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Kommentar Dieselgate-AbschlussberichtAngriff auf die Fakten

Bernhard Pötter
Kommentar von Bernhard Pötter

Der Abgasskandal-Bericht der Regierungsfraktionen im Bundestag strotzt vor Falschinformationen. Das ist unverzeihlich.

Die Gefährdung der Menschen durch Stickstoffdioxid wird mal eben infrage gestellt Foto: dpa

J eder hat das Recht auf eine falsche Meinung. Das gilt auch für die Abgeordneten der Großen Koalition und ihr Fazit des größten deutschen Industrie- und Umweltskandals seit Jahrzehnten.

Man kann es richtig finden, dass Behörden auf Warnungen von außen nicht reagieren, auch wenn es um die Gesundheit der Menschen geht. Man kann es unterstützen, wenn der wichtigsten Industrie des Landes bei millio­nenfachem Betrug am Kunden keine Sanktionen drohen.

Man kann öffentlich gutheißen, dass die Autoindustrie die Schlupflöcher ausnutzt, die sie vorher mit Wissen und Unterstützung ebendieser Regierung und dieser Parteien gebohrt hat. All das ist politisch falsch, aber die große Koalition der Raser und Bremser kann es als ihre Art der Wirtschaftspolitik bezeichnen.

Aber keineswegs hat jeder das Recht auf seine eigenen Fakten. Der Bericht der Koalitionäre lässt alle Alarmglocken schrillen. Da werden eta­blierte wissenschaftliche Erkenntnisse über die ­Gefährdung der Menschen durch das ­Reizgas Stickstoffdioxid mal eben in Abrede gestellt, da werden die Ergebnisse internationaler Forschung in der Epidemologie angezweifelt, weil sie ­einem politisch nicht in den Kram passen. Und da wird eine weltweit renommierte Forscherin bewusst falsch zitiert.

Trump als Freund im Geiste?

Das passiert wohlgemerkt nicht in irgendeinem internen Thesenpapier, sondern in einem offiziellen Bericht der Mehrheitsfraktionen des Bundestags. Dort, wo sich sonst die Parlamentarier zu Recht über Fake News und „alternative Fakten“ aus den USA, Russland und der Türkei erregen. Dort, wo gleich nebenan und unter dem Applaus der Politik vor zwei Wochen der „Marsch für die Wissenschaft“ die Freiheit der Forschung forderte.

Die Parlamentarier sollten diese Passagen ganz schnell aus dem Bericht streichen, ehe Donald Trump davon erfährt und in ihnen Freunde im Geiste (t)wittert. Alle falschen politischen Rückschlüsse aus dem Bericht sind verzeihlich. Dieser Angriff auf die Fakten ist es nicht.

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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14 Kommentare

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  • Es wird wirklich Zeit für die Einrichtung eines Wahrheitsministeriums. Anders werden die Zweifler an der Alternativlosigkeit der Aktionen dieser Regierung nicht zum Verstummen gebracht werden können.

     

    Merke: Fake News sind bei weitem nicht alle schlecht – es kommt entscheidend darauf an, wer sie in die Welt setzt.....

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Die Freunde des Volkswagens lässt all das ungerührt: Die Gewinne sprudeln - das zählt.

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Willkommen in der Wirklichkeit!

    Das läuft doch auch in anderen Bereichen so. Glyphosat läßt grüßen.

    Eine größere Verdummung, als durch die jetzigen Politiker und manche "Pressevertreter" gibts doch nicht.

    Und nein, ich bin keine Pegidaanhängerin!

  • Ich schätze, das sieht Bernhardt Pötter völlig falsch. Sie könnten sich ihre "falschen politischen Rückschlüsse" wahrscheinlich gerade NICHT verzeihen, die Politiker der Großen Koalition. Weil nur der feste Glaube an die eigene Überlegenheit sie dazu befähigt, eine Führungsrolle zu spielen in unserer Gesellschaft und weitreichende Entscheidungen zu treffen, die das Leben Anderer durchaus auch negativ beeinflussen. Genau deswegen müssen sie sich ja selber belügen.

