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Kommentar Ausgrenzung von EU-BürgernNahles will Sozialleistungen streichen

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Der Gesetzentwurf der SPD-Ministerin benachteiligt EU-Bürger. Sie will den Eindruck vermeiden, Deutschland habe irgendetwas zu verschenken.

Bald wird's kuschelig: Die Patriotin Nahles gefällt dem Horst immer besser Foto: dpa

A bschottung lässt sich nicht nur nach außen betreiben – etwa indem man Grenzen schließt. Sie lässt sich auch nach innen erzielen – zum Beispiel indem man Regeln so auslegt, dass sie bestimmte Gruppen pauschal ausschließen. Letzteres ist das Ziel des Gesetzes, das Arbeitsministerin Andrea Nahles plant. Man kann es als Ausdruck eines allgemeinen Trends betrachten, das Ausmaß der europäischen Freizügigkeit zu beschneiden.

Geht es nach der SPD-Ministerin, sollen EU-Bürger in Deutschland keine Sozialleistungen erhalten dürfen, sofern sie nicht längere Zeit hier gearbeitet haben. Nahles kommt damit dem Wunsch vieler Kommunen nach, die nach einem Urteil des Bundessozialgerichts vom Dezember einen starken Anstieg ihrer Ausgaben befürchtet hatten, denn die Kommunen kommen für die Sozialhilfe auf.

Wie sich das geplante Gesetz mit dem Ideal europäischer Freizügigkeit verträgt, ist fraglich: Darüber werden am Ende vermutlich EU-Gerichte entscheiden müssen. Und ob es eine objektive Notwendigkeit für diese Verschärfung gab, ist ebenfalls unklar. Denn unklar ist, wie viele EU-Ausländer bislang auf staatliche Hilfeleistungen angewiesen sind.

Klar ist nur, dass der befürchtete Massenansturm auf die Sozialkassen ausgeblieben ist. Aber populistische Parolen wie „keine Einwanderung in die Sozialsysteme“ und Slogans wie „Wir sind nicht das Sozialamt der Welt“ hallen in vielen Köpfen nach. Nahles Initiative dient nicht zuletzt dazu, solchen Anwürfen von vornherein den Wind aus den Segeln zu nehmen. Der AfD will sie keine Angriffsfläche bieten. Den eigenen Wählern will sie signalisieren, dass sie gegenüber Einwanderern bevorzugt bleiben.

Nahles will jeden Eindruck vermeiden, Deutschland habe irgendetwas zu verschenken. Dafür vermittelt ihr Vorstoß den Eindruck von Wohlstandschauvinismus – auch wenn es schwerfällt, bei den Summen, um die es geht, von Wohlstand zu reden.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”