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Kommentar Brexit-BeratungenDie Folgen von Salzburg

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die EU lässt die britische Premierministerin Theresa May brutal auflaufen. Was auch immer dahintersteckt – es ist brandgefährlich.

Ging nach den Brexit-Verhandlungen gedemütigt vom Platz: Theresa May Foto: dpa

E s hätte alles so nett werden sollen bei den Beratungen zum Brexit in Salzburg. Ein paar freundlich-unverbindliche Worte, ein öffentliches Bekenntnis zu einer Einigung. Stattdessen ging die britische Premierministerin am Donnerstag gedemütigt vom Platz, und ihre Brexit-Strategie liegt in Scherben. Nicht nur hat EU-Ratspräsident Donald Tusk Mays „Chequers Plan“, der Großbritanniens Beibehaltung von EU-Regeln zum Warenverkehr vorsieht, rundheraus als undurchführbar zurückgewiesen.

Er machte in sozialen Medien außerdem geringschätzige Witze über die britische Regierungschefin, während Frankreichs Emmanuel Macron Brexit-Befürworter als „Lügner“ bezeichnete und andere Gipfelteilnehmer sich öffentlich wünschten, den Brexit ganz zu stoppen. Deutlicher konnte die EU nicht klarmachen, dass sie nicht mehr das geringste Interesse an einer gütlichen Einigung mit Großbritannien über den britischen EU-Austritt hat.

Damit gesellt sich die Europäische Union letztendlich zu Boris Johnson, Nigel Farage und anderen Brexit-Hardlinern in Großbritannien. Sie predigen seit dem Referendum von 2016: Austritt zuerst, dann Gespräche über alles andere.

Keine Übergangsfristen, keine Sonderregeln, keine Zahlungen, kein Chequers Plan – einfach ein klarer Schnitt. Theresa May hat vor Salzburg bei jeder Gelegenheit gesagt: Es gibt nur meinen Plan oder gar keinen. Wenn die EU ihren Plan ablehnt, leistet sie bewusst einem Austritt ohne Vereinbarung Vorschub.

Gespielte Aufregung

Für all das gibt es mehrere mögliche Erklärungen, keine davon schmeichelhaft. Die eine geht so: Die Aufregung ist nur gespielt. Eine Einigung ist längst unter Dach und Fach, aber weil May dafür nur dann zu Hause eine Mehrheit findet, wenn sie das als Sieg über die EU verkaufen kann, muss die EU jetzt so tun, als sei sie dagegen, um dann später so zu tun, als habe sie nachgegeben.

Abgesehen davon, dass es nicht das geringste reale Anzeichen für diese Annahme gibt, wäre diese Strategie in Salzburg deutlich über das Ziel hinausgeschossen. May hat in Reaktion die Gespräche mit der EU faktisch auf Eis gelegt und „Respekt“ gefordert.

Der Konsens in London ist jetzt nämlich: Mays Plan ist politisch tot

Der Konsens in London ist jetzt nämlich: Mays Plan ist politisch tot. Und sie selbst eventuell auch, wenn sie auf das Auftrumpfen der EU nicht entsprechend hart reagiert. Wenn in gut einer Woche ihre Konservativen zum Jahresparteitag zusammentreten, geht es um ihr politisches Überleben.

Die andere mögliche Erklärung lautet: Genau das ist das Ziel. Die EU-Führer sehen, wie schwach May ist, und wetzen jetzt offen die Messer. Das Ziel: den Briten keine andere Option lassen als eine gescheiterte Premierministerin und einen Brexit ohne Vereinbarung – mit dem Kalkül, dass das britische Parlament das nicht akzeptieren wird und stattdessen ein neues Referendum ansetzt, das den Brexit kippt.

Der Weg zu einer neuen Brexit-Volksabstimmung

Aber wie realistisch ist dieses Szenario? Schließlich haben die Briten 2016 für den Brexit gestimmt, und entgegen manchen Behauptungen gibt es bis heute weder im Volk einen Sinneswandel noch im Parlament eine Mehrheit für ein neues Referendum.

taz am wochenende

Dieser Text stammt aus der taz am wochenende. Immer ab Samstag am Kiosk, im eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo. Und bei Facebook und Twitter.

