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Kommentar Braunkohle-ProtesteIhr seid Helden

Ingo Arzt
Kommentar von Ingo Arzt

RWE lässt die Waldbesetzer im Hambacher Forst aus ihren Baumhäusern zerren. Warum die ÖkokämpferInnen trotzdem siegen werden.

Protest gegen die Rodung Foto: dpa

S tellen Sie sich einen alten, sehr alten Wald vor, mitten in Deutschland, diesem durchindustrialisierten, zerstückelten Land, das von oben aussieht, als sei auch noch die letzte Bergspitze genutzt, bewirtschaftet, bürokratisiert.

In diesem Wald stehen 300 Jahre alte Bäume, in denen Waldkäuze und Fledermäuse leben. Eines Tages rücken Polizeihubschrauber, Bagger, Kettensägen an und vernichten den Wald. Zurück bleibt eine Brache, ein tiefes Loch, ein Mahnmal der Zerstörung.

Das ist es, was zurzeit am Hambacher Forst geschieht. Der Energiekonzern RWE vernichtet ihn, um die Braunkohle darunter wegzubaggern und Strom zu erzeugen. Seit Jahren besetzen immer wieder AktivistInnen den Wald, sie leben in Baumhäusern, um die Natur zu retten.

Das Verwaltungsgericht in Köln hat zuletzt eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in erster Instanz abgewiesen, der Tagebau darf weitergeführt werden. Also setzt die Polizei seit heute die Eigentumsrechte von RWE durch – und räumt. Dem Konzern gehört der Wald de jure. Obwohl die AktivistInnen ihren Kampf verlieren, sind sie tragische Helden.

Kein naiver Reflex

Diese Ansicht ist kein naiver Reflex aufgrund einfacher Freund-Feind-Schemen: Da der böse Konzern und die brutale Staatsmacht, dort die tapferen FreiheitskämpferInnen, die auch noch, wie einst Robin Hood, im Wald leben. Die Bilder, die sie schaffen, sind tatsächlich so einfach – wer noch nicht gänzlich von Zynismus oder Fatalismus zerfressen ist und einen Hauch Empathie für die Umwelt empfindet, den darf es ruhig schütteln wie Idefix, wenn Bäume fallen, oder sagen wir: wenn sie sterben.

Doch leider ist diese Bildsprache auch abgenutzt. In Brasilien brennt der Regenwald, in Australien sterben die Korallen, die Meere sind vermüllt, bei der Flut an Bildern zerfledderter Natur und atemloser Skandale ist die Konkurrenz für 70 Hektar Wald in Nordrhein-Westfalen um öffentliche Aufmerksamkeit viel zu groß.

Aber das macht nichts. Was die Ökobewegung schon immer stark gemacht hat, ist, dass sie zäh und ausdauernd ist und die Umweltsündergesellschaft von innen zerfrisst wie ein Borkenkäfer die Eiche. Sie besteht aus JuristInnen, PolitikerInnen, DemonstrantInnen, WissenschaftlerInnen, NGOs, sogar aus Investoren und Unternehmen.

Und sie besteht zu einem kleinen Teil aus irren Radikalen, die sich nicht um Widersprüche oder verkopfte Metadiskussionen kümmern, sondern einfach: machen. Sie sind in bestem Sinne verbohrt und teilweise militant, weil sie Sachbeschädigungen in Kauf nehmen. Sie nehmen in Kauf, kriminalisiert, traumatisiert oder verletzt zu werden oder zu Geld- und Gefängnisstrafen verurteilt zu werden. Seit Jahren, immer wieder.

Die Polizei räumt

Wie immer wird es nach den Räumungen Schuldzuweisungen geben. RWE wird sagen, Mitarbeiter seien angegriffen worden, die Polizei wird verletzte Beamte melden. Die BaumbesetzerInnen werden weggetragen und -gezerrt, mit Pfefferspray in den Augen und vielleicht mit Verletzungen von Schlagstöcken. Ist es das wert?

