Kommentar Abstimmung in der Ukraine: Sieg der Falken
Die EU muss mehr Druck ausüben und Russland sollte klare Worte an die Rebellen richten. Viel Zeit bleibt bis zum Referendum am Sonntag nicht.
D ie Zeichen in der Ukraine stehen auf Sturm: Die „Volksrepublik Donezk“ hält am 11. Mai als Referendumstermin fest, und die Regierung in Kiew will die „Antiterroristische Operation“ – insbesondere vor der Stadt Slawjansk – fortsetzen.
Russlands Präsident Wladimir Putin konnte mit seiner Bitte um Verschiebung der Abstimmung im Osten der Ukraine nur gewinnen. Bei allzu großer Nähe zu den Lokalpatrioten im Donbass riskiert er eine weitere Verschärfung der Sanktionen. Seine halbherzige Bitte an die Separatisten hat er vermutlich nur ausgesprochen, weil ihm im Gegenzug von westlicher Seite Zugeständnisse gemacht worden sind.
Vielleicht wollte sich Putin aber auch angesichts des schlecht vorbereiteten Referendums eine Blamage ersparen oder verhindern, dass sein Image vom Eroberer ohne Blutvergießen, das ihm das Krim-Abenteuer eingebracht hat, von einem ukrainischen Bürgerkrieg mehr als angekratzt wird.
Wie konnte es aber sein, dass auf einen Mittwoch mit mehreren hoffnungsvollen Signalen dieser schwarze Donnerstag folgte, der die Ukraine wieder ein Stückchen näher an den Bürgerkrieg rückt? Gerade erst hatten sich die Übergangsregierung in Kiew und die Aufständischen auf einen Gefangenenaustausch geeinigt, hatte Putin um Verschiebung des Referendums gebeten und hatte es erste Anzeichen einer Dialogbereitschaft auf beiden Seiten gegeben.
Offensichtlich ringen auf beiden Seiten Tauben und Falken um die Vorherrschaft. Diplomaten und Kriegstreiber. Den Donnerstag können jedenfalls eindeutig die Falken für sich verbuchen.
Und wie könnten die Tauben beider Lager unterstützt werden?
Der Kiewer Wunsch nach einer größtmöglichen Nähe zur EU gibt Europa viele Möglichkeiten an die Hand, Druck auf Kiew auszuüben. Brüssel muss von Kiew einfordern, mit den Aufständischen in einen Dialog zu treten und die Waffen schweigen zu lassen. Russland wiederum muss aufgefordert werden, seiner halbherzigen Bitte an die Aufständischen mehr Nachdruck zu verleihen. Eine Bitte kann man schon mal abschlagen. Eine kategorische Aufforderung Putins an die Rebellen, das Referendum zu verschieben, könnten diese nicht mehr so einfach ignorieren.
Die Zeit allerdings drängt. Bis zum 11. Mai sind es nur noch drei Tage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Der Check
Verschärft Migration den Mangel an Fachkräften?
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Selenskyj bringt Nato-Schutz für Teil der Ukraine ins Gespräch
FDP-Krise nach „Dday“-Papier
Ex-Justizminister Buschmann wird neuer FDP-Generalsekretär
Überraschende Wende in Syrien
Stunde null in Aleppo
Liberale in der „D-Day“-Krise
Marco Buschmann folgt Djir-Sarai als FDP-Generalsekretär