Großbritanniens Pro-EU-Strategen wollen nun beim Labour-Jahresparteitag ab diesem Sonntag als Erstes die Oppositionspartei auf ein zweites Brexit-Votum festlegen, gegen den ausdrücklichen Willen von Parteichef Jeremy Corbyn. Dann könnte eine parlamentarische Mehrheit in Sicht kommen, auch wenn die Zeit knapp ist.

Der Weg zu einer neuen Brexit-Volksabstimmung führt also über eine Labour-Revolte gegen Corbyn, zusätzlich zur ohnehin eingepreisten Tory-Revolte gegen May, der absehbaren offenen Revolte der Brexit-Befürworter gegen ein neues Referendum sowie einem Sabotagekurs im Staatsapparat gegen die aktuellen Brexit-Vorbereitungen.

Kurz gesagt: politisches Chaos allerorten, Verfassungskrise – und die EU trüge Mitverantwortung. Woher soll da plötzlich eine Mehrheit der Briten bei einer zweiten Befragung ihre Liebe zur EU entdecken? Und wie zynisch muss man als Europäer sein, um das alles zu wollen?

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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31 Kommentare

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  • Nordirland, Schottland und Wales sollen in der EU bleiben? Und damit gleich mehrere EU-Aussengrenzen innerhalb des UK? Im Ernst?

    Vielleicht auch noch Thüringen und Baden-Würtemberg raus aus der NATO?

    Diese Diskussion gleitet in den "Fantasy" Bereich ab.

    • @Wilfried Kramme:

      Das war als Kommentar zum Beitrag von ERKLÄR BÄR von gestern 18:17 geplant und ist insofern an dieser Stelle etwas fehl am Platz.

  • Wenn Dominic uns ein bisschen über den Tellerrand schauen lässt, habe ich nichts dagegen. Man sollte nicht immer nur den Guardian lesen. Wir haben dasselbe Chaos auch bei uns.



    Zur Erinnerung:



    Kurz vor dem Referendum wusste Boris, der Liebling der Toryparteitage, noch nicht, ob er für oder gegen den Austritt ist.



    May als ehemalige Remainerin hat nie versucht, über Parteigrenzen hinweg jene Kräfte zu sammeln, die einen moderaten Brexit, ein Modell Norwegen mit ein paar Erleichterungen z.B. ermöglicht hätten, den die EU sofort unterschrieben hätte.



    Sie hat im Gegenteil die nasty, chauvinist Stimmung angeheizt. Patriotism is the last refuge of the scoundrel. Bei aller Kritik an neoliberaler Hegemonialpolitik in der EU, die mit sanften Tönen daherkam.

    Vorgestern ist mir aufgefallen, dass viele Menschen unpolitisch sind (siehe die geringe Beteiligung am Referendum). Was nach einem klugen Satz von Luxemburg bedeutet: Sie sind politisch ohne es zu merken.

  • 8G
    8545 (Profil gelöscht)

    "Es gibt nur meinen Plan oder gar keinen" kann sich nur der Präsident der USA erlauben.



    Jetzt, wo dieser unhöfliche Versuch von Frau Mey vom Tisch ist, kann endlich gemeinsam verhandelt werden.



    "So oder gar nicht" offenbart ein fragwürdiges Demokratieverständnis.

    Ein 2.Brexit-Wahlgang wäre ebenfalls keine Sternstunde der Demokratie.

  • Wer die Mitgliedschaft in einem Club verloren hat, sollte nicht beim Verlassen des Gebäudes versuchen, die Regeln des Clubs zu verändern.

    Die britische Rechte und die gutter press (Sun, Daily Mail, Daily Express) versuchen gerade, der Bevölkerung eine Stimmung wie beim "Blitz" einzureden. Damit wird sie grandios scheitern, die 40er Jahre des letzten Jahrhunderts sind schon eine Weile vorbei.

  • Die EU benimmt sich wie ein sitzengelassener Liebhaber, dessen Ego das nicht verkraftet. Hat sie solch würdeloses Vorgehen tatsächlich nötig?

    • @Sturmwolke:

      Ein verlassener Liebhaber, der den Zweitschlüssel seiner Wohnung sofort und ohne weitere Zugeständnisse zurückhaben will - ja, würdeloser geht es ja wohl kaum.

  • Zynisch? Zynisch ist, dass die Renter in GB durch das Referndum dafür gesorgt haben, dass bald ihre eigenen Pflegekräfte rausgesschmissen werden werden. Die haben sich da tatsächlich die eigene Pflege abgeschafft.