Niemand dirigiert die Ökobewegung, sie ist einfach da – und die Radikalen übernahmen schon immer einen wichtigen Teil in diesem Konzert.

Ja, das ist es, weil es eine Auseinandersetzung um die richtige Sache ist. Die Bilder der Räumungen werden zwar, wenn überhaupt, nur kurz über unsere Smartphone und Fernseher huschen, was sie wichtig macht ist ihre Permanenz. Sie erzeugen eine Art gesellschaftliche Autosuggestion – Braunkohle, Klimawandel, Zivilisation bedroht, Braunkohle, Klimawandel, Zivilisation bedroht kaputt, Braunkohle, Klimawandel, Braunkohle, Klimawandel, Zivilisation bedroht, Braunkohle, Klimawandel, Zivilisation bedroht, Braunkohle, Klimawandel, Zivilisation kaputt.

Niemand dirigiert die Ökobewegung, sie ist einfach da – und die Radikalen übernahmen schon immer einen wichtigen Teil in diesem Konzert. Die Paukenschläge, wenn spektakulär blockiert (egal ob Castor oder Kohle) und als Reaktion empört wird, und dazwischen das permanente Magengrummeln, das eine überfressene Gesellschaft braucht, um sich endlich zu mäßigen.

Die Rodung ist famoser Schwachsinn

Es geht nicht darum, RWE als Konzern zu verteufeln. Er agiert innerhalb einer veralteten gesellschaftlichen Übereinkunft, nach der die Natur des Menschen Untertan ist. Doch 2017 einen wertvollen Wald zu roden, ist famoser Schwachsinn. Braunkohlekraftwerke müssen in Deutschland vom Netz, darauf haben sich kürzlich in den Jamaika-Sondierungen sogar Union und FDP eingelassen.

Deutschland hat mit seiner Energiewende weltweite Öko-PR betrieben: Industrieland und Klimaziele, das geht zusammen. Jetzt drohen wir unsere Klimaziele bis 2020 zu verfehlen – und wer gelegentlich ausländische Presse liest, der weiß, dass die Welt auf das deutsche Energiewendeexperiment schaut. Ohne ein schnelles Aus für die Braunkohle wird aus den deutschen Windrädern und Solardächern ein Symbol des Scheiterns: Über hundert Milliarden investiert und trotzdem die CO2-Ziele verfehlt.

Die, die in den nächsten Tagen im Hambacher Forst geräumt werden, sind deshalb Helden. Ihre Ziele sind moralisch geboten, sie sind die Ziele unseres Landes und seit dem Pariser Klimaabkommen auch die der Weltgemeinschaft. Mehr Legitimation für Blockaden und zivilen Widerstand gibt es nicht – nur keine Gewalt gegen Menschen, das muss oberste Prämisse bleiben.

Insofern verlieren die AktivistInnen vielleicht einen Kampf um 70 Hektar Wald, aber verlieren kann man eine moralisch richtige Sache nicht. Liebe WaldbesetzerInnen, würde es euch nicht geben, dann müssten andere euren Job machen. Allerdings gibt es wenige, die den Mut zu einem solchen Widerstand haben. Deshalb seid ihr unersetzlich.

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Ingo Arzt
ehem. Wirtschaftsredakteur
Beschäftigte sich für die taz mit der Corona-Pandemie und Impfstoffen, Klimawandel und Energie- und Finanzmärkten. Seit Mitte 2021 nicht mehr bei der taz.
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23 Kommentare

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  • was man hier noch ganz vergessen hat,

    es gibt immer noch Menschen und Firmen, die das ganze ausführen....welche Menschen fällen denn diese 300 Jahre alte Bäume, wie viele Menschen empfinden das Bäume leben. Wer sind die Ausführenden?!

    wie viele gibt es noch davon.

    was würde es bringen, wenn gerichtlich beschlossen wird einen Wald zu roden und keine machts!

