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Kommentar AntisemitismusBankrotterklärung des Staates

Kommentar von Klaus Hillenbrand

Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein empfiehlt jüdischen Männern, ihre Kippa lieber nicht auf der Straße zu tragen. Was für ein Versagen.

In Deutschland auf der Türschwelle zur Öffentlichkeit lieber ablegen? Kann nicht angehen Foto: dpa

E in Antisemitismusbeauftragter der Bundesregierung hat die Aufgabe, Judenhass zu bekämpfen. Umso befremdlicher mutet es an, wenn Felix Klein stattdessen den Ratschlag an jüdische Männer ausgibt, sie mögen ihre Kippa nicht überall in der Öffentlichkeit tragen. Für die Betroffenen ist ein solcher Hinweis überflüssig, denn sie wissen selbst um die Gefahren, wenn sie sich mit dieser religiösen Kopfbedeckung in manchen Vierteln deutscher Großstädte zeigen. Dies von offizieller Stelle auch noch bestätigt zu bekommen, gleicht einer Bankrotterklärung des Staates.

Doch es ging Klein offenbar gar nicht darum, Juden Ratschläge zu erteilen. Der Antisemitismusbeauftragte hat mit seinem scheinbar überflüssigen Satz eine Debatte über die Sicherheit der Juden in diesem Land ausgelöst, die immer wieder mal an die Oberfläche gespült, aber nie konsequent weitergeführt wurde. Es ist eine beschämende Tatsache, wenn sich Politik und Öffentlichkeit daran gewöhnt haben, dass die grundgesetzlich verankerte Religionsfreiheit nicht für alle und nicht überall gewährleistet ist.

Dieser Zustand wird allenfalls bedauernd zur Kenntnis genommen, aber viel zu wenig unternommen, um sich dieser Entwicklung entgegenzustemmen. Es geht dabei nicht um mehr Polizeipräsenz, sondern darum, einem gesellschaftlichen Trend den Kampf anzusagen, der zunehmend zur Bedrohung wird. Die Kippa, jenes kleine Stück Stoff, wird dabei zum Symbol für Toleranz und Respekt.

Es spricht wenig dafür, dass Kleins Äußerungen an den Gefahren für jüdische Menschen in Deutschland etwas ändern. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) ist wenig mehr dazu eingefallen, als darauf hinzuweisen, dass der derzeitige Zustand unhaltbar sei. Aber eine Tatsachenfeststellung ersetzt noch keine Politik.

Erschreckender noch als Kleins Ratschläge sind die Reaktionen aus zwei Bundesländern: Die Innenminister von Nordrhein-Westfalen und Bayern, Herbert Reul (CDU) und Joachim Herrmann (CSU), haben Juden dazu aufgerufen, immer und überall die Kippa zu tragen. Das soll sich wohl nach Solidarität anhören, doch es ist tatsächlich das genaue Gegenteil. Die Minister laden die reale Gefahr bei den Gefährdeten ab. Sie erwecken damit den Eindruck, es gebe gar kein Problem, ja, als seien Juden nur ein wenig hasenfüßig.

Warum laufen Reul und Herrmann nicht mal selbst ohne Personenschutz, dafür aber mit einer Kippa auf dem Kopf durch einschlägige Stadtviertel in ihren Bundesländern? Vielleicht würden sie dann begreifen, dass man eine Bedrohung nicht dadurch bekämpft, indem man sie leugnet.

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taz-Autor
Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024
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3 Kommentare

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  • 8G
    80576 (Profil gelöscht)

    Welche "Viertel deutscher Großstädte" meint denn der Autor, wenn er davon schreibt, dass man in diese besser nicht mit Kippa geht?

  • 9G
    90946 (Profil gelöscht)

    Innenminister Herbert Reul (CDU) und Joachim Herrmann (CSU) haben gut reden, wenn sie von Juden verlangen die Kippa überall zu tragen. Sie selbst fühlen sich nicht betroffen und gefährdet.



    Das ist doch das Muster, das ängstlich macht: die Gefährdeten stehen alleine, die Gesellschaft (also wir alle und die Politik) begreifen gar nicht, was hier auf dem Spiel steht, fühlen sich nicht herausgefordert, dagegen vorzugehen. Echte Solidarität geht anders.

  • "... einem gesellschaftlichen Trend den Kampf anzusagen, der zunehmend zur Bedrohung wird." Da hat Herr Hillenbrand ja selbst einen wirklich konkreten Vorschlag gemacht. Alle erkennbaren Minderheiten in diesem Land wissen, dass das Gewaltmonopol des Staates nur ein Anspruch ist. Mich hätten konkrete Vorschläge (ohne mehr Polizei, wie er schreibt) schon interessiert. So ist es nur Betroffenheitslyrik.