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Kommentar EU-Sanktionen RusslandDie EU wird nicht klug

Eric Bonse
Kommentar von Eric Bonse

Stufe 3: Die Europäische Union bereitet sich auf einen Handelskrieg mit Russland vor. Dabei ist sie denkbar schlecht gerüstet.

Merkel steht mit dem Rücken zur Wand – und sitzt in Brüssel im Regen Bild: reuters

B ei ihrem zweiten Ukraine-Krisen-Gipfel binnen 14 Tagen legen sich die EU-Chefs anscheinend weise Zurückhaltung auf. Anders als US-Präsident Obama, der am Donnerstag eine russische Bank mit Sanktionen belegt hat und weitere harte Wirtschaftsstrafen vorbereitet, schrecken Merkel und Co. zunächst vor einer weiteren Eskalation zurück.

Zwar wurde die EU-Sanktionsliste um 12 Personen auf nunmehr insgesamt 33 „Ziele“ ausgeweitet. Doch die Stufe 3 mit schmerzhaften ökonomischen Daumenschrauben wurde noch nicht ausgelöst. Die Europäer lassen der Diplomatie noch eine - möglicherweise letzte - Chance, könnte man meinen. Hat sich Merkels besonnener Kurs durchgesetzt?

Nein, dieser Eindruck täuscht. Genau wie in Washington verspüren auch in Brüssel die Falken Oberwasser. Merkel steht mit dem Rücken zur Wand, im Schulterschluss mit Obama machen Polen und Osteuropäer gewaltig Druck. Einen ersten Erfolg können sie bereits vermelden: Die EU-Kommission wird beauftragt, die Stufe 3 aktiv vorzubereiten.

Dass sie bisher noch nicht ausgelöst wurde, liegt weniger an Merkel, die im Bundestag ja auch schon mit ökonomischen Strafen gedroht hat. Es liegt vor allem daran, dass die EU auf einen Handelskrieg denkbar schlecht vorbereitet ist. Wenn Putin wie angedroht zurückschlägt, könnte er vor allem kleinere Länder wie die Slowakei oder Österreich empfindlich treffen.

Die EU muss also erst einmal die Reihen schließen und Solidarität nach innen organisieren, bevor sie härter auftreten kann. Jetzt rächt es sich, dass man sich völlig unvorbereitet auf einen Konflikt mit Russland eingelassen hat. Doch aus ihren zahlreichen Fehlern in der Ukraine-Politik wird die EU immer noch nicht klug: Heute soll auch noch das Assoziierungsabkommen mit Kiew unterschrieben werden, das die Krise erst ausgelöst hat.

Damit schafft auch Europa Fakten, genau wie Putin auf der Krim. Die EU gibt ihre Unterschrift einer Regierung, die nicht vom Volk gewählt wurde und einige nationalistische Hitzköpfe in ihren Reihen hat. Sie wartet nicht einmal auf die Wahl im Mai, obwohl sie ständig das Wort Demokratie im Munde führt. Eine vertrauensbildende Maßnahme ist dies gewiß nicht, eher noch ein falsches Signal aus Brüssel.

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Eric Bonse
EU-Korrespondent
Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog
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14 Kommentare

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  • Es geht nicht mehr darm zu fragen/ zu argumentieren: " wer hat Recht" - " Wer ist Gut oder Böse" etc. um Sanktionen und/ oder Kriegstrommelei zu begründen!

    Es geht darum Frieden und Harmonie, Dialog und höfliche Kommunikation zu fördern!

    Ich mag die Sprache und die rationale Rhetorik der Eskalation nicht!

    Es sind offensichtlich neue geopolitische Konstellationen entstanden, na und? Das sind m.E. nur Herausforderungen an Politik, Kultur und Ökonomie das es friedlich- konstruktiv weitergeht!

  • Na, immerhin ist die EU besser auf einen Handelskrieg vorbereitet als Russland. Russland mit seiner seit Jahrzehnten brach liegenden Industrie hat nur Gas und Öl, die EU hat dagegen durchaus Alternativen. Ach ja, und die ach so starken BRICS Staaten sind mit Ausnahme von China nichts anderes als Luftblasen, künstlich aufgeblasen ohne Substanz.

  • Mal vom Euphemismus abgesehen, die illegale Regierung von Banderastan habe "einige nationalistische Hitzköpfe in ihren Reihen" in ihren Reihen: was an dem Artikel 'gut' sein soll, erschliesst sich mir nicht. 'Weise Zurückhaltung' ist nicht zu erkennen, nur das Spannungsfeld zwischen ölonomischen Interessen und politischer Strategie. Der Autor kriegt es aber nicht auf die Reihe.

     

    Vergessen wir nicht, der Putsch in Kiew wurde von Merkels CDU und der ihr nahestehenden Konrad-Adenauer-Stiftung mitgesponsort. Sie wollte und will Krieg mit Russland, anstatt der gemeinsamen Suche nach einem Kompromiss.

     

    Das Spiel des 'Regieme Change' hatte nun mit der Krim einen spürbaren, aber absehbaren Blowback. Merkel muss nicht die Backen blasen und von Völkerrrecht erzählen, an das sich der Westen die letzten 25 Jahre nicht gehalten hat.

