Kommentar Biofleisch-Skandal: Kein Fleisch ist besser als Biofleisch
Die Vorwürfe gegen die Herrmannsdorfer Landwerkstätten treffen die Biobranche ins Mark. Ihr Heiligenschein flackert nun.
S kandale im Bio-Stall beunruhigen und irritieren den Verbraucher ganz besonders. Weil dessen Vorstellungen vom Streichelzoo weit entfernt sind vom Alltag in der ökologischen Tierhaltung. Gutes Fleisch von gesunden, artgerecht gehaltenen Tieren: Das ist die Überschrift, das haben wir im Hinterkopf abgespeichert mit entsprechenden Bildern von Kälbchen Peter im kuscheligen Strohbett.
Die Branche unternimmt wenig, um das schöne Märchen zu korrigieren. Und mit jedem Horrorbild aus der konventionellen Tierhaltung, mit dem ständigen Rapport von Antibiotika-, Hormon- und Pestizid-Verbräuchen in den „normalen“ Mastanlagen und Höfen strahlt der Heiligenschein der Bios ein wenig heller.
Vorbei! Mit dem Druck, den die Branche neuerdings von der selbstbewussten Veganer- und Veggie-Bewegung bekommt, haben sich die Koordinaten verschoben. Biofleisch ist zwar besser als Billigfleisch aus der Turbomast, aber noch besser ist jetzt gar kein Fleisch.
So gibt es jetzt auch kein Pardon für die Herrmannsdorfer Landwerkstätten, wenn die Soko Tierschutz dort den Skandal ausruft und eine hohe Verlustrate bei Ferkeln sowie Hormon- und Antibiotikagaben moniert.
Vom Tierarzt verordnet
Der Verbraucher schüttelt sich und muss zur Kenntnis nehmen: Ja, auch im Biostall werden kranke Tiere mit Antibiotika versorgt. Ja, bei schweren Geburten wird das Hormon Oxytocin verabreicht. Und das alles auch noch legal – vom Tierarzt verordnet.
Bei den Herrmannsdorfern entfalten die Vorwürfe doppelte Wucht, denn sie sind die ideologische Vorhut der Bioszene. Bücher, Fernsehauftritte und unzählige Interviews mit dem Seniorchef Karl Ludwig Schweisfurth (“Der Metzger, der kein Fleisch mehr isst“) haben den Betrieb stets als sakrosankt erscheinen lassen. Jetzt muss man einräumen, jahrelang den falschen Tierarzt beschäftigt zu haben.
Und im ersten Halbjahr des Vorjahres ist jedes dritte Ferkel krepiert. Der Fall wird der gesamten Biobewegung Dampf machen. Er zeigt exemplarisch die anhaltenden Probleme mit der Tiergesundheit auch im Biostall. Statt selbstgefälliger Paraden auf der Nürnberger Biofach muss die Branche ihre Tierwohl-Initiativen mit Nachdruck verstärken.
Ulrich Schumacher, Fachreferent bei Bioland, bescheinigt der Öko-Tierhaltung „schlechte Produktivität, Festhalten an überkommenen Haltungsmethoden wie der Anbindehaltung (von Kühen), Schwachstellen bei der Tiergesundheit, Nischendasein und Diskussionsbedarf bei Transport und Schlachtung“. Und das ist noch freundlich formuliert.
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