    Die EU wird angegriffen - durch Vertragsverstöße (Polen, Ungarn) und durch anti demokratische, anti EU Kräfte und nun wird sich einer der reichsten Mitglieder, mit den meisten Ausnahmen und Sonderregeln per Referendum von der EU lößen --- good riddance. Die EU muss ihre Rechts(staat)lichkeit gegenüber Polen und Ungarn verteidigen oder das Projekt EU scheitert, die EU muss gegen die anti-EU-Stimmung, gegen die anti-EU-Parteien etwas innerhalb ihrer Möglichkeiten machen oder das Projekt EU scheitert.



    Wehe uns, wenn die EU zusammenbricht.

    Ein freiwilliges Opfer der Britten bietet hier eine gute Möglichkeit. Wenn mit dem BREXIT ein Exempel statuiert wird, wenn es den Briten immer schlechter und schlechter geht, dann ist das gut für Europa, gut für die EU. Je beschissener die Lage für die Briten, desto besser für die EU. Wenn einer der reichsten Mitglieder aussteigt und zum abschreckenden Beispiel wird, dann ist das ein Exempel, das andere Mitgliedsstaaten davon abhalten wird auszusteigen. Es nimmt den anti-EUlern ihre Argumente weg, es macht den Wert der EU für alle Bürger sichtbar.



    Europa braucht die EU, wir brauchen die EU, ich brauche die EU. Das Projekt EUropa darf nicht scheitern! Auch wenn man dafür über die Leiche von Großbritanien gehen muss.

    • @Erklär Bär:

      Jau. Deutschland ist schon über so viele Leichen gegangen. Da kommt es auf ein paar Millionen mehr auch nicht mehr an.

      Mein Vorschlag: erst einmal mit dem U-Boot Krieg anfangen.

  • 2016:



    May: Brexit means Brexit!



    EU: Die EU wird Großbrittanien wie einen Drittstaat behandeln.

    2018:



    May: Die EU behandelt Großbritannien wie einen Drittstaat!



    EU: Brexit means Brexit...

    • Dominic Johnson , Autor des Artikels, Ressortleiter Ausland
      @Alexander Radtke:

      Schlecht zusammengefasst. Wo gibt es einen Drittstaat, dem die EU sagt: "Sorgen Sie bitte dafür, dass wir keine Grenzkontrollen zu Ihnen einrichten. Wenn nicht, müssen wir einen Teil Ihres Territoriums in unseren Wirtschaftsraum annektieren" ?

      • @Dominic Johnson:

        Interessant, dass Sie auf diverse inhaltliche Kritik meinerseits an Ihren Artikeln nicht antworten, auf einen Kalauer dagegen bierernst eingehen.

        Zur Replik: Wo gibt es einen Drittstaat, der als Garantiemacht für ein Friedensabkommen eintritt, welches keine phyisische Infrastruktur an einer zukünftigen EU-Außengrenze erlaubt?



        Wie soll die EU konkret Nordirland "annektieren"? Soweit ich weiß müssen jegliche Einigungen beidseitig getroffen werden, oder habe ich nur nicht mitbekommen, dass Macron in Belfast einmarschieren will?

        Diese Radikalität in Ihrer Wortwahl ist beschämend für die taz und alles wofür sie steht, bezeichnend für ihre absurde Parteilichkeit und zudem einfach falsch.

        • Dominic Johnson , Autor des Artikels, Ressortleiter Ausland
          @Alexander Radtke:

          Zeigen Sie mir doch mal, wo die von Ihnen genannten Dinge im Karfreitagsabkommen stehen (keine Infrastruktur an der Grenze). das Abkommen ist überdies eines zwischen UK und Irland.



          und ja, auf dem Niveau Ihres Kalauers lässt sich schlecht diskutieren, das haben Sie jetzt richtig erkannt.



          ps: ein Deutscher denkt immer gleich an Einmarsch, was? (um auf dem Niveau des gesamten Kommentarthreads zu bleiben)

          • @Dominic Johnson:

            Sie haben recht, dass dies nicht im Karfreitagsabkommen steht, die „invisible border“ wurde aber inzwischen von der britischen und irischen Regierung als das „most tangible symbol oft he peace process“ und als essentiell für die anhaltende Normalisierung des Konfliktes beschrieben. UKGov im Darüber hinaus haben sich bereits im Dezember UK und EU im Joint Agreement hierauf geeinigt: „The United Kingdom also recalls its commitment to the avoidance of a hard border, including any physical infrastructure or related checks and control”. May verteidigte dies am 20. Dezember im Parlament mit der Gleichstellung “This is about no hard border—no physical infrastructure“ und dem erneuten Versprechen: „what we are



            going to deliver is no hard border—no physical infrastructure at the border“

            Also, wo hat die EU ein Abkommen mit einem Drittstaat, der garantiert, dass es keinerlei physische Infrastruktur an einer zukünftigen EU-Außengrenze geben wird?

