Kommentar Aserbaidschan: Dreckiges Spiel
Das Regime Alijews betreibt Schmutzkampagnen gegen Journalisten. Seine westlichen Unterstützer sollten sich in Grund und Boden schämen.
W enn es noch so etwas wie Gerechtigkeit gibt, so ist Khadija Ismayilowa durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zumindest ein kleines Stück davon widerfahren. 15.000 Euro Entschädigung muss das autoritäre Regime des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Alijew für eine beispiellose Schmutzkampagne gegen die Investigativjournalistin zahlen, weil es grundlegende Rechte auf ihr Privat- und Familienleben massiv verletzt hat.
Nach dem Motto „Sex geht immer“ wurden 2012 und 2013 – nach entsprechenden vorherigen anonymen Drohungen – heimlich gefilmte Videos aus Ismayilowas Schlafzimmer ins Netz gestellt. Ermittlungen, um den oder die Täter dingfest zu machen, blieben sehr überschaubar.
Stattdessen ging die Hatz auf Ismayilowa , die vor allem zum Thema Korruption in den höchsten Zirkeln der Mächtigen recherchiert, weiter. 2015/2015 saß sie eine Haftstrafe ab, darf derzeit das Land nicht verlassen und wurde im vergangenen Dezember zu einer Geldstrafe in Höhe von umgerechnet 23.000 Euro verurteilt – angebliche Steuerschulden.
Vor diesem Hintergrund ist es äußerst fraglich, ob das Urteil der Straßburger Richter in Baku Wirkung zeigt. Denn um regierungskritische Journalisten kalt zu stellen, ist Alijew und seinem Klan jedes Mittel recht – und sei es auch noch so perfide. Seit über zwei Wochen befindet sich der inhaftierte Blogger Mehman Huseynow, der ebenfalls zahlreiche korrupte Machenschaften enthüllte, im Hungerstreik. Er könnte letztendlich diese Protestaktion mit seinem Leben bezahlen
Gekaufte Abgeordnete
Das Beschämende bei all dem ist, dass einige westliche Politiker, die sich gern mit der Verteidigung von Werten wie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit brüsten, Alijews dreckiges Spiel mitmachen. Ein Blick in den Ermittlungsbericht einer unabhängigen Untersuchungskommission aus dem Jahre 2018 genügt, um zu sehen, wie sich sich Abgeordnete der Parlamentarischen Versammlung des Europarates von Alijew kaufen ließen.
Sie und alle anderen, die dem Autokraten den Teppich ausrollen, sollten sich schämen. Anders als Ismayilowa, die ihre unbequemen Recherchen allen Widrigkeiten zum Trotz unbeirrt fortsetzt. Für sie ist das Urteil vor allem eins: ein moralischer Sieg.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Künftige US-Regierung
Donald Trumps Gruselkabinett
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt