Kommentar Bürgerentscheid Kreuzberg: Keine Meinung ist auch eine
Die Argumente beim Bürgerentscheid über das Fraenkelufer waren nicht überzeugend. Wenn man aus diesem Grund nicht abstimmt, ist das völlig ok.
Ich bekenne: Ich habe am Sonntag nicht über die Sanierung des Kreuzberger Fraenkelufers abgestimmt. Ich bin einfach zu Hause geblieben. Auch an mir liegt es also, wenn der Bürgerentscheid nicht das notwendige Quorum erreicht hat. Dabei wähle ich sonst sogar mit einer gewissen Hingabe: Den Gang ins Rathaus, wo ich alle paar Jahre meine Kreuze mache, empfinde ich als ein wichtiges gesellschaftliches Ritual. Nicht so am Sonntag.
Ich habe mir die Argumente der verschiedenen Seiten im Vorfeld angehört. Eine Verbreiterung des Uferwegs, wie sie das Bezirksamt plant, fände ich gut. Andererseits könnte der Boden meinetwegen auch mit billigerem Kies statt mit Steinen saniert werden, wie die Bürgerinitiative es fordert. Die kritisierte aber auch die vom Bezirk geplante Rampe, dabei sind Rollstuhl- und Radfahrer auf so etwas angewiesen …
Nicht überzeugend
Zugegeben, ich habe mich eher oberflächlich mit dem Konflikt beschäftigt, ich wohne dort nicht. Doch selbst ein Freund, der vom Wohnzimmer aus auf das Fraenkelufer schaut, konnte nicht sagen, wer denn nun eigentlich richtig liegt, Bezirk oder Ini. Am Ende dachte ich: Ach, macht doch mit euren Pfützen, was ihr wollt!
Wenn die VertreterInnen von „Mehr Demokratie“ im Nachgang zur Fraenkelufer-Abstimmung jetzt fordern, Quoren bei Bürgerentscheiden grundsätzlich abzuschaffen, dann ziehen sie den falschen Schluss. Es ist ja gut und richtig, dass jeder versuchen kann, per Bürgerentscheid in die Bezirkspolitik einzugreifen.
Wenn eine Initiative aber nicht mal 20.000 Menschen von ihrem Anliegen überzeugen kann, dann soll sie dieses Mitspracherecht auch nicht haben. Andernfalls könnte ja jede halbwegs gut vernetzte Gruppe ihre Partikularinteressen per Entscheid durchdrücken.
Keine Meinung äußern zu wollen ist am Ende auch eine politische Aussage. Insofern ist es schon okay, wenn nun doch das – übrigens demokratisch gewählte – Bezirksamt über die Sanierung des Uferstreifens entscheidet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“