            Ihren abschließenden Kommentar verbitte ich mir ausdrücklich und verlange darüber hinaus eine Entschuldigung für so beleidigende Lächerlichkeiten.

    • @Alexander Radtke:

      Gut zusammengefasst.

  • Die Briten haben seit Jahrzehnten - genau genommen schon vor Geburt der Montanunion, der sie aus Gründen nicht beigetreten sind - eine klare Marschroute gegenüber Europa: Alles bestimmen, volle Vorteile herausziehen, möglichst nichts beitragen. Man ist ihnen entgegengekommen, bis zur Schmerzgrenze und darüber hinaus.

    Jetzt haben sie, in einer beispiellosen Fehlleistung der politischen Klasse und der Bevölkerung, beschlossen, dass das alles nicht genügt und dass man einen "Brexit" will, ohne zu wissen, was das bedeutet, und ohne darüber nachzudenken, dass man eben doch nicht alles bestimmen kann.

    Und weil dieses Chaos unvermindert andauert, hat man sich in eine groteske Situation hineinmanövriert, ein lose - lose von epischem Ausmaß. Allen voran durchgeknallte Parlamentarier und eine völlig überforderte Regierungschefin, die dringend ersetzt werden müsste, um überhaupt noch Land sehen zu können.

    Dafür nun, so der verkappte Tory Dominic Johnson, soll doch bitte die EU die Verantwortung übernehmen. Sie soll etwas aus dem Hut zaubern, mit dem May das Gesicht wahren kann, und das alle zufriedenstellt, in UK und Europa. Er verrät natürlich nicht, wie das aussehen könnte.

    Wieder einmal kann man feststellen, dass die Foristen hier zumeist klüger sind als dieser taz-Kommentator - der sich doch bitte auf seinen Kompetenzbereich Afrika beschränken möge.

  • Die EU kann und wird keine Vereinbarungen mit Großbritannien treffen, die gegen ihre ureigenen Interessen sind.



    May liegt grundfalsch, wenn sie jetzt Vorschläge unterbreitet, die die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft mit den Vorteilen keiner EU-Mitgliedschaft verbinden wollen. Das hat man zähneknirschend jahrzehntelang in der EU so hingenommen, aber jetzt, wo die Entscheidung für den Austritt aus der EU von der Mehrheit der Briten getroffen wurde, ist dieser Zug doch abgefahren. Wenn May derartige Vorschläge unterbreitet, macht sie sich nur selbst lächerlich. Sie selbst hatte ja in einem 12-Punkte-Plan einen „harten Brexit“ gefordert. Ihr Problem ist heute, dass die Bevölkerung den Brexit wollte, die Regierung dies aber immer ganz anders eingeschätzt hat. Dumm gelaufen! Egal, wie's jetzt ausgeht - es wird wohl keine Sieger geben können. Bedankt Euch jetzt mal schön bei David Cameron und seinem größenwahnsinnigen Brexit-Referendum.



    Wie jetzt - Boris Johnson, Nigel Farage, UKIP etc.? Wenn Nationalisten wieder mal ein gutes Geschäft wittern, steckt erfahrungsgemäß nur Scheiße dahinter und man verzieht sich besser gleich, bevor man reintritt.

  • Ja, die Briten hatten immer irgendwie eine Sonderstellung in der EU. Ja, die Briten haben einen problematischen Finanzmarkt. Ja, die Briten sind irgendwie immer Insulaner geblieben. Aber die Briten waren in der EU immer auf der Seite des deutschen Kapitals. Deutschland verliert durch den Brexit einen wichtigen Verbündeten in vielen Bereichen.Und ja, die Briten waren mit Deutschland führend beim Kalten Krieg.



