Kommentar Bundeswehr und Flüchtlinge: Zynische Lobbyarbeit
Mit der Flüchtlingshilfe habe die Bundeswehr ihre Kapazitätsgrenzen erreicht, so der Bundeswehrverband. Darauf gibt es eine einfache Antwort.
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D a macht die Bundeswehr einmal etwas Nützliches, und schon soll sie damit wieder aufhören. Das fordert jedenfalls der Bundeswehrverband. Denn schließlich gehöre die Flüchtlingshilfe weder zu ihren „Kernkompetenzen“ noch zu ihren „Kernaufgaben“. Das stimmt ohne Zweifel. Nur: Hunderttausende ehrenamtliche Helferinnen und Helfer versuchen derzeit ganz ohne Befehl die Notlagen der Geflüchteten abzumildern.
Dem gegenüber stehen durchschnittlich 7.100 Bundeswehrangehörige, die laut Verteidigungsministerium unterstützend bei der Unterbringung, Versorgung, Registrierung und Verteilung tätig sind. Ihre Arbeit entspringt keinem Altruismus: Sie wurden abgeordnet, um Unzulänglichkeiten und Überforderungen ziviler deutscher Behörden etwas auszugleichen. Das ist sicherlich sinnvoll. Aber eigentlich könnten es auch ruhig noch ein paar mehr sein.
Der Bundeswehrverband – und mit ihm die üblichen Claqueure aus den Reihen der Großen Koalition sowie des medialen Meinungsmainstreams – betreibt jedoch lieber zynische Lobbyarbeit. Der personell überschaubare Flüchtlingshilfeeinsatz dient nur als Vehikel: Die Bundeswehr habe ihre Kapazitätsgrenzen erreicht, so die Behauptung. Angesichts der gewachsenen internationalen Verantwortung müsse sie daher kräftig aufgestockt werden. Es ist die bekannte Leier: Schon immer haben Militärs immer größere Armeen und mehr Geld für ihr Tötungshandwerk gefordert. Nur die Begründungen variieren mitunter.
Tatsache ist: Zurzeit hat die Bundeswehr 3.084 SoldatInnen im Auslandseinsatz. 2016 wird die Zahl wohl auf etwa 4.000 steigen. Von einer personellen Überspreizung kann da kaum die Rede sein: In früheren Jahren waren schon mehr als 10.000 deutsche SoldatInnen weltweit im Einsatz, davon rund 5.000 allein in Afghanistan. Auch wenn man von der alten Faustformel ausgeht, dass jeder Einsatzposten insgesamt drei Armeeangehörige bindet, ist da bei insgesamt rund 179.000 aktiven SoldatInnen noch viel Luft nach oben.
Falls allerdings der Bundeswehrverband und die Verteidigungspolitiker von Union und SPD tatsächlich der Auffassung sind, die Bundeswehr habe trotzdem die Grenze ihrer Kapazitäten erreicht, dann gäbe es darauf eine einfache Antwort: die drastische Reduzierung der Out-of-area-Einsätze.
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