Kommentar Bildungsplan der SPD: Ein bisschen weniger ungerecht
Die SPD will drei Millarden Euro pro Jahr an die Länder geben. Wo, wenn nicht bei Bildung, will die Partei punkten? Doch ihr Plan ist zu vorsichtig.
D eutschland ist, was Bildung und Aufstiegschancen angeht, eine Klassengesellschaft. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind von Akademikereltern auch AkademikerIn wird, ist viermal höher als bei einem Kind aus einem Facharbeiterhaushalt. Das war nicht immer so.
Die SPD hatte mit den Bildungsreformen der 70er und 80er Jahre dafür gesorgt, dass sich die Schranken im Bildungssystem hoben. Doch seit drei Jahrzehnten gibt es eine Rolle rückwärts. Wer arm geboren ist, bleibt arm. Das ist eigentlich für feudale Gesellschaften typisch und müsste auch Fans der Leistungsgesellschaft beunruhigen.
Die SPD fordert kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule. Das ist richtig, weil es die Hemmschwelle, Abitur und Uni anzustreben, für Kinder aus ärmeren Schichten senkt. Doch um mehr soziale Aufwärtsmobilität zu schaffen und die unterschiedlichen Startbedingungen auszugleichen, wären viel besser ausgestattete Kitas und Ganztagsschulen nötig.
Die von der SPD vorgestellte „Nationale Bildungsallianz für Deutschland“ soll in Sachen Bildung mehr Geld vom Bund für die Länder bereitstellen, pro Jahr drei Milliarden Euro – zum Beispiel für kostenfreie Kitas, Computer in Klassenzimmern, bessere Ausstattung von Berufsschulen. Dafür müsste allerdings das 2006 (von der Großen Koalition) in der Verfassung verankerte Kooperationsverbot gekippt werden. Hierzu ist eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag notwendig.
Die SPD zielt in die richtige Richtung. Allerdings ist die donnernd „nationale Bildungsallianz“ getaufte Initiative wie vieles bei Schulz recht vorsichtig. Ein den Arbeitgebern nahestehendes Institut hat kürzlich geschätzt, dass Kitas, Unis und Berufsschulen pro Jahr mindestens 12 Milliarden Euro mehr brauchen – viermal so viel wie Schulz & Co lockermachen wollen.
Was sagt die Union in ihrem Wahlprogramm eigentlich zur Bildung? Das Wort Kooperationsverbot, das die Finanzierung der Länder durch den Bund verhindert und das die SPD zu Recht abschaffen will, kommt ebenso wenig vor wie die Frage, wie viel Geld Bildung braucht. Dafür beteuert die Union treuherzig, man setze sich „für die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler ebenso wie für die leistungsstarken ein“.
Mag sein, dass die SPD bei der Bildung sich schnell den Vorwurf einhandelt, zentralistisch und bevormundend zu sein. Aber wo, wenn nicht hier, will sie Punkte sammeln?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption