gegen eigene ökonomische Interessen.

Die Koalition einigte sich deshalb einerseits auf ein Gesetz, das qualifizierten Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten zwar erlaubt, ohne Arbeitsvertrag nach Deutschland zu kommen, um einen Job zu suchen. Sie macht es den Menschen aber nicht leicht: Sie müssen ausreichend Deutsch sprechen, den eigenen Lebensunterhalt sichern und haben nur sechs Monate Zeit, Arbeit zu finden.

Alles andere als großzügig

Gerade aber bei denen, die schon da sind, hier arbeiten oder eine Ausbildung machen, will der konservative Koalitionspartner auf keinen Fall zu liberal erscheinen. Denn er wittert die Gefahr, dass abgelehnte Asylbewerber sich ein Bleiberecht erschummeln könnten. Oder zumindest, dass potenzielle Wähler das denken könnten.

Deshalb fällt das Gesetz zur Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung ebenso voraussetzungsvoll aus: Geduldete Personen müssen unter anderem seit mindestens 18 Monaten in Deutschland arbeiten. Dann erst bekommen sie eine Beschäftigungsduldung von 30 Monaten. Ein dauerhafter Aufenthaltstitel könnte dann folgen. Das ist alles andere als großzügig. Dass das Kabinett die Frage der Geduldeten in ein eigenes Gesetz auslagert, zeigt, welch symbolisches Gewicht sie hat.

Es gibt also keinen Paradigmenwechsel in der Einwanderungspolitik. Nur eine zutiefst verunsicherte konservative Partei, die um Ecken und Kanten kämpft. Auch das ist ein Erbe Merkels.

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Volkan Ağar
Redakteur taz2
Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.
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7 Kommentare

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  • Volkswagen, Siemens, Deutsche Bank... kaum ein DAX Konzern, der keine Entlassungen von tausenden Mitarbeitern angekündigt hat:



    Es gibt keinen Fachkräftemangel, nur zu hohe Gehälter bei diesen gut ausgebildeten Arbeitnehmern!

  • Ich kann mir ein Visum für ein Land besorgen und mich dort 6 Monate nach Arbeit umsehen.

    Ich muss nur meinen Lebensunterhalt in dieser Zeit allein bestreiten und die Sprache etwas können.

    Die beiden letzten Punkte halte ich für eine Selbstverständlichkeit.

    Ich würde auch nicht nach Norwegen ziehen, ohne vorher Norwegisch gelernt zu haben.

    Das hört sich für mich nach einem fairen Angebot an.

    Ich habe nicht verstanden, was daran "nicht leicht" sein soll.

    Manch traditionelles Einwanderungsland ist weniger großzügig.

  • Solange Mio. Einwohner dieses Landes arbeitslos sind, ist es eine sehr berechtigte Frage, zu sagen, wer ist denn überhaupt eine Fachkraft, Arbeitskraft?

    Das Arbeitgeber mit den Menschen spielen, sie gegeneinander ausspielen können, liegt auf der Hand.



    Genau daran liegt auch der Sinn, wenn zugewanderte Fachkräfte hier nicht so schnell rein kommen, damit hält man sie klein, integriert sie bewusst später und presst sie in die soziale und wirtschaftliche Machtpyramide.

    Die steht nämlich immer mit auf der Agenda, wenn der Arbeitsmarkt für ausländische Arbeitnehmer geöffnet wird.

    Und mehr als 2 Mio. Personen sind offiziell arbeitslos, die Linke geht von 3 Mio. aus und Berechnungen, die Reserven und gesetzliche Verrentungsregeln beinhalten, kommen auf 4 Mio. und es könnten noch mehr sein.

    Wenn dringend Arbeitskräfte benötigt werden, warum greifft man nicht auf diese Arbeitskräfte zurück?

    Warum ändert man das Schulsystem nicht, erhöht die Anzahl an Lehrern in Schulen in sog. Brennpunktgebieten und verhindert, dass sich Absolventen direkt beim Jobcenter anmelden?

    Warum schieben Ausländerbehörden gut integrierte, arbeitsfähige Afghanen ab?

    Der Staat agiert hier auf mehreren Ebenen und will im Kern nur eins: Willlige, eingepresste, dem Staat ausgelieferte Arbeitnehmer, die alles schlucken, denn wir reden hier in der Regel nicht über Arbeitsplätze, wo eine starke Gewerkschaft seit den 1950ern die Tarifverträge aushandelt, sondern über Buden, wo der Chef in der Regel alles bestimmt, wo Arbeit immer billig sein soll, aber der Nachbarbetrieb bitte immer mehr bestellen soll, selbstverständlich auch die Belegschaft gut bezahlt.

    • @Andreas_2020:

      Sie fragen: "Wenn dringend Arbeitskräfte benötigt werden, warum greifft man nicht auf diese Arbeitskräfte zurück?"



      Ich leite einen Betrieb, und ich stelle Menschen ein. Ich antworte Ihnen mit meinen Erfahrungen: Die Inländer, die heute noch arbeitslos sind, kann man nicht einstellen. Diese Menschen wollen/können einfach nicht arbeiten. Entweder fehlt jegliche Moptivation, oder jedwedes Können.

      Ich empfehle Ihnen, sich einmal die Lebensläuife in den Stellengesuchen auf den Internetseiten des Jobcenters anzusehen. Danach überlegen Sie sich, wen von den Kandidaten SIE einstellen würden...

  • Als Wähler der Konservativen bin ich der Meinung, dass dieses Gesetz mehr als genug ist. Ich hätte mir ehrlich gesagt auch eine zeitliche Beschränkung gewünscht, damit das Gesetz auch nochmal zwingend auf den Prüfstand kommt und eroiert werden kann, ob die gewünschten Ziele auch wirklich erreicht wurden.

    Wenn Sie ein noch laxeres Zuwanderungsrecht für angebracht halten, müssen Sie auch sinnvolle Vorschläge machen wie wir dann unsere sozialen Leistungen künftig strukturieren.

    • @insLot:

      Genau - wenn wir in Kürze genug arische Ärzte, Pfleger, Elektriker und Fliesenleger haben, schicken wir die Menschen einfach wieder weg. Oder was haben sie mit ihnen vor?

      • @Gregor Tobias:

        Das habe ich nicht gemeint und auch nicht geschrieben! Mir geht es darum, dass man gezwungen ist noch einmal hinzuschauen und gegebenenfalls nachzujustieren. Es ging mir nicht darum die Menschen, welche dann schon da sind wieder weg zu schicken oder ihnen ihren Status abzuerkennen.