     

    Würden sie nicht "alternative Fakten" schaffen, müssten sie sich in Grund und Boden schämen, diese Volksvertreter - oder sollte ich lieber Volksverräter sagen? Sie müssten umgehend zurück oder gar in den Hungerstreik treten. Dafür sind sie leider viel zu feige. Schade nur, dass auch viel zu viele unserer "mündigen Bürger" dämlich bzw. feige genug sind, die einen Lügner durch andere Lügner ersetzen zu wollen, statt sich der Wahrheit und dem Wissen um ihren eigenen Anteil an der Schuld daran endlich zu stellen. :-((

    • @mowgli:

      Fast unterschrieben. Aber warum verwendest du plötzlich das Wort "Volksverräter" so ganz direkt?

  • Ich glaube nicht, daß Dieselautos derzeit unser größtes Problem sind. Die Aufregung darüber finde ich zum einen unberechtigt und zum anderen maßlos übertrieben.

    • @Nobodys Hero:

      Fakt: Dieselfahrzeuge sind es nicht allein. Und vermutlich nicht mal der Hauptfaktor. Insbesondere die PKW nicht, sondern eher die LKW, dazu Industrie und Hausbrand, in ärmeren Ländern noch weit mehr Verbrennungsvorgänge, z.B. offene Feuer.

      Deswegen darf man die Diesel-PKW aber nicht aus den Augen verlieren.

      Verlogen ist jedoch, alles auf die Diesel-PKW abzuwälzen, weil sie so schön greifbar sind, denn z.B. die Schiffahrt und Flugindustrie erzeugt einen wesentlich WESENTLICH höheren Anteil an Schadstoffen, da liegen die Fahrzeuge m.W. weltweit irgendwo im einstelligen Bereich am Gesamtanteil (Grössenordnung die 10 grössten Schiffe erzeugen so viel Dreck wie die weltweite gesamte Fahrzeugflotte)

      Da man sich hier fröhlich selbst und das Volk belügt, kommt man auch zu keiner Lösung, denn es wird ständig am falschen Rad gedreht.

      Z.B. in Hafenstädten die Innenstädte für Diesel zu sperren wäre so sinnlos und dämlich wie in einer Disko eine leise Klospülung einzuführen.

      • @Mitch Miller:

        Lässt sich halt wieder Geld verdienen, Filter usw. Natürlich nur für Privatleute. Bei LKWs, Schiffen usw. lässt sich Diesel eh nicht ersetzen. CO2 an sich ist sowieso kein Klimagift. Jede Pflanze, Baum usw. nimmt CO2 auf. Bei der Verbrennung von Holz wird es wieder freigesetzt. In den 80ern gab's die Ozonlochhysterie. Da hört man gar nichts mehr.

    • @Nobodys Hero:

      Die Millionen chronisch Kranken mit Lungen und HNO - Problemen sehen das anders - wer daran erkrankt ist direkt von Armut bedroht, der Volkswirtschaftliche Schaden ist beträchtlich - das bezahlt jeder. Also kommen Sie nicht mit Glauben, das können Sie in der Kirche. Krankenkassen, Rentenkassen, Arbeitgeber wissen das. Arbeitgeber sibd dabei besonders zynisch: Wer zu oft krank wird, wird halt ausgetauscht und dabei gleich der Lohn gedrückt.

      • @Unvernunft:

        Eben, man hört immer nur von einer Beschneidung der Rechte von Privatleuten. Ich habe mir vor 3 Jahren in gutem Glauben einen fast neuen Diesel gekauft und soll jetzt der Leidtragende an jahrzehntelanger verfehlter Politik sein... vielen Dank!

  • Was bei Glyphosat und Bayer & Co. funktioniert, sollte doch auch bei VW kein Problem sein. Immer im Sinne der Reichen und Mächtigen. Weiter so!!!!

  • Hier sieht man wieder, das diejenigen, welche am meisten gegen die "Fake News" schimpfen genau die sind, welche am meisten "Fake News" verbreiten:

     

    Politiker und Mainstream-Presse.