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Kommentar Absage Kurden-KulturfestivalSchützen statt verhindern

Pascal Beucker
Kommentar von Pascal Beucker

Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies hätte die Meinungs- und Versammlungsfreiheit verteidigen müssen. Er tat das Gegenteil.​

Protest gegen das Verbot der „Özgür Gündem“ in Istanbul Foto: dpa

N ur einen Tag nachdem türkische Polizisten die Redaktionsräume der prokurdischen Zeitung Özgür Gündem in Istanbul gestürmt haben, sorgt ein deutscher Polizeipräsident für die Absage eines kurdischen Kulturfestivals in Köln. Mit seiner „Empfehlung“ an den städtischen Betreiber, dem Demokratischen Gesellschaftszentrum der KurdInnen in Deutschland (NAV-DEM) nicht wie geplant das Rheinenergiestadion Anfang September zu überlassen, hat Jürgen Mathies ein falsches Signal gesetzt. Gerade jetzt hätte Kölns oberster Polizist die Meinungs- und Versammlungsfreiheit verteidigen müssen. Er hat das Gegenteil getan.

Es ist bereits das zweite Mal, dass sich Mathies im Zweifel gegen Grund- und Freiheitsrechte entschieden hat. Schon sein Verbot, den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan Ende Juli live per Videobotschaft zu seinen in Köln versammelten Anhängern sprechen zu lassen, entsprach einem fragwürdigen Demokratieverständnis. Nun bemüht er erneut vermeintliche Sicherheitsbedenken zur Legitimierung seiner Intervention gegen das „Internationale Kurdische Kulturfestival“: Weil türkische Nationalisten sich von der Veranstaltung derartig provoziert fühlen könnten, dass „gewalttätige Aktionen“ zu erwarten seien, gehe es darum, „diese Gefahren für die öffentliche Sicherheit in Köln abzuwehren“.

Falls Mathies das wirklich ernst meinen würde, müsste er künftig auch gegen alle Bundesligaspiele des 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach im Rheinenergiestadion vorgehen, bei denen es tatsächlich in schöner Regelmäßigkeit zur Randale der beiden verfeindeten Fanlager kommt.

Seit 1992 gibt es das Internationale Kurdische Kulturfestival. Wie in den letzten beiden – völlig friedlich gebliebenen – Jahren in Düsseldorf erwarteten die Veranstalter rund 30.000 Menschen in Köln. Aufgabe der Kölner Polizei wäre es eigentlich gewesen, sie zu schützen, statt die Veranstaltung zu verhindern. Solange sich an Recht und Gesetz gehalten wird, ist es dabei völlig egal, was von den dort vermittelten Inhalten zu halten ist.

Selbstverständlich ist die Idealisierung des in der Türkei inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan nicht minder – gelinde formuliert – unerfreulich wie die Vergötterung Erdoğans. Aber eine Demokratie kann und muss beides aushalten. Grund- und Freiheitsrechte gelten auch für diejenigen, deren Vorstellungen man nicht teilt. Gerade vor dem Hintergrund der derzeitigen Zustände in der Türkei sollte das in der Bundesrepublik nicht in Vergessenheit geraten.

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Pascal Beucker
Inlandsredakteur
Jahrgang 1966. Arbeitet seit 2014 als Redakteur im Inlandsressort und gehört dem Parlamentsbüro der taz an. Zuvor fünfzehn Jahre taz-Korrespondent in Nordrhein-Westfalen. Seit 2018 im Vorstand der taz-Genossenschaft. Sein neues Buch "Pazifismus - ein Irrweg?" ist gerade im Kohlhammer Verlag erschienen.
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12 Kommentare

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  • "Selbstverständlich ist die Idealisierung des in der Türkei inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan nicht minder – gelinde formuliert – unerfreulich wie die Vergötterung Erdoğans."

     

    Mit dem Unterschied dass die Türken einen Staat mit einer Verfassung hätten, die es zu verherlichen gälte.

     

    Das ein geknechtetes, entrechtetes Volk sich einem "Champion" oder Märtyrer hingibt, halte ich für nichts ungewöhnliches.

     

    Wie unterscheidet sich der Öcalan noch gleich von Mandela?

    • @Pleb:

      Mandela war schwarz und evangelisch-methodistisch getauft.

  • Folgendes bleibt demnach festzuhalten:

    Wären die Kurden Neonazis und Hooligans, hätte die Kölner Polizei alles Mögliche und Unmögliche getan, damit die Veranstaltung stattfinden kann.