    H.H.

  • Sehr schön, dass Sie eine Lanze für den Widerstand brechen ! Meines Erachtens die einzige Möglichkeit, korrupter Politik etwas entgegenzusetzen. Schade, dass Sie beim Thema Kohleausstieg Sand in die Augen streuen. Der von den Grünen für 2030 anvisierte Kohleausstieg, wurde während der Jamaika-Sondierungen, in eine unbestimmte Zukunft verlegt. Da kann man nur froh sein, dass diese Koalition geplatzt ist. Eine Minderheitenregierung, bei der Beschlüsse nicht mehr aufgrund von Fraktionszwängen herbeigeführt werden können, wäre für die Grünen eine Chance, ihre angeblich auch linke Seele wiederzuentdecken und wieder zu ihren Werten zu stehen. Die Forderung nach einer Vermögenssteuer, wurde auch gleich zu Beginn der Sondierungen fallengelassen. Soziale Gerechtigkeit sieht anders aus! Ich hoffe, eine nochmalige GroKO, wird dieses Land nicht noch weitere 4 Jahre lähmen, aber ich befürchte, Herr Schulz hat kein Rückgrat um zu seinem "Nein" zu stehen.

  • Als mal ehrlich, ich finde die Tagebauten sind ein Segen für Deutschland. Die ganzen neuen Wasserlandschaften sind doch ein Traum. Ich hätte gerne noch viel mehr davon. Am besten ein Netz von den Alpen bis an die Küste. Das ganze Wasser hätte sicher auch ein angenehmen Effekt auf unser Klima, was vermutlich milder würde.

  • Auch wenn es z.B. auf den Abraumhalden des Ruhrgebiets inzwischen einzigartige Magerrasenvegetation gibt und auf einer Braunkohlehalde im Rheinland ein paar Fledermäuse, wird das, was im Braunkohlegebiet eines Tages einnmal sein wird, den vorherigen Zustand nicht ansatzweise okologisch substituieren. RWE setzt nämlich auf die billigste Lösung: Flutung! Diese riesigen Seen werden jedoch keine okologischen Paradiese, sondern werden wegen der nicht mehr vohandenen Grundwasser-Filterwirkung eine hohe Belastung. Vorher jedoch wird das Grundwasser im Radius von über 60 km absinken, was neben ökologischen auch zu Gebäudeschäden führen wird. Dabei reden wir schon gar nicht vom volkswirtschaftlichen Schaden Ausradieren von Ortschaften und Verkehrslogistik. Die Städteregion Aachen, die Nordeifel und der Niederrhein werden eines Großteils ihres Einzugsgebietes beraubt, das alles wird durch die RWE-Profite nie und nimmer aufgefangen.

     

    Somit gebührt den Protestierern in Hambach und anderswo nicht der erhobene Zeigefinger oder Abqualifizierungen als Don Quichotes, sondern unsere volle Unterstützung.

  • Die aktuellen Proteste gegen die Braunkohlewirtschaft sollten gerade in Medien wie der TAZ qualifizierter behandelt werden. Gerade die Verbandelung der RWE mit den Städten und Gemeinden, die dort nämlich Großaktionäre sind, führt einerseits zu den Fakten, dass die RWE de Jure Besitzerin der Grundstücke ist und somit abholzungs- und abbaggerberchtigt. Es ist jedoch seitens der pseudo-pazifistischen Kritiker nur wohlfeil, den Baum- oder Baggerbesetzern Hausfriedensbruch vorzuwerfen oder das Werfen von Steinen zu verurteilen.

     

    Die Situation ist allegorisch zu sehen: Es gibt keinerlei faktisches öffentliches Interesse an der Braunkohleverstromung außer dem RWE-Aktionärsinteresse. Die Energie wird nicht benötigt, wir haben auch unter Berücksichtigung des Atomausstiegs mehr als genug andere Energiequellen (aber auch die teuren Offshore-Windkraftanlagen in der Nordsee und neue Trassen bis nach Süddeutschland sind ökologischer Schwachsinn und gehören sinnvoll bekämpft).

