Kommentar Ceta und die Grünen: Kretschmanns Stimme zählt
Das Handelsabkommen mit Kanada wird auch den Bundesrat passieren müssen. Dort könnte das Votum der Grünen entscheidend sein.
R echtzeitig zum EU-Kanada-Gipfel in Ottawa haben sich die Grünen gegen das Freihandelsabkommen Ceta in Stellung gebracht, allen voran Fraktionschef Anton Hofreiter. Erst posierte er am Donnerstag mit Demonstranten vor dem Reichstag, dann wütete er im Plenarsaal gegen „Hinterzimmergerichte“, die das Abkommen vorsehe. Viel weiter sollte er sich aber nicht aus dem Fenster lehnen: Denn dass seine Partei das Abkommen im Ernstfall verhindert, ist alles andere als sicher.
Die Bundesregierung will, dass nicht nur in Brüssel, sondern auch in den nationalen Parlamenten über Ceta abgestimmt wird. Das Wirtschaftsministerium geht davon aus, dass das Abkommen dann auch den Bundesrat passieren muss. Dort hat die Große Koalition derzeit keine Mehrheit, die Stimmen der Grünen könnten am Ende den Ausschlag geben.
So wie in der vergangenen Woche, als sich die Partei dem Asylkompromiss der Regierung verweigern wollte, bis Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann Stunden vor der Abstimmung umkippte. Das könnte bei Ceta wieder passieren: Vor Kretschmanns Haustüre produzieren Daimler, Bosch und eine ganze Armada von Mittelständlern. Bei ihnen macht sich der Ministerpräsident unbeliebt, wenn er das Abkommen ablehnt. Falls er trotzdem standhaft bleibt, wären da noch die grünen Bundesratsvertreter aus Hessen (Großflughafen) und Nordrhein-Westfalen (Schwerindustrie).
Wenn die Bundesregierung das Abkommen mit grünen Stimmen durchpeitscht, steht die Partei vor ihrem nächsten großen Krach. Vermeiden kann sie diesen nur auf zwei Wegen: Entweder sie wiegelt die Basis nicht weiter gegen Ceta auf – könnte schwierig werden. Oder sie hofft, dass der Wirtschaftsminister das Abkommen rechtzeitig entschärft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fußball-WM 2034
FIFA für Saudi-Arabien
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
MLPD droht Nichtzulassung zur Wahl
Scheitert der „echte Sozialismus“ am Parteiengesetz?