    Aber die Briten wollten im Gegensatz zu Deutschland nie eine Militarisierung der Eu, weil sie befürchteten, dass der Deutsche Wirtschaftshegemon auch die militärische Hegemonie übernehmen will.

    Nach meiner Wahrnehmung ist Deutschland auch nicht die treibende Kraft, die Briten für den Brexit leiden zu lassen. Viel zu sehr überwiegen da wirtschaftliche Interessen, die nicht an ein Ausstiegschaos interessiert sind.



    Die britische Sun titulierte gestern Macron als Ratte. In der EU sollten die gemäßigten Kräfte aufpassen, dass es nicht zur Explosion eines latent vorhandenen ekelhaften britischen Nationalismus kommt. Mit Trump und anderen Gleichgesinnten kann es dann schnell eine Allianz der EU-Feinde geben.

    In einem haben die Briten recht: Die EU hätte ja auch einmal ihre Gegenvorstellungen präzisieren können. Stattdessen haben sich die Verantwortlichen wie Idioten verhalten.

  • Jedes mal, wenn ich den Satz "Die Briten haben für den Brexit gestimmt" höre, kommt mir die Galle hoch. Es haben 51% dafür, 48% dagegen gestimmt, und es haben nur knapp 37% aller Wahlbrechtigten ihre Stimme abgegeben. Ich bin eine der 48% und mir bricht jeden Tag das Herz. Ich bin Europäerin und möchte diesen offiziell Status behalten. Es ist einfach nur peinlich, wie die Verhandlungen mit der EU hierzulande dargestellt werden, und wie Theresa May diese Insel als Opfer der EU positioniert. Wer die internationale Presse liest, weiß wie verlogen das alles ist. Macron hat lediglich eine Wahrheit ausgesprochen, als er pro-Brexit-Politiker als Lügner bezeichnet hat. Wie wir wissen, haben viele sogenannten Brexiteers bewusst gelogen, um den Menschen den EU-Austritt schmackhaft zu machen (mehr Geld für das Gesundheitssystem, weniger Migranten, usw). Man fühlt sich als EU-Befürworter_in total ohnmächtig und diesem ganzen Mist ausgeliefert. Corbyn bietet da auch keine Alternative, da er selber Brexit-Befürworter ist. Bitte denkt daran, dass diese Verhandlungen und die Stimmung im UK für Millionen von uns pro-EU Briten ein Alptraum ist.

  • Was für ein Unsinn. Es ist völlig richtig den Briten kein Cherry Picking zu ermöglichen. Wenn es denen nach dem brexit gut geht bricht die EU auseinander.

  • Leider haben die Briten nicht für den Brexit gestimmt. Es waren 51% für den Brexit, 48% dagegen. Es haben auch nur knapp 37% aller Wahlbrechtigten ihre Stimme abgegeben. Da kann man nicht pauschal sagen "Die Briten wollen raus". Ich bin eine der 48%, und mir bricht täglich das Herz. Ich bin Europäerin und möchte diesen offiziellen Status behalten. Es ist einfach peinlich mitan-zusehen, wie hierzulande die Verhandlungen mit der EU dargestellt werden und wie Theresa May ihre merkwürdige, sture und ignorante Politik verfolgt und die UK quasi als Opfer darstellt. Und dann von der EU mehr "Respekt" verlangt. Das ist alles eine Show für das Publikum daheim, aber wer die internationale Presse liest, weiß, wie falsch und arrogant ihre Position/die Position der Brexit-Befürworter ist. Macron hat da lediglich eine Wahrheit ausgesprochen; die sogenannten Brexiters haben tatsächlich bewusst gelogen und den EU-Austritt mit sämtlichen, unrealistischen Versprechungen "verkauft" (mehr Geld für das Gesundheitssystem usw.). Ich hoffe immer noch auf ein Wunder, oder darauf, dass den Menschen endlich bewusst wird, wie verrückt und gefährlich ein EU-Austritt für diese kleine Insel sein wird.