  • Köln? ...ist meiner Meinung und Erfahrung nach ein Klüngel aus Wirtschaft, Politik und Kirche. Ein Schelm, wer denkt es habe jemand Druck auf den Polizeipräsidenten ausgeübt so zu entscheiden? Meiner Ansicht nach muss man, wenn man objektive Maßstäbe ansetzt und sich ausschließlich am Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland orientiert, zu dem Ergebnis kommen dass die indirekte Absage durch den Polizeipräsidenten verfassungswidrig war.

  • Krasse Fehlentscheidung!

     

    Die Kurden brauchen einen eigenen Staat.

  • Der vermeintliche Störer führt dem PolPräsi die Hand! Geht's noch!

     

    Der Herr kann also weder PolRecht -

    Versammlungsrecht et al. -

    Noch Verfassungsrecht!

    Die Veranstalter sollten auf einer

    Bescheiderteilung bestehen &

    Sodann die Verwaltungsgerichte -

    Das Elaborat du PräsiPol

    Graderücken lassen.

    Endstation Karlsruhe.

    (Kinder - die nix wollen -

    Kriegen auch nix!)

     

    (ps - ob die TV-Übertragung der geeignete Aufhänger ist - Herr Beucker - Lass ich mal offen -

    Die Erdo g an-Demo famd ja -

    Per Gerichte - dennoch&zurecht statt!;)

  • Wenn wir ein Kulturfestival einer Kultur verbieten, zu deren Kulturkreis ca. 1 Mio Menschen bei uns gehören, ist dies entweder ein Kneifall vor Erdogan oder ein sicherheitspolitischer Offenbarungseid. Beides ist beschämend. Kann eine andere Kommune die Ehre der freiheitlichen Demokratie in Deutschland retten?

  • Zur Zeit gilt der Vertrag über die Europäische Union (EUV), Vertrag von Lissabon. Dort werden die Werte der EU im Artikel 2 aufgeführt.

    Diese Werte gilt es zu schützen!

    Ich habe nicht den Eindruck, dass sich die Türkei damit identifiziert.

    Die Kurden können davon zeugen:

    „Krieg macht ehrlich“, ist das Motto von Düzen Tekkal. Als deutsche Jesidin hast sie 2014 den Genozid an ihrem Volk im Nordirak mitangesehen. Gerade deswegen sorgt sie sich angesichts des wachsenden Zuspruchs, den extremistische Strömungen in Deutschland erfahren, um unsere Demokratie: »Extremisten bedrohen das Fundament jeglichen Zusammenlebens. Wer davor die Augen verschließt oder auch nur gleichgültig zusieht, macht sich mitschuldig am Verlust unserer politischen Freiheit.« Tekkals Analyse zielt daher nicht nur auf islamistische Gesinnungstäter, sondern auch auf die wachsende Gewalt von rechts: Jeder der beiden »bösen Zwillinge« verhöhnt die demokratische Grundordnung und gefährdet den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Tekkal spricht offen über die Probleme, die die Integration von Menschen unterschiedlicher kultureller und religiöser Prägung mit sich bringt. Vor allem aber will sie die Werte verteidigen, für die sie einsteht. http://duezentekkal.de/reportagen/deutschland-ist-bedroht-warum-wir-unsere-werte-verteidigen/

  • 2G
    24636 (Profil gelöscht)

    Als würden nicht gerade diese Veranstaltungen und Demonstrationen den Unterschied zur Türkei markieren. Man gibt sich einmal mehr größte Mühe diesen zu verflachen und den "Kehrt vor eurer Haustür"-Claqueuren Erdogans den Ball zuzuspielen.

    • @24636 (Profil gelöscht):

      Im nun vorliegenden Fall aber werden die Erdogan-Claqueuere ruhig bleiben.

       

      Man könnte vermuten, Herr Mathies versuche mit seiner Empfehlung, das Erdogan-Übertragungsverbot wieder auszugleichen. Das wäre irgendwie doppelt verstörend.

      • @Wurstprofessor:

        "Im nun vorliegenden Fall aber werden die Erdogan-Claqueuere ruhig bleiben."

         

        Erdogan-Claqueure dürften sich freuen, über das Verbot einer Kurden-Veranstaltung. Und die Kurden sind mal wieder doppelt gelackmeiert: Verfolgt in der Türkei und behindert in Deutschland. Besser kann doch nicht demonstriert werden, zu wem die Verantwortlichen im Zweifelsfall halten.

      • @Wurstprofessor:

        Dieser Herr hat sich ja bereits im Zuge der anstehenden Erdo g an -Demo damit gebrüstet -

        "Es sei ihm gelungen - den Redeauftritt des Außenministers zu verhindern -

        Zugunsten des Sportministers!"

        (der dann auch geredet hat!)

        Ein in der Wolle gefärbter Demokrat -

        Ist dieser PolPräsi - ganz sicher nicht!