     

    Jetzt beginnt sie also den Wirtschaftskrieg, den sie - zusammen mit Obama - nur verlieren kann, wie Pepe Escobar http://theanondog.i2p.us/cgi-bin/src.py?140321030 aufzeigt: Da ist nicht nur das russische Gas, von dem Europa abhängig ist. Da ist auch noch der Petrodollar, dem Russland zusammen mit den anderen BRICS-, SCO- und 'Non-Aligned'-Staaten den Garaus machen kann.

     

    Das ist dann, wie Escobar schreibt, 'das Ende der Comedy-Stunde'. What next? Die militärische Auseinandersetzung? Oder jagen wir Merkel und Steinmeier vorher lieber aus dem Reichstag?

    • @h4364r:

      es kommt halt immer darauf an welche Propagandamärchen man selbst glauben will. Wenn es nicht mehr der Petrodollar sein soll, zahlen wir eben künftig in Rubel

  • Nur mal angenommen , Russland-Putin reagiert auf den "unfreundlichen Akt" des EU-Assoziierungsabkommens damit , auf den nächstbesten Vorwand hin militärisch die Ost- und Südukraine zu besetzen . Was dann ? Bürgerkrieg der (Rest-)West-Ukraine mit Nato-unterstützung gegen (Russland-)Ost/Süd-Ukraine ? Das dürfte dann ("nebenbei"...) endgülig zeigen , dass Völkerrecht im Verhältnis zwischen Großmächten letztlich nur Gerede ist , im Verhältnis zwischen Großmächten und (nicht-atomar bewaffneten) anderen Staaten ein "Recht" nach Belieben ersterer .

  • Schöner Titel - "Die EU wird nicht klug" sehr diplomatisch für "Die EU bleibt dumm" :-)

    • @muds0r:

      Der richtige Titel wäre evtl:

      "Aus dieser EU wird nie etwas"!

  • Ria Novosti meldet, dass es sich bei den Scharfschützen auf den Maidanprotesten um ukrainische Staatsbürger handelte, wie der ukrainische Generalstaatsanwalt bekannt gab. Quelle auch die Agentur Unian. Also kann es isch nicht um russische Kräfte gehandelt haben, wie der Westen gern unterstellte:

    http://de.ria.ru/post_soviet_space/20140321/268083993.html

  • " Merkel steht mit dem Rücken zur Wand(!), im Schulterschluss mit Obama machen Polen und Osteuropäer gewaltig Druck. "

    Obama-USA , ökonomischer Scheinriese auf dem Mount Everest von Scheindollars , verbündet sich mit den ökonomischen Zwergen des "Neuen Europas", und diktiert Merkel , was zu tun sei ? Bisher hatte man noch keinen Anlaß zu denken , dass Merkel ohnmächtig , töricht oder dumm sei .

  • Jemand hatte (richtig) gesagt , der Westen habe in Sachen Ukraine alles falsch gemacht , was man falsch machen könne . Dieser Politik bleibt man offenbar weiterhin treu . Durch den Abschluß des Assoziierungsabkommens zum j e t z i g e n Zeitpunkt mit d i e s e r nicht gewählten Regierung der Ukraine besiegelt man die zu recht erhobenen Vorbehalte gegen diese Politik . Der show-down kann beginnen .

    Warum nicht noch mal ein bißchen Weltkrieg ! Dann wären doch alle Probleme gelöst !

    • @APOKALYPTIKER:

      Genau so sieht es aus.

       

      Und ich stelle anschließend die Frage: Wem nützt es?

      Ich denke, kein Europäer ist wild auf einen Krieg in Europa - bei den US Amerikanern dagegen wäre er aufgrund der innenpolitischen Situation fast zwingend notwendig.

       

      @vergessene liebe

      Von SPD, CDU & Konsorten ist nichts anderes zu erwarten gewesen. Bei den Grünen sind alle plötzlich ganz baff, was da für braune Töne und Verbindungen offen gelegt werden. Jedoch - wer einmal das aktuelle Spitzenpersonal der Grünen und seine Verbindungen zu amerikanischen NGos googelt, wird auf überraschendes stoßen.

       

      Analog haben heute die Nachdenkseiten einmal die Verknüpfungen einiger deutscher sog. Spitzenjournalisten nach Amerika aufgezeigt.

      http://www.nachdenkseiten.de/?p=21155

      Interessante Lektüre.

    • @APOKALYPTIKER:

      Ja! Gut erklärt... jedoch `was nun´?

      Anstatt all dieser überdrehten Sanktionen und Drohungen.. und diesem Respekt gegenüber der Putschregierung mit Rechtsdrall..

      (jetzt wird die NPD etc. in der EU salonfähig- das könnte die ganze EU militarisieren... die EU könnte zerbrechen!)

      Gut wäre eine Politik der Deeskalation mit pazifistisch- humanen Argumenten! Was ist mit den GRÜNEN los?

  • Danke für den guten Beitrag. Ich hatte schon befürchtet, dass Journalisten von taz, FAZ, Zeit, ... und Fernsehen völlig von ihrer Leserschaft abgekoppelt sind.

    • @XXX:

      Guter Artikel, da schließ ich mich mal an.