     

    Letztendlich sehen wir hier nur die Spitze neoliberal geprägter Wirtschaft, wo einstmals öffentliche Interessen sich längst ins Gegenteil verkehrt haben, indem die nun privatisierten Energiekonzerne Städte und Gemeinden und damit demokratische Strukturen als Geiseln genommen haben und ihnen die Pistole auf die Brust setzen.

     

    Abgesehen davon: Gerade am Rande von Ballungsgebieten, angesichts steigender Feinstaubbelastung und naturlich aus Klimaschutzerwägungen heraus sollte Forstwirtschaft in öffentlicher Hand andere Schwerpunkte haben als maximal profitable Holzwirtschaft. Das wird übrigens in anderen Regionen längst so gehandhabt und alle sind damit zufrieden. Es ist dumm, oberlehrerhaft auf den Wald als Forstwald hinzuweisen und damit ökologisch und fortwirtschaftlich kontraproduktive Abholzungen zu verhindern.

  • Danke für Ihren trefflichen Kommentar!

    Es ist nur logisch, nicht nur den Atomstaat sondern auch den Kohlestaat zu bekämpfen, denn dieser zerstört die Existenz, die Lebensgrundlage von Mensch und Tier!

    "Also setzt die Polizei seit heute die Eigentumsrechte von RWE durch – und räumt. Dem Konzern gehört der Wald de jure."

    In Folge sollte radikale Ökologie auch antikapitalistisch sein. Auf Privateigentum und Profitstreben lässt sich keine Gesellschaft aufbauen, die den irreversiblen Raubbau an der Natur überwindet.

  • Danke! Super Artikel, super Plädoyer, vielen dank. Was nach den Tagebauen übrigbleibt so auch im Leipziger Land, eine Sandhalde mit einer mageren Primärvegetation und noch stärker flurbereinigten geradgerückten Wegen, wo ehedem fette saftige Wiesen. Der Effekt der Energiewende ist ja kostengünstige Alternativen zur fossilen Energieerzeugung entwickelt zu haben und macht dann ehrgeizige Projekte wie Ouarzazate in Marocko oder solarprojekte in Bangladesch und auf der arabischen Halbinsel erst möglich.

  • Schöner Artikel. Leider findet Naturzerstörung in Deutschland überall statt. Das nennt sich dann "Entwicklung". Für Bergbau, Tourismusprojekte, Straßen, Häuser.

    • @Energiefuchs:

      Sie wohnen in einer Höhle, heizen mit Reibungswärme ihrer Hände und ihr PC/Smartphone wird durch ein Hamster im Laufrad betrieben?

      • 2G
        25726 (Profil gelöscht)
        @Thomas_Ba_Wü:

        So einfallslos kann auch nur ein Schwabe (oder Badener? Auch egal, alles dieselbe Hausfrauenmischpoke) sein, ohne Braunkohle kein Haus bauen, keine Wärme und keinen Strom erzeugen zu können.

         

        Da dies alles auch im Ländle verfügbar ist, gibt es nur eine Schlußfolgerung: Die Vierteleschlotzer sind Schmarotzer.

      • @Thomas_Ba_Wü:

        @THOMAS_BA_WÜ: Willkommen 21. Jahrhundert, wo erneuerbare Energien ausgebaut werden und man festgestellt hat, dass unsere kapitalistische Gesellschaft so nicht funktioniert! (Die deutsche Rechtschreibung gilt aber selbst im Jahr 2017 noch: Wenn Sie jemanden ansprechen, schreibt man "Sie" und "Ihnen" groß.)

  • Puh, ich kann mich nicht erinnern ob und gegebenenfalls wann ich mich mal wegen eines Bildes geschüttelt hätte. Schlechte Berichterstattung schüttelt mich jedoch bedauerlicherweise relativ häufig.

