Kommentar Auslieferung Puigdemonts: Konstruierter Haftbefehl
Puigdemonts Anwälte bezeichnen den europäischen Haftbefehl gegen ihn als „Pfusch“. Die deutschen Richter werden sich auch darüber wundern.
D er spanische Ermittlungsrichter Pablo Llarena weiß, dass sein europäischer Haftbefehl und damit der Auslieferungsantrag gegen den ehemaligen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont auf tönernen Füßen steht. Denn der Vorwurf der „Rebellion“ ist ohne Gewalt nur schwer zu halten. Und Gewalt war bei der Volksabstimmung zur Unabhängigkeit Kataloniens am 1. Oktober nur von Seiten der Polizei zu sehen. Die Bilder der brutalen Einsätze, die weit über 900 Verletzte hinterließen, gingen um die Welt.
Wenn überhaupt, dann ist der Vorwurf der „Veruntreuung öffentlicher Gelder“ ein schwerwiegendes Argument, das zur Auslieferung führen könnte. 1,5 Millionen Euro soll, so Llarena, die Vorbereitung und Durchführung der Abstimmung gekostet haben. Das Geld soll aus den öffentlichen Kassen der Regionalregierung und damit letztendlich aus den Fonds stammen, die Madrid aus den Steuereinnahmen nach Katalonien zurücküberweist.
Nur: Inwieweit das stimmt, ist unklar. Noch laufen die Ermittlungen, und sie sind geheim. Auszuschließen ist nicht, dass eine Bewegung, die in der Lage ist, Hunderttausende Euro für die im Rahmen des 1. Oktober strafrechtlich Verfolgten in Form einer Widerstandskasse zu sammeln, auch ein Referendum finanzieren kann.
Doch damit nicht genug: Um den Haftbefehl schlagkräftiger zu machen und die Auslieferung zu beschleunigen, hat Richter Llarena im europäischen Haftbefehl das Kästchen für „Korruption“ angekreuzt. Das ist, anders als „Rebellion“ und „Veruntreuung“, eines der 32 Delikte, die zur automatischen Auslieferung führen.
Doch in Spanien wirft niemand Carles Puigdemont vor, sich im Rahmen des Referendums selbst bereichert zu haben. Wer Gelder unterschlägt und sie in die eigene Tasche steckt, veruntreut nicht, er stiehlt im Amt. Und genau das ist eine der Definitionen von Korruption.
„Pfusch“ nennen die Anwälte Puigdemonts den europäischen Haftbefehl deshalb. Die Richter in Deutschland werden sicher auch staunen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen