Kommentar Abschiebe-Gesetz: Idee okay, aber zu kurz gedacht
Schnellere Abschiebungen sind nicht grundsätzlich falsch. Horst Seehofers Gesetz kriminalisiert aber Schutzsuchende. Das ist falsch.
D as „Geordnete-Rückkehr-Gesetz“, das das Kabinett am Mittwoch beschlossen hat, soll Abschiebungen schneller und konsequenter machen. An sich ist auch nichts Schlechtes daran, alle, die sich nicht in Deutschland aufhalten dürfen, so schnell wie möglich zurückzuführen oder Beamte zu bestrafen, die Abschiebetermine verraten.
Allerdings sind die Mittel, die das neue Gesetz vorsieht, kritisch zu beäugen. Denn es kriminalisiert Schutzsuchende, die abgeschoben werden sollen. Zukünftig sollen diese in normalen Gefängnissen untergebracht werden. Das ist nicht nur menschenunwürdig, weil Schutzsuchende wie Straftäter behandelt werden, sondern könnte sogar gegen EU-Recht verstoßen.
Das ist aber nicht der einzige Kritikpunkt. Seehofer will mit seinem Gesetz nicht identifizierte Ausländer dazu zwingen, die Behörden bei ihrer Identifizierung zu unterstützen, beispielsweise durch die Beantragung eines Passdokuments bei den Botschaften der Herkunftsländer. Das ist leichter gesagt als getan: Fehlen einem politisch Verfolgten nötige Dokumente und wird er gezwungen, die Botschaft seines Heimatlandes zu besuchen, wird er womöglich einer erheblichen Gefahr ausgesetzt.
Ab 17. April übernehmen 50 junge Menschen aus ganz Deutschland zwischen 14 und 24 Jahren die taz, um mit uns eine Jubiläumsausgabe zum 40. Geburtstag der taz zu gestalten. Mehr unter taz.de/40
Wenn Ausländer ihrer Pflicht, bei der Identifikation zu helfen, warum auch immer, nicht nachkommen, werden sie mit Sanktionen wie der Einstellung von Sozialleistungen oder einem Arbeitsverbot bestraft. Das kann in Einzelfällen zu einer Straffälligkeit der Betroffenen führen, da man allein mit einer Unterkunft und Sachgütern nicht menschenwürdig leben kann. Wenn man nicht legal arbeiten darf, ist die Illegalität oft der letzte Ausweg.
Es stellt sich also die Frage, was genau Seehofer mit einem Gesetz, welches unter Umständen zu noch mehr Kriminalität führt, genau bezwecken möchte – und warum er seine Ideen nicht bis zum Ende durchdacht hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Umgang mit nervigen Bannern
Bundesrat billigt neue Regeln für Cookies