     

    Wenn ich beispielsweise Sätze wie "Das Verwaltungsgericht in Köln hat zuletzt eine Klage des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) in erster Instanz abgewiesen, der Tagebau darf weiter geführt werden." wortwörtlich doppelt in einem recht kurzen Artikel lese, frage ich mich stets während es mich recht häftig schüttelt, was das wohl soll.

     

    Wie steht es dann wohl erst um den inhaltliche Journalismus? Die Jamaika-Sondierungen sind jedenfalls Geschichte. Deren Ergebnisse sind Schall und Rauch. Die Grünen laufen mangels Regierungsbeteiligung für die kommenden Jahre unter ferner liefen.

    • @DiMa:

      Was? Ausser auf Grammatik- und Rechtschreibfehlern herum zu reiten fällt Dir nichts ein? Dann muss es ja ein ziemlich guter Artikel sein.

      • @Markus Hitter:

        1) Der Artikel wurde vor der Veröffentlichung der obigen Leseranmerkungen geändert ohne dass darauf hingewiesen worden wäre (Auch das Bild ist inzwischen geändert worden).

         

        2) Der 3. Absatz der vorstehenden Anmerkungen geht klar darauf ein, dass es derzeit überhaupt keine ernst zu nehmenden politischen Festlegungen in Sachen Braunkohle gibt. Der Wald wird laut Medienberichten inzwischen gerodet. Es ist also etwas früh, einen Gewinner in der Auseinandersetzung zu küren.

  • Korrekt. Vor allem Ihre Beobachtung, daß die Idee von der Natur als dem Menschen untertan, dem Menschen als Ressource von Gott gegeben sei, überholt ist.

     

    Hier liegt der Hund begraben: Der Mensch als Krone der Schöpfung, machet euch die Erde untertan usw. sind in Bibelzitate gegossene Ideen, die aus einer anderen Zeit stammen. Seitdem hat sich einiges getan. Es ist eine Auseinandersetzung um Fundamentales, um Vernunft und Glaube, um Weltbilder. Das Selbstverständnis des Menschen muß sich wandeln in Richtung "wir sind Teil, nicht Herren des Ganzen", um das Ausmaß der Zerstörung zu begrenzen.

     

    Keine Gewalt gegen Menschen, nun ja, man kann ja nichts anderes fordern, ohne sich strafbar (und in den Augen vieler, ruchlos) zu machen. Doch endet die Diskussion damit nicht. Wenn jemand renitent etwas tut, was mir und anderen langfristig schadet, muß ich mir von dem ins Gesicht lachen lassen? Wenn jemand ein SUV fährt, und es ist Fakt, daß Menschen auch an seinen Abgasen erkranken und sterben, darf ich ihm das Ding abfackeln? Selbstverteidigung oder nicht?

    • @kditd:

      Es fehlen viele Fakten, die den Artikel eher in den Bereich der Religion rücken:

      Seit 1975 liegt ein Rahmenbetriebsplan vor, der von den Behörden unter Mitsprache der Bevölkerung genehmigt wude. Das Gericht hat Freitag gesagt, dass deshalb keine Umweltverträglichkeitsprüfung nötig sei, weil die demokratische Zustimmung vorher vorgelegen hätte.

      Seit 1980 wachsen in Hambach neue Bäume, auf der Sophienhöhe sind erfolgreich Fledermäuse angesiedelt worden. Von den 8.500 ha sind nur noch 70 ha mit Wald bewachsen. Ein Grüner hat die Fakenews verbreitet, es sei ein "Urwald". Der Förster sagt, dass es seit 300 Jahren ein Nutzwald sei. Nutzwälder holzt man ab und pflanzt neue Bäume an. Genau das, was in Hambach geschieht. So viel zu den Fakten.