  • Wenn die EU eine Lösung wollte, würde sie einen konstruktiven Vorschlag vorlegen. Die Spekulation, dass die EU darauf spielt, dass die Aussicht auf einen harten Brexit zu einer neuen Abstimmung führt, mag begründet sein. Ich vermute jedoch, dass die EU zudem ein Exempel statuieren will. Bereits jetzt sind die Einzelverträge mit den Nichtmitgliedern in Europa massiv unter Druck. Die EU will das beenden und auch Nichtmitglieder zwingen, dass sie EU-Rechtsprechung und EU-Gesetze automatisch Vorrang vor dem eigenen Souverän geben. Wer nicht in die EU will, soll leiden und wer ausgetreten ist, erst recht. Daher dürfte die Kompromisswilligkeit der EU nach dem Austritt nur dort zunehmen, wo Industrielobbies das durchsetzen. Insgesamt soll aber UK leiden und sind gute Lösungen unerwünscht. In der Vergangenheit führten solche Einstellungen häufig zum Krieg. Hoffen wir, dass z.B. an der irischen Grenze daraus kein heißer Konflikt wird.

    • @Velofisch:

      Hallo Velofisch,



      die EU kann sich gegenüber GB nur im Rahmen der bereits mit vielen anderen Drittländern geschlossenen Verträge bewegen. Alles andere hätte negative rechtliche Rückwirkungen.Deshalb hat Sie



      Die 2 mögliche Modelle angeboten :



      1. Norwegen - also relativ weitgehende Integration auch nach dem Brexit.



      2. Kanada - das wäre dann ein reines Freihandelsabkommen das um weitere Abkommen z.B. im Bereich der Sicherheit erweitert werden könnte.



      Der britische Plan ist nicht praktikabel zumal die Briten schon jetzt bei der Erhebung von Einfuhrzöllen auf Textilien geschlampt haben sollen hier geht es immerhin um über 2 Milliarden.



      Die EU hat schon im Vorlauf des Treffens deutlich kommuniziert das der Plan von Chequers nicht zustimmungsfähig und in seinem Kern (GB erhebt Zölle für die EU) auch nicht verhandlungsfähig ist.



      Ich glaube auch nicht das die EU GB "leiden" lassen will. Sie möchte den Schaden für ihre Mitglieder nur so gering wie möglich halten.



      Im übrigen tut es dem demokratischen Prozeß in England und in der EU mal ganz gut, wenn die Lügen die Farague, BoJo und Konsorten in ihrem unsauber finanzierten Wahlkampf von sich gegeben haben mit der Realität des Austritts konfrontiert werden.



      Vielleicht kommt ja sogar der eine oder andere Sachse ins Nachdenken wenn er mal in der Tagesschau sieht was passiert wenn man internationale Verbindungen kappt, Zuwanderung begrenzt oder gar Ausländer vertreibt.

      • Dominic Johnson , Autor des Artikels, Ressortleiter Ausland
        @Thomas Dreher:

        Im Rahmen welcher Drittstaaten-Verträge wurden denn die EU-Verträge mit Kanada oder Norwegen ausgehandelt? Für jeden Drittstaat gibt es neue, eigene Arrangements. Nur für GB soll das nicht möglich sein?



        Das heißt nicht, dass es auf Chequers hinauslaufen muss, darüber wird ja auch in GB heftig gestritten. Aber die EU sollte schon mal sagen wie sie sich die Zukunft vorstellt.

        • @Dominic Johnson:

          Die EU HAT gesagt, wie sie sich die Zukunft vorstellt! Schon bevor GB den EU Austritt offiziell erklaert hat, hat die EU sehr deutlich erklaert, dass die Frage um die Irische Grenze einer der erstan Punkte ist, auf die man sich einigen muss. Hat sogar mehrere Vorschlaege gemacht, wie das gehen koennte.



          Bis heute ist May darauf nicht eingegangen. Warum?



          Jahrelang hat GB die EU benutzt, um sie fuer alles verantwortlich zu machen, was in GB politisch falsch gelaufen ist. Gewoehnlich eigene interne Fehler, mit denen die EU nichts zu tun hatte. Offensichtlich will man die letzte Gelegenheit noch mal massiv ausnutzen, die eigenen Fehler auf die EU abzuwaelzen.



          Der Kommentator schwimmt auf dieser Welle voll mit. Peinlich!



          Was soll die Forderung, die EU solle gefaelligst sagen, wie sie sich die Zukunft vorstellt? May hat aus einer reinen Meinungsumfrage einen zwanghaften, krampfhaften Brexit gemacht. Nicht die Buerger in GB und auch nicht die EU. Die EU war trotzdem in Vorlage getreten, indem sie sehr frueh aufgezeigt hat, wo die Leitlinien sind. Wenn May diese ignoriert und sogar gegen mehrfach kommunizierte Erinnerungen und spaeter sogar Warnungen auf taub stellt, darf sie sich nicht wundern, dass die Sprache noch deutlicher wird.



