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Kommentar Bioland und LidlDie Umwelt profitiert

Jost Maurin
Kommentar von Jost Maurin

Das kostbare Biosiegel jetzt beim umstrittenen Discounter? Was erst nach Kritik schreit, hat Vorteile. Trotzdem muss Bioland wachsam bleiben.

Bio-Bouletten für alle: Lidl und Bioland kooperieren Foto: dpa

A uf den ersten Blick sieht es aus wie ein Pakt mit dem Teufel. Der Ur-Ökoverband Bioland stellt sein kostbares Siegel dem bis in die Knochen konventionellen Discounter Lidl für dessen Bio-Eigenmarke zur Verfügung. Dabei nutzt Lidl regelmäßig seine gigantische Marktmacht, um Lieferanten im Preis zu drücken. Ein Deal mit dem größten Discounter kann ja nur Verrat sein, oder?

Auf den zweiten Blick ist es nicht ganz so einfach. Denn was würde passieren, wenn Bioland nicht mit Lidl zusammenarbeiten würde? Der Discounter böte wohl weniger Bioprodukte als jetzt geplant an. Und die, die er anbietet, würden weiter nur nach dem gesetzlichen Mindeststandard erzeugt, also zum Beispiel ohne chemisch-synthetische Pestizide. Bioland hingegen ist strenger, etwa was die Zahl der Tiere pro Stall und Regeln gegen umweltschädliche Überdüngung angeht. Weniger Bio und niedrigere Standards – davon hätte niemand etwas. Wenn Lidl nun mehr Bio und mehr Bioland-Qualität verkauft, dann profitiert davon die Umwelt. Falls dadurch auch der Markt insgesamt wächst, könnten mehr Bauern auf Bio umstellen.

Aber der Deal hat auch immense Risiken. Vor allem für die Bio-Fachgeschäfte, die über Jahrzehnte maßgeblich dazu beigetragen haben, dass Bioland eine so weit verbreitete und bekannte Marke ist. Sie haben lange als Einzige diese Waren verkauft. Dieses Alleinstellungsmerkmal verlieren sie jetzt endgültig.

Auch für die Bauern birgt die Kooperation Gefahren, denn Bioland macht sich abhängig von Lidl. Diese Abhängigkeit wird nicht gerade klein sein, weil die 3.200 deutschen Filialen des Discounters für Bioland-Verhältnisse gewaltige Mengen abnehmen werden. Viele Biolandbauern werden darauf angewiesen sein, dass Lidl weiter ihre Ware kauft.

Der aktuelle Vertrag mit dem Discounter mag für die Bioland-Lieferanten günstig sein. Aber er wird irgendwann auslaufen. Und dann könnte der mächtige Abnehmer seine altbekannten Daumenschrauben auch bei Bioland anziehen.

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Jost Maurin
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1974. Er schreibt vor allem zu Ernährungsfragen – etwa über Agrarpolitik, Gentechnik und die Lebensmittelindustrie. Journalistenpreis "Faire Milch" 2024 des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter. 2018, 2017 und 2014 gewann er den Preis "Grüne Reportage" des Verbands Deutscher Agrarjournalisten. 2015 "Bester Zweiter" beim Deutschen Journalistenpreis. 2022 nominiert für den Deutschen Reporter:innen-Preis (Essay "Mein Krieg mit der Waffe"), 2013 für den "Langen Atem". Bevor er zur taz kam, war er Redakteur bei der Nachrichtenagentur Reuters und Volontär bei der Süddeutschen Zeitung.
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5 Kommentare

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  • Lebensmittel sollten sowohl ökologisch als auch sozial produziert werden und nicht zu einer weiteren Spaltung der Gesellschaft führen.



    Gerade letzteres ist wohl nichts, was Lidl anstrebt.



    Deshalb hoffe ich, daß Leute mit mehr Einkommen weiterhin zum Bioladen gehen, und die, die sich das nicht leisten können, zu Lidl.



    Wenn Lidl vom Saulus zum Paulus werden will, wäre das super, aber das dauert wahrscheinlich noch. :-)

    • @shashikant:

      Naja, vergessen Sie nicht die prekarisierte Beschäftigung in Bio-Ketten ...

  • Ich wünsche mir ein siegel für soziale arbeitgeber: bewertet werden sollten: durchschnittliche Überstunden/monat; durchschnittliche zahl der tage ohne pause; weihnachts/urlaubsgeld?; prozentsatz "minderheiten" (v.a. höhere positionen); Höhe Gehälter; familienfreundlichkeit; Aufstiegschancen; durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer; anteil zeitarbeit. Liste kann gerne ergänzt werden.



    Niemand gewinnt bei einer grünen Revolution, solange sie die ungleichheit und soziale spaltung nicht angeht. Im Gegenteil, sie wird diese faktoren noch festigen.

    • @Ebenrutanem:

      Sowohl die Bioland- wie auch die ifoam Richtlinien (care, ecology, Fairness, health) beinhalten soziale Ziele, aber natürlich wachsweich. Dazu muss man wissen, dass viele Landwirte auch Arbeitgeber sind, die Landwirtschaft nun nicht gerade riesige Renditen abwirft und die Unternehmer um jeden cent feilschen. Aber ich stimme dir zu, hier muss, genau wie bei den Standards der Tierhaltung (jetzt wird mein Text grenzwertig....) laufend nachgebessert und eingefordert werden.



      Nicht nur bei dieser "grünen Revolution" auch bei der Digitalisierung muss die soziale Spaltung bekämpft werden. 100% bio voll digitalisiert hat sonst keine Wert.

  • "...Bioland macht sich abhängig von Lidl." Und "Viele Biolandbauern werden darauf angewiesen sein, dass Lidl weiter ihre Ware kauft." Das sehe ich nicht so schwarzweiß, wie der Author. Heute sind die Bauern auch nicht von Lidl abhängig. Es liegt in der Hand der Bauern, die Unabhängigkeit aufrechtzuerhalten. Nicht vergessen, jede Medaille hat zwei Seiten.