Gastkommentar Kippa-Debatte: Im eigenen Namen sprechen

Der Beauftragte der Bundesregierung ruft dazu auf, am Al-Kuds-Tag in Berlin Kippa zu tragen. Dabei können Juden durchaus für sich selbst sprechen.

Ein Mann mit grauen Haaren trägt eine blaue Kippa

Teilnehmer der Solidaritätskundgebung „Berlin trägt Kippa“ im April 2018 Foto: dpa

Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus, hat den Juden in Deutschland kürzlich empfohlen, aufgrund des wachsenden Antisemitismus die Kippa in der Öffentlichkeit nicht zu tragen. Dafür gab es viel Kritik. Nun ruft Klein dazu auf, an diesem Sonnabend an der Demonstration in Berlin gegen den „Al-Kuds-Tag“ der Palästinenser teilzunehmen. Dabei sollten alle die Kippa tragen – als Zeichen der Solidarität.

Im Kontext des Al-Kuds-Tages gibt es zweifellos antisemitische Bedrohungen und Pöbeleien, vor allem in Orten mit hohen migrantischen Anteilen; die Frage ist nur, welches Gewicht haben diese Vorfälle und mit welcher Intensität finden sie statt im Gesamtkontext des Antisemitismus in Deutschland?

Nach zuverlässigen Untersuchungen, etwa von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS), herzlich wenig im Vergleich zu der extremen Hetze seitens weißer Antisemiten in Internet-Foren, in Fußballstadien, Wehrsport Einheiten, Nazikneipen und nicht zuletzt im Alltag. Der Antisemitismus-Beauftragte ignoriert offenbar diese Gewichtung.

Weshalb brauchen wir überhaupt noch einen Beauftragten für Judentum und Antisemitismus, einen nichtjüdischen Beschützer der Juden? Bricht hier nicht doch, einerseits, eine geschichtliche Erinnerung an die Schutzjuden des Souveräns vom Hochmittelalter bis zu Friedrich dem Großen durch? Und andererseits die Rolle des Schtadlan, des jüdischen Fürsprechers am Hofe des Fürsten, nur eben heute ein “verkehrter“, nichtjüdischer Fürsprecher, der nicht versteht, dass Juden in diesem Land durchaus für sich selber sprechen können?

Die Berufung eines nicht-jüdischen Antisemitismusbeauftragten ist, gerade auch angesichts des zunächst nicht-jüdisch besetzten Expertenkreises Antisemitismus des Bundestages, ein Beweis dafür, dass der deutsche Staat nach wie vor Juden und Jüdinnen als Fremdkörper denkt. Diese neue Kippah-Debatte ist ein weiterer Beweis für die verkorkste Doppelkonstruktion eines Beauftragten für jüdisches Leben und Antisemitismus, die schleunigst wieder abgeschafft gehört.

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geboren 1944, ist emeritierter Soziologieprofessor der Universität von Toronto, Autor zahlreicher Bücher über Juden in Deutschland nach 1945 und selbst Mitglied der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

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