          Nur eins passt gar nicht: May in der Opferrolle.



          GB als Opfer auf dem Altar der Brexiteers, das wohl. Aber das ist britische Innenpolitik.

  • Und noch eine Variante: Die EU weiß um ihre derzeit ohnehin wacklige Gesamtkonstitution und will keine fatalen Signale aussenden. Denn ein Ausstieg der Briten aus der (kostenpflichtigen) Solidargemeinschaft ohne Verzicht auf die damit verbundenen (vornehmlich finanziellen) Vorteile könnte eine Exit-Lawine ins Rollen bringen.

  • Die Verantwortung liegt ausschließlich bei den Briten. Chaos und Verfassungskrise sind komplett selbstgemacht. Die EU hat ihre Position nicht geändert, aber wer hat das ernsthaft erwartet? Schießlich ist es nicht ihre Zeit die knapp wird. Ist daran irgendetwas zynisch? Oder ist es nicht viel zynischer das eigene Land in den Abgrund zu führen nur weil knapp 51 Prozent dafür gestimmt haben? Und das, wie im Falle May, teilweise auch noch gegen die eigene Überzeugung. Fast die gesamte politische Klasse in Großbritannien hat kläglich versagt, das ganze Land macht sich immer noch Illusionen, das ist das Problem. Schonung weil man es nicht hinbekommt sich zu revidieren? Klingt nach Kindergarten. Und sein Verharren im Wahn als Verhandlungen zu bezeichnen klingt nach Psychatrie. Und die hier kürzlich propagierte Idee den Brexit als "Eine Chance für die Linke" umzudenken fügt sich nahtlos ein. Ein Helsinki- Syndrom bei Geiselnahme durch sich selber, da muss man erst mal drauf kommen.

  • Die dritte und wahrscheinlichste Erklärung: Die EU-Politiker haben einfach die Schnauze voll von den unausgegorenen britischen Vorschlägen und sind froh, wenn die Briten raus sind, ob hart oder weich. Mit dem Thema will sich auch niemand in der EU mehr beschäftigen. Und niemand will ein zweites Referendum mit einer weiteren monatelangen Hängepartie. Der Drops ist gelutscht.

    • @PPaul:

      Ja, drin war drin, und raus ist raus, wie erstaunlich, obwohl GB es immer schaffte, gleich drin und draussen zu bleiben, und dazu die EU nur als liberalisierter Markt und nie als eine politische Gemeinschaft betrachtet hat und in diesem Sinn untermienierend handelte. Diese Spekulationen über wiederabstimmung und Innenpolitik bei den Marsbewohnern sind sinnlos.Herr Johnsons Versuch, hier in der TAZ Mitgefühl oder Solidarität für irgendeinen Untergruppe der britischen politischen Klasse zu erwecken sind bedeutungslos. Wir haben dabei kaum zu verlieren und nichts zu gewinnen, bis auf den EUfeindlichen Strömungen in der EU klarzumachen, dass der Austritt Folgen hat. Vielleicht sollten wir auch dazu arbeiten, dass Schottland so leicht und schnell wie möglich ohne lange Anwärterzeit wieder Mitgliederschaft bekommt, wenn das schottische Volk es so wählt

      • @Eulenspiegel:

        Letzteres halte ich für keine gute Idee. Der Umgang der EU mit London folgt ganz klar dem Muster "Keine Extrawurst". Das muss natürlich auch für andere gelten.

        • @Ewald der Etrusker:

          Ich sehe das anders, man kann den Schotten ruhig eine Extrawurst geben. Es gibt schon so viele Extrawürste in der EU, da machen ein paar mehr auch nichts aus. Meinetwegen kann man auch Nordirland eine Extrawurst geben und dann Wales. Nur weil man ein Exempel statuieren muss, heißt das ja nicht das man den Schaden nicht so klein wie mögliche machen sollte. Und Schottland, Nordirland und Wales sind realpolitisch ein Zugewinn für die EU, da steht schon alles and Infrastruktur und demokratisiert ist die Gesellschaft schon lange. Und vielleicht kann man nach ein paar jahrzehnten dann auch England wieder aufnehmen, dann ist halt vorbei mit Großbritanien.