      Wir müssen so schnell wie möglich aus der Braunkohle raus. Das aber bekommt man nicht mit Fakenews, sondern nur mit Fakten. Die Grünen haben vier Jahre in der NRW-Landesregierung die Braunkohleverstromung geduldet. Macht war geiler als Natur und ökologische Stromversorgung.

      Den demokratischen Prozess kann man nach über 40 Jahren nicht mit ein paar Bäumen ersetzen. Das hatte Dutschke schon in den 60ern erkannt, aber manche wollen Demokratie immer noch nicht wahrhaben.

      Mit Moral zu argumentieren, wenn man es mit rationaln Argumenten Jahrzehnte lang nicht hin bekommt, ist unsachliches Derailen. Wie Trolle es halt machen. Die Atomkraft haben wir auch nicht durch Hüttendörfer in Gorleben wegbekommen, sondern durch Entscheidungen in Regierung und Parlament in Berlin. Wie SPD-Frauen im Parlament nur Kinderlieder singen, reicht nicht. Davon lässt sich der Bürger nicht überzeugen.

      Den Hauern bei Rheinbraun ist es egal, ob sie in der Kohle oder Sonne/Wind arbeiten. Moral ist da nicht das stärkste Argument, wie Brecht schon wusste. Also "Arsch hoch", wie der Kölner sagt und Demokratie lernen!

      • @woksoll:

        Na prima, dann wächst also seit 1980 ein neuer Wald ran, der im Jahr 2280 in etwa die Qualität haben wird, die der Hambacher Forst hatte. Für das Weiterlaufen einer Industrie, die seit den späten 80gern ihre Sterbeurkunde ausgestellt bekommen hat und so um das Jahr 2030+ endlich ihr Ende finden wird, wenn die Betonköpfe, die diese Industrie heute in den "demokratischen Zirkeln der Macht" noch künstlich am Leben halten endlich in Rente gegangen oder eines natürlichen Todes gestorben sind. So funktioniert das nämlich. Und ich würde gerne wissen, wo mein Vorredner sich da einzubringen gedenkt, wenn sein "Arsch" denn "oben" ist?

         

        In Gorleben konnte man übrigens über mehrere Jahrzehnte ganz gut lernen wie viel rationale Argumente alleine gegen einen Gegner helfen, den die Irrationalität der eigenen Argumente wenig stört und der statt in Gruppentherapie zu gehen lieber die Schlagstöcke einer militärisch statt zivil agierenden Polizei kontrolliert.

         

        Die Entscheidungen im Parlament und "in Berlin" in Sachen Atomkraft sind nicht aus dem blauen Dunst heraus gefallen. "Hegemonie" ist das Stichwort und da gehören die Hüttendörfer in Gorleben dazu, genau so wie heute die Baumhäuser im Hambacher Forst. Sie haben vielen Menschen den Mut gegeben, den "Arsch hoch" zu kriegen: Bildungsarbeit zu leisten, in die Politik zu gehen und sich dabei nicht korrumpieren zu lassen, kleine geile Firmen zu gründen die inzwischen gar nicht mehr so klein sind usw.

         

        Würde ich ja auch gerne mal wissen, was mein Vorredner dazu so beigetragen hat?

      • 7G
        73176 (Profil gelöscht)
        @woksoll:

        Ich ergänze gerne einige Fakten: In Deutschland gibt es 11,4 Millionen ha Wald - alleine in den letzten 10 Jahren ist die Waldfläche um 50 000 ha gestiegen (//http://www.sdw.de/waldwissen/wald-in-deutschland/waldanteil/)

        70ha/11,4 Millionen ha = 0,000614%.

        Mal abgesehen von der Tatsache, dass man Wälder grundsätzlich nie komplett roden sollte - was in Deutschland i.d.R. nur nach starken Windwurf gemacht wird -, muss man auch mal die Relationen sehen.

        Außerdem gilt, dass ein gleichzeitiges Abschalten von Atom-/Kohlekraftwerken (sinkendes Angebot an elektr. Energie) + die Abschaffung des Verbrennungsmotor (steigende Nachfrage nach elektr. Energie) bis 2030 utopisch ist. Auch heute ist der Anteil der erneuerbaren Energien bezogen auf den Energieverbrauch lediglich 13% (AGEB).

      • @woksoll:

        Woksoll, du sagst, mensch müsse Demokratie lernen. Meine Frage: wer sollte hier Demokratie lernen. Diejenigen die, wie du selbst sagst, seit 40 jahre Macht und Geld geiler finden als ein Teil der Lebensgrundlage vieler Tiere und Menschen, oder die, die trotz 40 Jahren bürokratischer Stagnation und politischen Stumpfsinn, noch immer die Kraft haben, sich persönlich für ein Anliegen einzusetzen. Du sagst auch, es bedürfe rationaler Argumente statt moralische Predigte. Ich frage, wer ist hier eigentlich rational? Diejenigen die sich für die unumstößliche Klarheit, dass wir aufhören sollen, das Klima zu verseuchen, einsetzen, oder die, die noch immer an der Göttin Wirtschaft appellieren und hoffen das sie es schon schaukeln wird.

         

        In diesen Zeiten ist es undemokratisch, sich auf die Politik der Regierung zu verlassen, das ist unsachlich und irrational. Du sagst, "Arsch hoch". Genau das, Arsch hoch und Demokratie selber machen.

  • 3G
    39167 (Profil gelöscht)

    Das wären doch die richtigen Kandidaten für einen TAZ Preis!

    Danke an diese mutigen Menschen!

  • Ich verstehe nicht, warum RWE Kritik erntet. Niemand kann einem Konzern vorwerfen, wenn er, unter Einhaltung aller Gesetze und Regeln, Geld verdienen will.

     

    Warum gibt es keine Kritik an der Gesetzgebung, die ein solches Vorgehen möglich macht? Die Täter sitzen nicht in den Chefetagen von RWE, die Täter sitzen in Berlin. Da muss angesetzt werden - deswegen sind die Waldbesetzer auch keine Helden, sondern Don Quichotes.

     

    Mit den falschen Mitteln, wird der falsche Gegner bekämpft und das soll dann gut sein?

    • @Aron Gabriel:

      "Ich verstehe nicht, warum RWE Kritik erntet. Niemand kann einem Konzern vorwerfen, wenn er, unter Einhaltung aller Gesetze und Regeln, Geld verdienen will."

      Ah, wollen Sie auf Systemkritik hinaus ...?

      " Die Täter sitzen nicht in den Chefetagen von RWE, die Täter sitzen in Berlin. Da muss angesetzt werden [...]"

      ... schade, leider wollen Sie das doch nicht. Das RWE & Co Einfluss auf Parteien und Regierungen nimmt, würden Sie aber nicht abstreiten, oder? Stichwort Lobbyismus. Als so einfach sehe ich das nicht an.

       

      Es wird nicht der falsche Gegner bekämpft. Soweit ich weiß, wird RWE von Aktivist_innen nicht dämonisiert, sondern konkret RWEs Abholzung des Hambacher Forstes skandalisiert und darüberhinaus u.a. auf Umweltzerstörung durch Kohletagebau aufmerksam gemacht.

    • @Aron Gabriel:

      Formal richtig. Aber was schlägst Du vor? Den Marsch durch die Institutionen? Ich finde schon, dass man eine Firma, die mit natur- und menschenverachtenden Produkten Geld verdient, kritisieren kann, darf, muss. Bist Du (und die anderen, die hier gegen diesen Widerstand argumentieren) auch gegen die Gleisbesetzungen, Ankettungen u.ä., die es mmer wieder in Gorleben gegeben hat?

      Hier wie dort geht es nicht wirklich darum, das Projekt der Energieriesen zu verhindern. Das wird realistischerweise nicht möglich sein. Sondern darum, es zu stören und möglichst teuer zu machen.